Diese deutschen Aktien sind zurzeit unterbewertet

Zahlreiche deutsche Aktien notieren zurzeit im unterbewerteten Bereich. Hier ein Blick auf die aktuellen Morningstar-Ratings.

Antje Schiffler 29.04.2024
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Photo collage illustration of bar graphs with floating euro coins

Derzeit beobachtet Morningstar 49 deutsche Titel. Viele dieser Aktien notieren derzeit deutlich unter dem geschätzten fairen Wert: Nach den jüngsten Abschlägen infolge der Unsicherheiten rund um Zölle durch US-Präsident Donald Trump liegen aktuell 27 Titel im unterbewerteten Bereich, bieten nach Einschätzung unserer Analysten also Potenzial für langfristige Kurssteigerungen. Zum Vergleich: Anfang des Monats waren es gearde einmal 22 Titel.

Die fünf am stärksten unterbewerteten Aktien am deutschen Markt am 25. April:

  1. Bayer BAYN
  2. Puma PUM
  3. Mercedes-Benz Group MBG
  4. Volkswagen Group VOW3
  5. Rheinmetall RHM

Der Morningstar Germany Index konnte im bisherigen Jahresverlauf 22,30 % zulegen und notiert bereits wieder nahe den Höchstständen von Mitte März. Den Einbruch nach den von Trump am 2. April angekündigten Zöllen hat der Markt damit zum jetzigen Zeitpunkt verdaut.

Zwar hat die US-Regierung einen Teil dieser “reziproken” Zölle für 90 Tage ausgesetzt, doch der Zollsatz von 25 % auf deutsche Autos ist in Kraft. Auch für die Pharmabranche sind neue Abgaben im Gespräch, während auf alle anderen Produkte ein Mindestzoll von 10 % erhoben wird.Die großen Automobilaktien gehörten daher zu den Verlierern der deutschen Blue Chips.

27 unterbewertete deutsche Aktien

Zur Einordnung: Ein Kurs-/Fair Value-Verhältnis von 1 bedeutet, dass das Unternehmen fair bewertet ist, während ein Wert um 2 bedeutet, dass es doppelt so hoch bewertet ist wie der faire Wert, die Aktie somit also überbewertet ist.

Dies heißt also, dass die Morningstar-Analysten davon ausgehen, dass Anleger über einen mehrjährigen Anlagehorizont hinweg eine Rendite erzielen würden, die unterhalb einer angemessenen risikobereinigten Rendite liegt. Das Sterne-Rating für Aktien wird bei Marktschluss börsentäglich neu berechnet. Das Kurs-/ Fair Value-Verhältnis einer Aktie wird also fortlaufend aktualisiert.

Das Ratingsystem von Morningstar berücksichtigt auch eine Unsicherheitsanpassung. Dieses Rating wird als Fair Value Uncertainty Rating bezeichnet und beurteilt, wie volatil die Gewinne oder Cashflows in den nächsten fünf bis zehn Jahren wahrscheinlich sein werden. Dabei handelt es sich um eine „Risikobewertung“ einer Aktie.

Morningstar bewertet weltweit rund 1.740 Aktien auf Basis fundamentaler Analysen. Jede Aktie erhält ein Sterne-Rating – je nachdem, ob sie als über- oder unterbewertet gilt. Papiere mit 4 oder 5 Sternen gelten als unterbewertet, während Aktien mit 1 oder 2 Sternen als überbewertet eingestuft werden.

Diese 27 von unseren Analysten abgedeckten Titel notieren aktuell im unterbewerteten Bereich:

Hier sind ein Details zu den am stärksten unterbewerteten Aktien:

Bayer BAYN

Analyst: Jay Lee


„Wir glauben, dass Bayer aufgrund der Wettbewerbsvorteile des Healthcare-Konzerns einen Narrow Moat geschaffen hat“, schreibt Lee in einer Note vom 17. März. In der Sparte Healthcare verzeichnet Bayer Rückgänge bei dem Herz-Kreislauf-Medikament Xarelto aufgrund des Verlusts der Exklusivität in verschiedenen Gebieten, was sowohl das Umsatzwachstum als auch die Gewinnmargen unter Druck setzt. Außerdem könnten die Umsätze mit dem Augenheilmittel Eylea, an dem Bayer die Rechte außerhalb der USA besitzt, zurückgehen, da die Konkurrenz durch Biosimilars für die niedrig dosierte Version das Wachstum der kürzlich eingeführten hoch dosierten Version ausgleicht.

„Bayer betreibt auch ein führendes Crop-Science-Segment. Ähnlich wie das Arzneimittelgeschäft ist auch dieses Segment forschungs- und entwicklungsintensiv, und Bayer hat ein starkes Produktportfolio entwickelt“, so Lee. „Der Nachteil dieses Geschäfts ist, dass die Nachfrage stark vom Wetter und den Rohstoffpreisen abhängt, die bestimmen, wie viel die Landwirte für die Behandlung ihrer Pflanzen ausgeben können. Außerdem kann die Konkurrenz durch Generika das Wachstum und die Margen unter Druck setzen. Die Übernahme von Monsanto hat die Wettbewerbsposition von Bayer in dieser Branche erheblich gestärkt. Sie hat jedoch auch die Anfälligkeit von Bayer für Rechtsstreitigkeiten erhöht, insbesondere im Zusammenhang mit Glyphosat und PCBs.“

Die Verbindung von Glyphosat zu Krebs führte zu umfangreichen Sammelklagen gegen Bayer und zu einem Vergleich von über 15 Mrd. USD.

Puma PUM

Analyst: David Swartz


„Wir halten unsere Fair Value-Schätzung für die Puma-Aktie („No Moat“) bei 46,50 EUR, nachdem wir sie nach dem Bericht für das vierte Quartal von 48 EUR gesenkt hatten“, schreibt David Swartz in einer Analyst Note vom 2. April. „Die Aktien fielen im Handel am 3. April um 11% inmitten eines weit verbreiteten Marktrückgangs aufgrund der von der Trump-Administration verhängten neuen Zölle. Wie alle seine wichtigsten Konkurrenten bezieht Puma seine Waren aus asiatischen Ländern wie China, Vietnam und Bangladesch, die mit sehr hohen Zöllen belegt wurden. Obwohl dieses Engagement im Laufe der Zeit zu Umsatz- und Margenrückgängen führen könnte, könnten die Auswirkungen minimal sein, wenn die Zölle in den nächsten Wochen aufgehoben werden. Unabhängig von den Auswirkungen der Zölle sind wir der Meinung, dass die Aktien von Puma sehr unterbewertet sind und die aktuellen Herausforderungen des Unternehmens bereits widerspiegeln. Trotz seiner Probleme ist Puma ein wichtiger Akteur im attraktiven Markt für Sportbekleidung und -schuhe.“

Mercedes-Benz Group AG MBG

Analyst: Rella Suskin, CFA


Mercedes ist besonders von den Zöllen betroffen. Laut Suskin erwirtschaftet Mercedes rund ein Viertel der Umsätze in den USA. Während etwa 50 % der in den USA verkauften Fahrzeuge im Inland montiert werden, werden die meisten Motoren und Getriebe aus Europa importiert. Das macht sie nicht konform mit dem United States–Mexico–Canada Agreement. Allerdings verfügen Premiumhersteller über eine beträchtliche Preissetzungsmacht und daher über eine gewisse Flexibilität, um tarifbedingte Kostensteigerungen an die Verbraucher weiterzugeben.

Volkswagen Group VOW3

Analyst: Rella Suskin, CFA


Der Ausblick für 2025 sieht positiver aus als erwartet, schrieb Suskin nach Veröffentlichung der Jahreszahlen Mitte März. „Der Konzern erwartet für 2025 ein Umsatzwachstum von bis zu 5%. Da Porsche mit einem Umsatzrückgang und Traton mit einem stagnierenden Umsatz rechnet, müssen die Kern- und Progressive-Marken das Wachstum ausgleichen. Wir halten unsere Umsatzprognose für 2025 am unteren Ende der Prognose.“

Die operative Marge des Konzerns wird zwischen 5,5% und 5,7% erwartet. Unsere Umsatzerlöse und operativen Margen liegen am unteren Rand dieser Prognose. Der Anteil am Gewinn aus Joint Ventures in China wird voraussichtlich von 1,7 Mrd. EUR im Jahr 2024 auf 500 Mio. EUR bis 1 Mrd. EUR zurückgehen. Der Konzern hält an der Prognose fest, dass die Investitionen im Vergleich zum Vorjahr sinken werden. Daraus ergibt sich für das Jahr 2025 ein erwarteter Free Cash Flow im Automobilbereich zwischen 2 und 5 Mrd. EUR, was unseren Erwartungen entspricht. Wichtig ist, dass diese Prognosen keine Auswirkungen von Handelszöllen oder weitere Restrukturierungskosten sowie Vorteile (die frühere Prognose lag bei etwa 1,5 Mrd. EUR) aus der Änderung der Berechnungen der europäischen CO2-Vorschriften enthalten. Dies gilt auch für unsere Prognosen.

Rheinmetall AG RHM

Analystin: Loredana Muharremi


Die Rheinmetall-Aktie konnte im bisherigen Jahresverlauf stark gewinnen mit einem Plus von 116 % - angetrieben von den angekündigten milliardenschweren Rüstungspaketen von der EU und Deutschland. Loredana Muharremi, Analystin bei Morningstar, erhöhte die Fair Value-Schätzung für den Titel Mitte März auf 2.220 EUR von 1.310 EUR. „Wir halten an unseren Prognosen für die europäischen Verteidigungsausgaben fest, die bis 2030 3,2 % des BIP (876 Mrd. USD) und bis 2032 3,5 % des BIP erreichen, bevor sie sich dann bei 3 % stabilisieren,“ so Muharremi.

Die Schätzung für die deutschen Verteidigungsausgaben bis 2029-30 hat sie auf 3,5% angehoben, wobei sie mittelfristig von einem Durchschnitt von 3% ausgeht. „Während Rheinmetall bisher etwa 45% des deutschen Anstiegs der Verteidigungsausgaben abdeckte, gehen wir von einer Abdeckungsrate von 45% für den Sonderfonds und 30% für breitere Erhöhungen der Verteidigungsausgaben aus, was niedriger ist als die derzeitige Rate, aber den historischen Trends entspricht“, schreibt Muharremi in ihrer Research-Note.

„Ein positiver Aspekt der Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und Europa ist die Erkenntnis, dass Europa mehr Eigenständigkeit erlangen muss. Das Potenzial für höhere Ausgaben in Bereichen wie der Verteidigung hat die Aussichten für Aktien wie die deutsche Rheinmetall massiv verbessert, was die Bewertungen in die Höhe schnellen ließ“, heißt es zudem im Morningstar Marktausblick Europe Equity Market Outlook fürs 2. Quartal.

Alle Daten per 25. April 2025


Der Autor/Autorin oder die Autoren besitzen keine Aktien der in diesem Artikel erwähnten Wertpapiere. Informieren Sie sich über die Redaktions-Richtlinien von Morningstar.

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Über den Autor

Antje Schiffler  ist Redakteurin bei Morningstar in Frankfurt.