5 Grafiken zur aktuellen Marktlage

Der Euro rutscht auf ein 20-Jahrestief gegenüber dem US-Dollar, aus Jackson Hole kommen klare Worte zur US-Geldpolitik und in Europa spitzt sich die Energiekrise weiter zu. Der August hatte es in sich.

Antje Schiffler 01.09.2022
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Erdgas

Am 22. August 2022 sackte der Euro auf ein neues Rekordtief gegenüber dem US-Dollar ab, seitdem schwankt die Gemeinschaftswährung um die Parität mit dem Greenback. Auch gegenüber der Schweizer Währung markierte der Euro an dem Tag ein neues Rekordtief bei 0,958 Franken. Seit der überraschend starken Zinserhöhung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) Mitte Juni gab der Euro gegenüber der Schweizer Währung um mehr als 7% nach.

 

Die europäische Gemeinschaftswährung wird durch die Energiekrise geschwächt. Doch vor allem ist es die relative Stärke der US-Währung, die die Richtung vorgibt. Denn das vergleichsweise rigorose Vorgehen der US-Notenbank Fed gegen die hohe Inflation stützt den Dollar.

Klare Worte in Jackson Hole

Fed Chairman Jerome Powell ließ in seiner Rede in Jackson Hole keinen Zweifel aufkommen, dass die Zentralbank mit allen Mitteln die hohen Preise bekämpfen werde, auch wenn dies „Schmerzen für Haushalte und Unternehmen“ bedeutet: „Zur Wiederherstellung der Preisstabilität wird es wahrscheinlich erforderlich sein, den restriktiven geldpolitischen Kurs noch einige Zeit beizubehalten. Die Entwicklung in der Vergangenheit warnt eindringlich vor einer verfrühten Lockerung der Politik", betonte der Notenbankchef.

 

Tiffany Wilding und Allison Boxer, Ökonominnen beim Vermögensverwalter PIMCO, erklären dazu: „Da sich die Inflation nur auf ein immer noch über dem Ziel liegendes Niveau abschwächen dürfte, gehen wir davon aus, dass die Fed in diesem Jahr eine weitere massive Straffung vornehmen und die Zinssätze dann selbst bei einer Abschwächung der US-Wirtschaft bis 2023 beibehalten wird.“

Und dann ist da noch die Rolle der US-Währung als sicherer Hafen. So gaben die meisten der wichtigsten Währungen gegenüber dem Dollar zuletzt nach, ohne dass sie einen „Energie-Schock“ erfahren hätten , bemerkt das Research-Team der Deutschen Bank mit Blick auf die Misere am europäischen Gasmarkt.

Die Safe-Haven-Dynamik des Dollars zeige sich zum einen in den kurzfristigen Kapitalzuflüssen in die USA. „Aber es lohnt sich, einen weiteren Datenpunkt hervorzuheben, der zeigt, wie stark die Nachfrage nach sicheren Häfen ist: der massive Anstieg in der Nutzung der Overnight-Reverse-Repurchase-Fazilität der Fed. Die Investoren legen derzeit mehr als 2 Billionen Dollar an Übernachtliquidität bei der Fed an, was einem Anstieg von mehr als 1 Billion Dollar seit dieser Zeit im letzten Jahr entspricht“, heißt es.

 

Kein Ende der Energiekrise abzusehen

Die Energiekrise hat Europa weiter fest im Griff. Im Vergleich zum Februar haben sich die europäischen Gaspreise laut Weltbank fast verneunfacht. Dagegen wirkt die Steigerung von 43% am US-Markt recht mickrig.

An der niederländischen TTF, dem wichtigsten kontinentaleuropäischen Hub für den Gashandel, waren die Notierungen zweitweise bis an die Marke von 360 EUR/MWh geklettert. Zum Vergleich: am 23. Februar kostete die Megawattstunde noch knapp 76 Euro.

Der russische Staatskonzern Gazprom bleibt weiter ein unzuverlässiger Lieferant. Vom 31. August bis 2. September wird die Durchleitung durch Nordstream 1 wegen Wartungsarbeiten erneut eingestellt, heißt es aus Moskau. Grund sei die Turbine, die schon mehrmals als Begründung für Lieferdrosselungen herhalten musste. Ob die Lieferungen wieder aufgenommen, wird in Berlin bezweifelt.

 

 

Auch Frankreich bekommt kein russisches Gas mehr. Als Grund nennt Gazprom vermeintlich ausstehende Zahlungen der Engie-Gruppe aus dem Juli. Dies weist der französische Konzern zurück.

 

 

Immerhin: In den letzten zwei Wochen sanken die Preise deutlich. Höhere Einfuhren aus Norwegen und hohe Füllstände der europäischen Gasspeicher sorgten für Erleichterung. Die TTF-Notierungen sackten ab auf zuletzt rund 213 EUR/MWh.

Die Europäische Union hat ihr Gasspeicherziel zwei Monate im Voraus erreicht. Das Ziel war, dass die Speicher in diesem Jahr bis zum 1. November zu 80 Prozent gefüllt sein müssen. Für Deutschland gilt, dass die Speicher am 1. Oktober zu mindestens 85% und am 1. November zu mindestens 95% voll sein sollen. Aktuell sind die deutschen Speicher zu knapp 84% gefüllt, geht aus den Daten der europäischen Gasspeicher-Betreiber hervor. Die Gasmenge bei einem Füllstand von 95% entspricht etwa dem bundesweiten Verbrauch der Monate Januar und Februar 2022.

Rezessionsängste in Europa

„Die explodierenden Energiekosten werden Europa mit Sicherheit in eine Rezession stürzen“, ist Steven Bell, Chefvolkswirt bei Columbia Threadneedle Investments für die EMEA-Region, überzeugt.

Angesichts der Gemengelage aus Inflation, der möglichen Rezession und der geopolitischen Risiken scheuen europäische Investoren Risiken. Die Aktienmärkte sind unter Druck.

„Allein aufgrund der herrschenden Unsicherheit bezüglich der weltweiten Wirtschaftslage sind die Börsen in den USA und in den übrigen westlichen Industrieländern volatiler geworden, was die Entscheidungsfindung für Anleger schwierig macht. Höhere Renditen wären aus Investorensicht daher angemessen. Kurzfristig ist jedoch auch der gegenteilige Effekt bei hochwertigen Staatsanleihen möglich, wenn Angst und der Fluchtreflex in sichere Häfen rationales Handeln überlagern“, sagt Thilo Wolf, Deutschlandchef von BNY Mellon Investment.

 

 

 

Noch zeigen sich die Unternehmen widerstandsfähig. Die Gewinnsaison zum zweiten Quartal ist fast abgeschlossen und die Umsatzergebnisse waren generell besser als erwartet. „Bei genauerer Betrachtung zeigen sich jedoch Schwächen in mehreren Bereichen“, bemerkt Seema Shah von Principal Global Investors.

Das Gewinnwachstum des S&P 500 hat sich mit 8,8% gegenüber dem Wachstum von 11,4% im ersten Quartal abgeschwächt. Zwar lagen 78% der Gewinnmeldungen über den Erwartungen und übertrafen die Gewinnschätzungen um 6%. Nach Sektoren aufgegliedert zeigt sich jedoch, dass die Stärke des Index in erster Linie auf den Energiesektor zurückzuführen war.

„Trotz der positiven Gewinnsaison deuten die anhaltenden Herausforderungen auf ein zunehmend schwieriges konjunkturelles Umfeld hin, was die Widerstandsfähigkeit der Gewinne in der zweiten Jahreshälfte voraussichtlich begrenzen wird“, so Shah.

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Über den Autor

Antje Schiffler  ist Redakteurin bei Morningstar in Frankfurt.