`Nicht mehr als eine Armee von Verrückten´

Gary Clarke, Fondsmanager bei Rothschild Asset Management, ist skeptisch, was den Nutzen von Anlagekonzepten wie Growth oder Value angeht. Er erklärte Morningstar seinen alternativen Ansatz.

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Wie verwalten Sie Ihren Fonds?

Der Fonds verfolgt weder den Growth- noch den Value-Stil. Ich sage dies vor allem deshalb, weil die gesamte Investmentbranche sich in diese engen Schubladen hat zwängen lassen.
Mein Fonds ist weder Value noch Growth. Ich versuche, einfach nur Aktien mit unterbewerteten Geldflüssen zu kaufen. Dabei ist mir das Geschäftsfeld des Unternehmens egal. Auch „Old Economy“ oder „New Economy“, zyklisch oder nicht spielt keine Rolle. Es geht einzig und allein darum, Geldflüsse, bestehend aus Dividenden oder langfristigem Wachstum, zum bestmöglichen Preis zu kaufen. Das ist sehr einfach, keinesfalls hochwissenschaftlich.

Sie halten die Konzepte Growth und Value also für völlig wertlos?

Nein. Sie sind so stark in das Bewusstsein der Marktteilnehmer eingebrannt, dass man sie nicht vollständig ignorieren kann. Genau deshalb sagte ich auch bereits, dass der Fonds weder ein Value- noch ein Growth-Produkt ist.

Als Begriffe können diese Wörter durchaus hilfreich sein. Aber man muss bei der Definition sehr vorsichtig vorgehen. Denn insbesondere Value kann auf viele verschiedene Arten definiert werden.

Nehmen Sie zum Beispiel die Fondsmanager, die sich als „Garp“-Anhänger bezeichnen (Growth at the right price = Wachstum zum richtigen Preis). Ist das nun eine wachstums- oder eine wertorientierte Strategie? Viele sogenannte Garp-Manager sind meiner Meinung nach eigentlich Growth-Investoren. Andererseits gibt es auch Value-Manager, die nur Aktien mit niedrigen KGV oder Kurs-Buchverhältnissen kaufen.

Bei Value muss man also genau bestimmen, woran man diesen „Wert“ nun festmacht. Bei Growth ist das etwas einfacher. Sie werden seit dem Platzen der Tech-Blase Anfang 2000 jedoch kaum noch einen bekennenden Growth-Manager finden, der nicht sofort die Bemerkung hinterherschickt, dass er auch auf die Bewertungsniveaus achtet. Ich halte das eher für Lippenbekenntnisse. Man reagiert damit nur scheinbar auf das gesteigerte Sicherheitsbedürfnis der Anleger.

Bedeutet das nicht, dass man die Begriffe nur genauer definieren muss, anstatt sie gleich über Bord zu werfen?

Ich glaube nicht, dass man ein Unternehmen als Growth oder Value kategorisieren kann. Nehmen wir einmal an, dass eine Firma für immer und ewig stärkeres Gewinnwachstum als der Markt erwirtschaftet. Dieses Unternehmen kann für mich trotzdem ein Value-Titel sein, wenn es die Börse – aus welchen Gründen auch immer – niedrig bewertet. Andererseits gibt es auch teure Aktien ohne Wachstum – wie zurzeit die Mehrzahl der europäischen Telekomwerte.
Kurz gesagt: Die grobe Zweiteilung greift einfach zu kurz.

Wie beurteilen Sie die verschiedenen Langzeitstudien, die eine Outperformance von Value gegenüber Growth belegen?

Allgemein gesagt, schlägt eine einfache Value-Strategie langfristig eine einfache Growth-Strategie. Dabei spielt auch der Herdentrieb eine gewisse Rolle.
Es wird immer wieder Überbewertungen von denjenigen Dingen geben, die „in“ sind. Die Märkte neigen immer zur Übertreibung, auch nach unten. Dies sind psychologisch längst erforschte Strukturen. Wenn man diesen Dingen auf den Grund geht, reduziert es sich einfach auf gesunden Menschenverstand.

Die Börsen werden von zwei wesentlichen Faktoren bestimmt: Der realen Wirtschaft und massenpsychologischen Aspekten. Wir Profis sind alle nicht mehr als eine Armee von Verrückten, die in verdunkelten Räumen versuchen, die reale Welt draußen zu deuten. Jeder macht das auf seine etwas eigene Weise. Deshalb macht es Spaß.

Ist es also für einen Fondsmanager schwierig, sich dem Herdentrieb zu entziehen?

Eine der wesentlichen Charaktervoraussetzungen für einen erfolgreichen Fondsmanager ist die Fähigkeit zu konträrem Denken. Das gibt einem wenigstens die Chance, Ereignisse wie den Crash im März 2000 vorauszusehen. Denn wenn Sie einen Fonds mit größerem Volumen verwalten, müssen sie schneller als der Markt sein – hinterhecheln kann man sich nicht leisten.

Ich bin ein ziemlich zynischer und sturer Kerl. Das hilft in meinem Beruf, das braucht man.
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