Europäische Banken sind durch SVB-Zusammenbruch nicht gefährdet

Die Anleger im europäischen Bankensektor sind nach dem Zusammenbruch der US-amerikanischen Silicon Valley Bank (SVB) in Aufregung. Investoren befürchten einen Schneeballeffekt, der jedoch kaum auftreten dürfte, da die SVB für eine bestimmte Kundengruppe und auf eine ganz bestimmte Weise arbeitet. Morningstar setzt die SVB-Problematik in die richtige Perspektive.

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SVB

Anleger, die in Bankaktien investiert sind, sind durch die Situation der Silicon Valley Bank (SVB) in den Vereinigten Staaten nervös geworden. Letztere geriet in akute Liquiditätsschwierigkeiten und wurde am vergangenen Wochenende von der US-Regierung gerettet. Die britische Tochtergesellschaft wird von der HSBC übernommen. Für die deutsche Tochter hat die BaFin ein Moratorium verfügt. Alle Kunden werden zwar ihr Geld zurückbekommen, aber die Aktionäre und Anleihegläubiger der Bank werden wahrscheinlich ihr Geld verlieren.

Dies drückte alle Bankaktien bei der Markteröffnung in Europa am Montagmorgen deutlich ins Minus. Anleger befürchten einen Schneeballeffekt. Diese Befürchtungen sind jedoch unberechtigt, denn zwischen den europäischen Banken und der SVB gibt es große Unterschiede. So ist die SVB ein Nischenanbieter, der speziell auf Start-ups weltweit und insbesondere in Kalifornien ausgerichtet ist.

Der Morningstar-Bankenanalyst Johann Scholtz betont, dass man die Situation in den USA nicht 1:1 auf Europa übertragen sollte: "Wir sind der Meinung, dass Anleger den Zusammenbruch der Silicon Valley Bank mit Sitz in den USA nicht als Indikator für die Gesundheit der Bilanzen von europäischen Banken ansehen sollten. Aber natürlich sind Banken nach wie vor stark vom Vertrauen ihrer Geldgeber abhängig. Es könnten natürlich Ansteckungsgefahren für europäische Banken bestehen, wenn andere globale Banken in Schwierigkeiten geraten. Die derzeitige Ungewissheit könnte die Finanzierungskosten in die Höhe treiben und dazu führen, dass europäische Banken höhere Zinssätze weitergeben."

 

Unterschiede zwischen der SVB und europäischen Banken

Analyst Scholtz erläutert weiter: "Wir halten es für wichtig, dass die Anleger erkennen, dass die Bilanzen der europäischen Banken und der SVB sehr unterschiedlich sind. Das Asset-Liability-Management - oder auf deutsch Bilanzstrukturmanagement - der SVB war schlecht, denn die Fälligkeiten zwischen Aktiva und Passive waren nicht im Einklang. Vermögenswerte, also Assets, stimmten nicht mit dem Zeithorizont der Verpflichtungen überein. Die SVB verlängerte aktiv die Laufzeiten ihrer Aktiva, um höhere Zinsen zu erzielen, was zu einer erheblichen Durations-Inkongruenz führte.

Bei den europäischen Banken sind die Durations-Inkongruenzen nicht annähernd so ausgeprägt, und die europäischen Banken steuern die Inkongruenzen aktiv durch Absicherungs- und Anpassungsstrategien. Ironischerweise besteht einer der Hauptgründe für europäische Banken, Anleihen zu halten, gerade darin, die Laufzeiten von Termineinlagen abzustimmen.

Das Engagement der europäischen Banken in Anleihen ist zudem viel geringer als bei der SVB, stellt Scholtz klar: "Wir haben berechnet, dass Anleihen in den betrachteten Kategorien 55% der Vermögenswerte der SVB ausmachen. Bei den europäischen Banken, die wir beobachten, sind es im Durchschnitt nur 8%. Erschwerend kommt hinzu, dass die SVB nach den US-Vorschriften nicht verpflichtet ist, unrealisierte Verluste aus ihrem zur Veräußerung verfügbaren Anleiheportfolio vom Eigenkapital abzuziehen. Alle europäischen Banken, die wir beobachten, müssen nicht realisierte Verluste aber vom Eigenkapital abziehen. Daher sind die nicht realisierten Verluste der europäischen Banken auf die 4% der Vermögenswerte beschränkt, die als bis zur Fälligkeit gehaltene Anleihen ausgewiesen sind.

 

rschwerend kommt hinzu, dass die SVB nach den US-Vorschriften von der Pflicht befreit ist, unrealisierte Verluste aus dem zur Veräußerung verfügbaren Anleiheportfolio vom regulatorischen Eigenkapital abzuziehen. Alle von uns untersuchten europäischen Banken müssen unrealisierte AFS-Verluste vom harten Kernkapital (Common Equity Tier 1, CET 1) abziehen. Daher sind die nicht realisierten Verluste der europäischen Banken auf die 4% der Aktiva beschränkt, die als bis zur Endfälligkeit gehaltene Anleihen ausgewiesen werden.

 

Keine Zwangsverkäufe

Der Analyst betont, dass es sich um nicht realisierte Verluste handelt und dass die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, dass europäische Banken in eine ähnliche Liquiditätskrise geraten wie die SVB: "Ein Verlust wird auch nur dann eintreten, wenn europäische Banken die Anleihen verkaufen. Angesichts ihrer hohen Liquidität ist es unwahrscheinlich, dass sie zu einem Verkauf gezwungen wären. Im Durchschnitt haben die europäischen Banken 14% ihrer Aktiva in Bargeld bei den Zentralbanken, bei der SVB waren es nur 7%. Während die SVB überschüssige Liquidität in Anleihen investierte und damit die Laufzeit ihrer Bilanz verlängerte, lagerten die europäischen Banken überschüssige Liquidität weitgehend bei den Zentralbanken."

Ein weiterer entscheidender Unterschied ist, dass die SVB stark auf instabile und schlecht diversifizierte Refinanzierungsquellen angewiesen war, so Scholtz: "Alle europäischen Banken müssen die Liquiditäts- und Refinanzierungsanforderungen des Baseler Abkommens erfüllen. Für die SVB galten diese Anforderungen nicht. Die Net Stable Funding Ratio begünstigt Banken mit einem hohen Anteil an Retail-Finanzierung. Die Refinanzierungsbasis der SVB umfasste nur 5% Einlagen von Privatkunden, im Vergleich zu den fast 40 % der europäischen Banken. Fast alle Kunden der SVB waren junge Technologieunternehmen, die stark von Kapitalzuflüssen in Risikokapitalfonds profitiert haben. Die europäischen Banken haben eine viel breitere Kundenbasis, die die Zusammensetzung der Wirtschaft viel besser widerspiegelt."

Morningstar untersucht zurzeit die Auswirkungen auf Fonds. Hier gibt es Informationen zum SVB-Exposure in der US-Fondslandschaft, und hier zum britischen Markt

 

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Über den Autor

Robert von den Oever  Robert von den Oever ist Research Editor bei Morningstar in Amsterdam