Wichtigste Erkenntnisse
- Nach einem Jahrzehnt der Stärke fiel der US-Dollar seit Anfang 2025 um 7,5%.
- Anleger sind besorgt über die Handelspolitik, die Widerstandsfähigkeit der US-Wirtschaft und die allgemeine Sicherheit von US-Investments.
- Weitere Rückgänge sind möglich, aber der US-Dollar dürfte seine wichtige Rolle als Reservewährung für Zentralbanken und Unternehmen weltweit behalten.
Der US-Dollar musste in den letzten Monaten viel einstecken. Viele Analysten sind der Meinung, dass das wirtschaftliche und geopolitische Umfeld auf weitere Kursverluste hindeutet.
Seit Anfang 2025 verringerten mehrere Faktoren zusammen den Wert des US-Dollars gegenüber anderen Währungen. Der US-Dollar-Index, der den Greenback gegenüber einem Korb anderer Währungen abbildet, fiel in diesem Jahr bisher um 7,5%.
Dieser Rückgang war besonders während der globalen Marktturbulenzen Anfang April zu beobachten, die auf die Ankündigung aggressiver Zölle gegen Dutzende von Ländern durch US-Präsident Donald Trump folgten. In Zeiten der Marktvolatilität sehen globale Anleger den Dollar normalerweise als sicheren Hafen an. Diesmal jedoch nicht.
Im Hintergrund verweisen Analysten auf ein Zusammentreffen von Faktoren, die die Stimmung für den US-Dollar verschlechtern. Dazu gehören Sorgen über eine Verlangsamung des US-Wirtschaftswachstums und eine höhere Inflation aufgrund höherer Zölle sowie ein wachsendes Unbehagen nicht-amerikanischer Anleger über die Finanzpolitik in den Vereinigten Staaten. Das wurde in der letzten Woche deutlich, nachdem die Ratingagentur Moody’s die Kreditwürdigkeit des Landes herabgestuft hatte, was den US-Dollar nach einer Erholung am US-Aktienmarkt wieder nach unten drückte.
“Wichtig ist, dass Anleger das nicht nur als ein Problem im Zusammenhang mit den Zöllen sehen”, sagt Steve Englander, Leiter des globalen G10-Währungs-Research bei Standard Chartered. “Es war ein Problem, das mit einer viel breiteren Palette von Maßnahmen zusammenhing.”
Devisenmarktstrategen erwarten in den nächsten Monaten einen weiteren Rückgang des US-Dollars. Ein schwächerer Dollar könnte sich auf die Märkte in den USA und im Ausland auswirken. Strategen zufolge könnten internationale Aktien Auftrieb erhalten, während in den USA ansässige Importeure einen Rückschlag erleiden könnten. Die Zölle und ihre Folgen könnten einen Aufschwung für in den USA ansässige Unternehmen dämpfen, die auf ausländischen Märkten tätig sind, da US-Waren im Ausland billiger werden. Die Strategen gehen jedoch nicht davon aus, dass der Dollar in absehbarer Zeit seinen Status als globale Reservewährung verlieret.
Warum fiel der Dollar?
Eine ganze Reihe von Faktoren beeinflusst den Wert des Dollars, von der Dynamik von Angebot und Nachfrage über die Handelspolitik und die Stimmung der Anleger bis hin zur relativen Stärke der US-Wirtschaft gegenüber anderen Ländern. Hohe Zinssätze stärken den Dollar, eine hohe Inflation schwächt ihn tendenziell.
Nach gängiger Meinung hätten die neuen Zölle den Dollar stärken müssen, da man davon ausging, dass Einfuhrzölle die Ausgaben für im Ausland produzierte Waren senken und das Handelsdefizit verringern würden. Ein geringeres Handelsdefizit würde bedeuten, dass die USA weniger ausländisches Kapital anziehen müssten, um eine Abwertung des Dollars zu verhindern.
Diese Rückgänge kommen nach mehr als einem Jahrzehnt der Stärke des Dollars und der scheinbar dauerhaften Vorherrschaft von US-Vermögenswerten, und sie begannen lange bevor Trump die globalen Finanzmärkte mit seinen Zöllen aufmischte. So sank der Dollar im Laufe des ersten Quartals um fast 4%, nachdem er im Jahr 2024 um 7% gestiegen war.
“Zu Beginn des Jahres waren wir allgemein sehr enthusiastisch über den Dollar in der US-Wirtschaft”, erklärt Thierry Wizman, Global Currencies and Rates Strategist bei Macquarie. “Die meisten dachten, dass die politische Agenda, die aus Washington kommt, für US-Vermögenswerte akzeptabel sein würde”, sagt er. Er erklärt, dass Steuersenkungen, Einwanderungsbeschränkungen und einige Zöllen erwartet wurden, dass sie eine gewisse Inflation auslösen würden, wodurch die Federal Reserve eine restriktive Haltung einnehmen und die Zinssätze hoch bleiben würden.
Bereits im Februar wurden Anleger jedoch von der aggressiven Zollpolitik der Trump-Administration überrascht, die Rezessionsprognosen auslöste und die Aussichten für den Welthandel zu gefährden drohte. Das wochenlange Hin und Her um die Umsetzung der Zölle trübte das Vertrauen der Anleger, und der Dollar stürzte ab. “Globale Vermögensverwalter haben einfach das Vertrauen in die Fähigkeit der USA verloren, ein kohärentes Bündel von Maßnahmen zu ergreifen”, sagt Wizman. “Es gab zu viel Unsicherheit im Zusammenhang mit der US-Politik”. Seiner Meinung nach ging es bei der Flucht aus dem Dollar im April um Diversifizierung.
Herabstufung der US-Schulden
Eine weitere große Sorge ist die Nachhaltigkeit der Haushaltslage der USA. Es wird erwartet, dass die nächste politische Priorität der Trump-Administration, also umfassende Steuersenkungen und Kürzungen der Staatsausgaben, die bereits angespannte Verschuldung auf ein neues Niveau heben wird.
Letzte Woche stufte Moody’s die USA von ihrer höchsten Bewertung herab und begründete das mit der untragbaren Schuldenlast, die keine Anzeichen für eine Verringerung zeigt. “Mehrere aufeinanderfolgende US-Regierungen und der Kongress haben sich nicht auf Maßnahmen geeinigt, um den Trend der hohen jährlichen Haushaltsdefizite und der wachsenden Zinskosten umzukehren”, so die Agentur. “Wir glauben nicht, dass die gegenwärtig diskutierten Haushaltsvorschläge zu einer wesentlichen mehrjährigen Reduzierung der obligatorischen Ausgaben und Defizite führen werden.”
David Mericle, Chefvolkswirt für die USA bei Goldman Sachs, schrieb in einer Kundenmitteilung, dass die Herabstufung wahrscheinlich nicht zu Zwangsverkäufen auf dem Markt für Staatsanleihen führen wird, aber sie “unterstreicht die sich verschlechternden fiskalischen Aussichten und kommt zu einer Zeit, in der die Märkte bereits auf fiskalische Risiken eingestellt sind”. Mit anderen Worten: Die Anleger achten genau auf Anzeichen dafür, dass die USA nicht mehr der sichere Hafen sind, der sie einmal waren, und eine zunehmend untragbare Schuldenlast könnte ein weiteres Warnsignal sein. Wenn die USA ausländischen Anlegern als risikoreich erscheinen, könnten die Zinssätze steigen, da sie als Ausgleich für dieses Risiko eine höhere Prämie verlangen.
Könnte der Dollar seinen Status als Weltwährung verlieren?
Der Wertverlust des Dollars in diesem Jahr wurde von einer Reihe von Alarmsignalen begleitet, die darauf hinweisen, dass der Dollar seinen Status als globale Reservewährung verlieren könnte, wenn andere Länder entscheiden, dass die amerikanische Währung und die amerikanischen Schulden nicht mehr vertrauenswürdig sind.
Analysten halten ein solches Ergebnis für unwahrscheinlich. Der Dollar spielt eine entscheidende Rolle im globalen Finanzsystem, und “es gibt wirklich keine Alternativen”, erklärt Samuel Zief, Leiter der globalen Devisenstrategie bei JPMorgan Private Bank. “Keine andere Währung oder Anlageform ist mit dem US-Dollar vergleichbar, was seine Rolle bei den Devisenreserven, der Abwicklung des internationalen Handels, der Rechnungsstellung, der gesamten Finanzinfrastruktur und dem Finanzmarkthandel angeht.”
Während einige dramatische Handelstage Anfang April die Anleger zu Recht nervös machten, zeigt die Reaktion der Trump-Regierung, dass sie bereit war, einige ihrer extremeren Maßnahmen zurückzunehmen, um die Finanzmärkte zu beruhigen. “Deshalb glauben wir, dass es sich eher um eine Rekalibrierung handelt als um eine Kapitalflucht oder irgendetwas derart Übertriebenes”, sagt Zief.
“Es wird ständig nach einer Alternative zu Dollar-Anlagen gesucht, und diese Suche war einfach nicht erfolgreich”, fügt Englander hinzu.
Wird der Dollar weiter fallen?
Zief geht davon aus, dass die Rekalibrierung mittelfristig in Form eines allmählich schwächer werdenden Dollars erfolgen wird, da die Zölle die US-Wirtschaft belasten und sich das Wachstum auf eine Geschwindigkeit verlangsamt, die eher mit dem Wachstum in der übrigen Welt übereinstimmt. Er beschreibt dies als einen zyklischen Process, der zum Teil durch die Tatsache bedingt ist, dass der Dollar seit Jahren sehr stark aufgewertet hat. “Wir glauben nicht, dass dies eine Neubewertung der Rolle des Dollars im Zentrum des globalen Finanzsystems ist”, sagt er.
Derweltweite Vertrauensverlust wird den Dollar belasten, selbst wenn die Zölle zurückgenommen werden und ihre Auswirkungen gedämpfter sind. “Es ist sehr schwer vorstellbar, dass die Menschen vergeben und vergessen werden”, sagt Wizman. Er fügt jedoch hinzu, dass der Dollar im historischen Vergleich nach wie vor stark ist, selbst wenn man seine Verluste der letzten Monate berücksichtigt. “Der Rückgang von den Höchstständen vor einigen Monaten reicht nicht aus, um die seit 2012 anhaltende Dollarstärke vollständig aufzuheben.”
Ein weiterer Faktor, der den Dollar in den nächsten Monaten belasten wird, ist ein anhaltendes Umdenken bei globalen Vermögensverwaltern, die offenbar die Risiken einer Übergewichtung von US-Investments im derzeitigen Umfeld neu berechnen. Diese Strategie war jahrelang erfolgreich, aber die gesunkenen Aussichten für das Wirtschaftswachstum und die Zweifel an der fiskalischen Stabilität der USA werfen nun einen Schatten."
“Die strukturelle Baisse gegen den Dollar hat begonnen, sich auszuwirken: Die Anleger überdenken ihre nicht ausreichend gesicherten Engagements in den USA, die zu einer anhaltenden Bewertungsanpassung nach unten führen könnten”, schrieben die Strategen der Bank of America letzte Woche.
Fazit für Investoren
Strategen sagen, dass ein geringfügig schwächerer Dollar zwar wahrscheinlich keine großen Auswirkungen auf die Portfolios von in den USA ansässigen Anlegern haben wird, dass es für diese Anleger aber wahrscheinlich ein guter Zeitpunkt ist, ihre internationalen Allokationen zu überdenken.
Ein Portfolio, das zu stark in US-Anlagen investiert ist, könnte eine weitere Rallye an den internationalen Märkten verpassen, wie sie zu Beginn dieses Jahres stattfand, als die US-Märkte in einer Flaute steckten. Zief meint, dass ein schwächer werdender Dollar internationalen Anlagen Rückenwind verleihen würde. Er verweist auf den MSCI World Index, eine beliebte Benchmark für globale Aktien, der immer noch zu 71% aus US-Firmen und zu 29% aus Unternehmen außerhalb der USA besteht.
“Ich würde wetten, dass viele auf US-Dollar basierende Anleger nicht einmal so viel internationales Engagement haben”, sagt Zief. “In diesem Umfeld ist es wichtig, die richtige Benchmark zu finden”. Anlegern mit Portfolios außerhalb der USA rät Zief, dafür zu sorgen, dass ihr US-Dollar-Engagement mit ihren langfristigen Zielen übereinstimmt und dass sie keine unangemessenen Währungsrisiken eingehen.
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