Value und Growth: Ein Unterschied von Tag und Nacht

Es gibt viele Möglichkeiten, Aktien einzuteilen. Eine wichtige Unterscheidung, auf der oft die Strategie eines Fonds beruht, ist diejenige zwischen Value (Substanz) und Growth (Wachstum).

Freddy van Mulligen 01.06.2001
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Die Differenzierung von Investmentfonds, die in Substanz- oder Wachstumswerte anlegen, ist in Europa nicht so bekannt wie in den USA. Dort scheint jeder Taxifahrer die Feinheiten von Value und Growth zu kennen. Aber auch in Europa wird diese Unterscheidung immer wichtiger. Fondsgesellschaften und –manager positionieren sich immer mehr als Value- oder Growthmanager. Auch werden zahlreiche spezifische Value- und Growthfonds aufgelegt.

Bewertung ist das Hauptunterscheidungsmerkmal

Der Unterschied zwischen Value und Growth liegt in der Bewertung. Ein Wachstumstitel ist hoch bewertet, weil von dem Unte

rnehmen ein starkes Wachstum erwartet wird. Ein Valuetitel ist eine Aktie mit weniger spektakulären Aussichten und daher niedriger bewertet.

Bei der Bewertung wird der Wert, den die Börse einem Unternehmen zuerkennt mit dem Geschäftsergebnis abgeglichen. Der Wert, den die Börse der Aktie zuweist wird selbstverständlich durch den Kurs wiedergegeben. Die Bewertung des Geschäftsergebnisses ist dabei etwas komplexer. Es gibt dafür auch eine Vielzahl von Maßstäben: Kurs-Gewinnverhältnis (KGV), Kurs-Buchwertverhältnis und Kurs-Geldflußverhältnis. Das KGV rechnet mit den Gewinnen (oft werden die erwarteten Gewinne für die kommenden zwölf Monate verwendet). Kurs-Geldfluß verwendet den Cash Flow, den ein Unternehmen generiert und Kurs-Buch vergleicht den Kurswert mit dem Buchwert des Unternehmens.

Die Morningstar Style Box

Ein guter Ausgangspunkt zur Beurteilung des Anlagestils eines Fonds ist die Morningstar Style Box. Dieses Raster finden Sie in den Morningstar Quicktake – Berichten. Sie erkennen auf einen Blick, ob ein Fonds in große Kapitalisierungen oder kleine investiert, und ob er ein Value-, Growth- oder aber ein Blendfonds (Mischform) ist. Morningstar berechnet die Style Box anhand des Kurs-Geldflussverhältnisses sowie des Kurs-Buchwertverhältnisses eines Fondsportfolios. Morningstar verwendet diese Kennzahlen, da sie weniger anfällig für kurzfristige Schwankungen sind als das KGV. Dieses wird oft durch Abschreibungen und Rücklagen verzerrt. Gewinne sind manipulierbar und dadurch schwer zu analysieren. Für weitere Details zur Berechnung können Sie den Methodik-Teil unsere Website besuchen. Unter dem Punkt Portfolio im Quicktake finden Sie zusätzliche Informationen über das Bewertungsniveau eines Fonds.

Wachstumsaktien (Growth)

Es gibt eine Reihe von Faktoren, die eine hohe Bewertung rechtfertigen. In der Gruppe der Wachstumswerte finden sich dann auch sehr diverse Unternehmen aus verschiedenen Branchen. Technologiefirmen sind typische Vertreter des Growth-Bereiches. Die Bewertungen in diesem Segment können deshalb so hoch sein, weil dort starkes Gewinnwachstum erwartet wird. Diese Erwartung wird in den aktuellen Kursen vorweggenommen. Pharmaaktien gehören oft ebenso zu den Wachstumswerten. Die Einkünfte durch Medikamente werden sind durch Patente geschützt, weshalb Anleger gerne etwas mehr für Pharmawerte bezahlen.

Substanzaktien (Value)

Zum Valuesegment der Börsen gehören ebenfalls sehr unterschiedliche Unternehmen. Man findet dort „gefallene Engel“, Aktien die (nicht immer zu Recht) in Ungnade gefallen sind, sei es durch verschlechterte Resultate oder eingetrübte Aussichten. Zyklische Werte können ebenso dazugehören, da ihre Ergebnisse starken Schwankungen unterliegen. Unter den Valueaktien finden sich auch zahlreiche Werte der „Old Economy“, Industriebetriebe die schon sehr lange bestehen, und die im Laufe der Jahre nicht spektakulär, aber beständig gewachsen sind.

Welcher Anlagestil ist besser?

Substanz- und Wachstumsaktien haben jeweils Vor- und Nachteile. Zahlreiche Studien in den achtziger Jahren wiesen auf eine bessere Wertentwicklung der Substanzaktien hin. Im Durchschnitt boten sie höhere Renditen mit niedrigerem Risiko. In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre jedoch schlugen die Wachstumswerte die Substanztitel um Längen. Im vergangenen Jahr waren dann wieder die Substanzwerte vorne.

Man kann aus diesen Erfahrungen zwei Lehren ziehen. Die erste ist, dass die Wertentwicklungen von Value und Growth meist sehr unterschiedlich sind. Jahre, in denen Growth sich besser entwickelt wechseln sich ab mit Value-Jahren. Die zweite Lektion ist, dass man sein Vermögen auf Substanz und Wachstum aufteilen sollte um unnötiges Risiko zu vermeiden. Das lässt die Tatsache unberührt, dass beide Marktsegmente spezifische Chancen bieten. Valueaktien sind defensiv und eignen sich gut für unsichere Zeiten. Wenn Growthaktien ihre Erwartungen erfüllen sind sie ein hervorragendes Investment. Aber sie sind auch riskanter, da der aktuelle Kurs größtenteils von zukünftigen und daher unsicheren Erwartungen bestimmt wird. Ein Rückschlag kann eine drastische Kurswende bedeuten.

Die Portfolio X-Ray Anwendung unter Mein Portfolio zeigt die Verteilung nach Anlagestil eines Fondsportfolios.

Der erste Teil dieser Serie diskutierte Die Wahl zwischen großen und kleinen Unternehmen. Der dritte und letzte Teil wird die Unterschiede zwischen aktivem und passivem Management erläutern.

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Freddy van Mulligen  .