Allianz: Lehren aus dem Kollaps der Structured Alpha Funds

Im Mai räumte die Tochtergesellschaft Allianz Global Investors (AGI) in den USA Betrug ein. Wir werfen einen Blick auf die Hintergründe sowie auf die Allianz-Aktie.

Antje Schiffler 01.07.2022
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Bulle Bär

Die Allianz Structured Alpha-Vehikel sind Geschichte. Die US-Investmentgesellschaft der Allianz SE hatte vor einigen Wochen ein Schuldgeständnis wegen Wertpapierbetrugs im Zusammenhang mit den Fonds abgelegt. Die US-Bundesbehörden warfen drei ehemaligen Portfoliomanagern der Allianz vor, Anleger getäuscht zu haben. Zwei von ihnen haben sich unter anderem des Wertpapierbetrugs und des Betrugs von Anlageberatern schuldig bekannt. Der dritte, der Chief Investment Officer von Structured Alpha Greg Tournant, wurde im US-Bundesstaat Colorado verhaftet.

Die US-Aufsicht SEC stellte im Rahmen ihrer Untersuchungen zudem fest, dass die Manager an Kunden gesendete Risikoberichte manipuliert hatten. Auch war die Portfolio-Performance geändert worden und die Beträge, die für die Absicherung der Tail Risks ausgewiesen wurden, seien manipuliert, hieß es.

Die Structured Alpha Funds zielten darauf ab, durch Optionsstrategien attraktive Renditen zu erzielen, und gleichzeitig das Portfolio durch den Einsatz von Put-Optionen vor einem plötzlichen Marktabschwung zu schützen. Die Strategien wurden überwiegend in den USA vertrieben, berichtet Francesco Paganelli, Senior Manager Research Analyst, und hatten unterschiedliche Risikoprofile.

In Europa wurden vornehmlich Produkte mit moderateren Risikoprofilen vermarket, die teils unter dem UCITS-Mantel vertrieben wurden. Abnehmer waren vor allem institutionelle Investoren und Family Offices. Die Untersuchungen auf dem Alten Kontinent hinsichtlich etwaigen Fehlverhaltens dauern noch an. 

"Fonds in der Morningstar-Kategorie Options Trading sind komplexe Produkte, die in der Regel auf institutionelle Kunden mit spezifischen Anforderungen an die Vermögensallokation ausgerichtet sind. Ihr Portfolio besteht in der Regel aus Dutzenden von Verträgen. Daher sind sie schwierig zu analysieren und möglicherweise nicht für Privatanleger geeignet", so Paganelli. Für den "Hausgebrauch" sind sie also eher nicht geeignet. 

 

 

Probleme mit Produktgestaltung und Governance

„Unserer Ansicht nach gab es Schwächen bei der Produkt- und Unternehmensgovernance“, sagt Henry Heathfield, Aktienanalyst bei Morningstar. So nahm mit zunehmender Volatilität zwar das Gewinnpotenzial zu, gleichzeitig aber auch die Kosten für die Absicherung der Verlustrisiken.

Zudem war die Vergütung der Manager an das Erreichen von Outperformance-Zielen gebunden. Dies beeinflusst die Risikobereitschaft und Entscheidungsfindung von Fondsmanagern. „Wir glauben, dass hier die Corporate Governance der Allianz versagt hat“, folgert Heathfield. Solch ungünstig strukturierte Anreizsysteme zu vermeiden gehört somit zu den wichtigsten Lektionen, betont der Analyst.

 

Fair Value-Schätzung bei 210,00 EUR 

Im Vergleich mit den US-Behörden vereinbarte die Allianz Strafzahlungen in Höhe von 174,3 Mio. USD an das US-Justizministerium und 675 Mio. USD an die SEC. Diese Zahlungen können zum Teil als Entschädigung für die Anleger verwendet werden. Zudem entstehen finanzielle Verpflichtungen durch die Entschädigungszahlungen an die Structured Alpha-Anleger in Höhe von rund 5 Mrd. USD.

Außerdem willigte das Versicherungsunternehmen ein, dass Allianz Global Investors zehn Jahre keine Beratungsdienstleistungen für Fonds in den USA anbietet. Die Investment Management-Aktivitäten von AGI übernimmt Voya Financial. Allianz erhält im Gegenzug einen Anteil an Voya. 

"Morningstar schätzt, dass der Ausstieg aus dem US-Geschäft und die Übertragung des zugehörigen US-Fondsvermögen auf Voya Financial knapp 500 Mio. EUR an entgangenen Vermögensverwaltungsgebühren zur Folge haben werden", so Heathfield. "Unsere Schätzungen bewerten die Allianz mit dem 14-Fachen des Ertrages im Jahr 2022 und dem 13-Fachen der durchschnittlichen Erträge in den nächsten fünf Jahren."

"Allianz-Aktien hatten bisher ein schwieriges Jahr 2022", so Heathfield. So ist der Aktienkurs aktuell gegenüber dem diesjährigen Höchststand um ein Fünftel gefallen. Der Gegenwind verstärkte sich, nicht nur durch die Probleme rund um die Structured Alpha-Fonds, sondern zusätzlich durch den Krieg in der Ukraine. 

Für die Allianz-Aktie ist Heathfield positiv gestimmt.  "Obwohl wir glauben, dass sich die Allianz ernsthafte und schwierige Fragen zur Produkt- und Corporate Governance stellen muss, gehen wir davon aus, dass die aktuelle Lage nicht so schlecht ist", so Heathfield. Die Effekte dieser jüngsten Probleme seien vorrübergehend. Zudem dürfte die Versicherungsgruppe von den steigenden Zinsen profitieren.

Die Schätzung für den Fair Value der Allianz-Aktie benennt Heathfield mit 210 EUR. Zuletzt schloss der Titel bei 182,74 EUR. Die Schätzung für die Fair Value-Unsicherheit ist "Medium". Das No Moat-Unternehmen hat derzeit ein Vier-Sterne-Rating. 

 

 

 

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Über den Autor

Antje Schiffler  ist Redakteurin bei Morningstar in Frankfurt.