Ein bißchen Anerkennung für aktives Management

Vor Kurzem hat sich Charley Ellis für aktives Management ausgesprochen. Und das, obwohl er eigentlich ein starker Befürworter von passiven Investments ist. Unser Autor John Rekenthaler sieht in Ellis Aufsatz aber vielmehr einen Frontalangriff.

John Rekenthaler 18.08.2015
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Vor Kurzem hat Charley Ellis einen Artikel veröffentlicht, in dem er aktive Investments verteidigt. Der Titel macht neugierig, insbesondere weil Ellis eigentlich ein starker Befürworter von passiven Index-Investments ist. Im Jahr 1975 hat er noch geschrieben, dass aktives Investieren ein Spiel für Verlierer ist. Sein Beitrag (The Loser’s Game) im Financial Analysts Journal wurde sofort ein Klassiker und später in die literaturliste für CFA-Kandidaten aufgenommen.

Das Gegenargument

Ellis argumentierte damals, dass der Anlageerfolg nicht darin begründet liegt, die größten Gewinner unter den Investmentmanagern zu finden. Dies ist alleine deshalb schon schwierig, weil eine ganze Horde informierter Anleger ebenfalls nach ihnen sucht. Für Ellis ist es vielmehr entscheidend, Manager zu meiden, die hinsichtlich Turnover, Kosten und Steuern zu den Verlierern ihrer Zunft gehören (Steuern habe ich hinzugenommen, da institutionelle Investoren steuerliche Auswirkungen im Jahr 1970 noch nicht berücksichtigt haben – Ellis hätte sie aber sicher erwähnt, wenn er auch an Retail-Anleger gedacht hätte.) Damals gehörte Ellis Einstellung noch nicht zur landläufigen Meinung. Die Kosten wurden vielmehr billigend in Kauf genommen dafür, dass Anleger damit quasi vom Expertenwissen profitierten. Heute sind die Annahmen von Ellis aber ein fundamentaler Grundgedanke.

In seinem Aufsatz beginnt Ellis bei den Anfängen, als aktives Management kritisiert wurde. “Zuerst kamen die Akademiker, bewaffnet mit ihren Null-Hypothesen, statistischen ‘Schlussfolgerungen’ und ellenlangen Gleichungen, die mit griechischen Buchstaben gesäumt waren.” Die erste Kritikwelle an aktiven Vermögensverwaltern war also zunächst keine praktische Bedrohung. Ellis schreibt weiter: “Aktive Manager waren der einhelligen Meinung, dass kein Praktiker die akademischen Magazine liest, die vielmehr für Akademiker bestimmt sind, von ihnen befüllt werden und in denen die Gelehrten gegenseitig aufeinander verweisen.“

(Ellis kennt das Geheimnis: Institutionelle Anleger haben die akademischen Artikel zwar meist nicht gelesen, verweisen aber oft ehrfürchtig auf sie.)

“Dann kamen Performance Reports und all die anderen verhassten Vergleichsinstrumente. Zum Glück – wie Nate Silver weiter erklärt – sind diese ganzen Zahlenwerke eine Kombination aus Signalen und Rauschen, verpackt in einer mysteriösen Wolke die zur Manipulation einlädt: Ändere einfach einige Parameter wie Basisjahr, die Benchmark oder den Vergleichsstandard und verwende in den Reports die Brutto- anstatt der Netto-Performance. (Letzteres ist tatsächlich noch immer der Standard beim Reporting für separat verwaltete ‘account businesses’.) Wenn es besonders haarig wird, erklärt man einfach, dass diejenigen Leute, die für die enttäuschende Performance verantwortlich waren, ersetzt wurden und dass von nun an alles besser wird.”

Solche Ausflüchte, erklärt Ellis, sind mittlerweile durch umfassende Studien unter Druck geraten. Denn die Ergebnisse zeigen, dass “die Mehrzahl der Fonds hinter ihrer Benchmark zurück bleibt, dass dies auf die meisten aktiv gemanagten Fonds zutrifft und dass die Höhe der Underperformance substanziell größer ist als die Höhe der Outperformance”.

Als nächstes wurde mit der Kennzahl Active Share aufgerüstet: Deren Erfindung schien anfangs hilfreich für aktive Manager, da die Zahlen zeigten, dass die aktiveren Manager besser gefahren sind. Eine Erkenntnis, die allerdings seit kurzem in Frage gestellt wird. Ellis betont zudem, dass die Existenz der Active-Share-Kennzahl zu einer beunruhigenden Gleichung führt: Ein Fonds mit einer Active Share von 25% und einer Gesamtkostenquote von 1%, kostet den Anleger damit effektiv 4% für dieses aktiv gemanagte Viertel, dass nicht 1:1 dem Vergleichsindex entspricht. Eine Kostenhürde von 4% auf Jahresbasis ist allerdings ziemlich schwer zu übertreffen.

Die neumodische Sicht der Dinge, in der Kosten nur als Aufwandsentschädigung für den aktiv gemanagten Teil eines Fonds betrachtet werden, durch den er sich von seiner Benchmark unterscheidet, anstelle für das gesamte Portfolio, kann auch auf die Performance ausgedehnt werden. Wenn der Aktienmarkt in einem Jahr eine Rendite von 5% erzielt und ein Fonds 1% Gebühren nimmt, sollte man demzufolge nicht der Ansicht sein, dass der Fonds 20% des Profits als Kosten einbehält. Der Grund liegt auf der Hand: Anleger hätten die Rendite von 5% auch nahezu zum Nulltarif haben können, nämlich über einen Indexfonds. Die korrekte Beurteilung der Kosten sollte vielmehr auf der Basis „inkrementeller Kosten im Verhältnis zu inkrementeller Rendite“ vorgenommen werden. Das wird „insbesondere dann ein hässlicher Vergleich“, wenn „sich zeigt, dass der durchschnittliche, aktive Manager einen inkrementellen Kostenanteil von mehr als 100% der inkrementellen Rendite hat – vor Steuern!“

Puh!

(Ellis bezieht sich auch darauf, wie Investoren sich selbst schaden, indem sie aktiv verwaltete 5-Sterne-Fonds jagen. Hier hat er aber größtenteils Unrecht. Das große Problem für Fondsanleger liegt nicht im Austausch eines Fonds innerhalb derselben Kategorie, was wenig Schaden anrichtet, da die Renditen hier meist sehr stark miteinander korreliert sind. Problematisch ist es vielmehr, verlustreiche Investments gegen gut gelaufene einzutauschen: In 2008 sind die Aktienmärkte auf Tauchstation gegangen – in 2009 hieß es demnach Aktien verkaufen und Anleihen kaufen! Dieses Beispiel zeigt, wie sich Anleger selbst schaden. Der Kauf und Verkauf von Anlageklassen hat nichts mit Sterne-Ratings zu tun, die lediglich messen, wie ein Fonds innerhalb seiner Kategorie in den vergangene drei und fünf Jahren abgeschnitten hat).

Das Argument dafür dagegen

Sie fragen sich jetzt vielleicht, wie Ellis das aktive Management nun nach diesem Frontalangriff verteidigen kann. Die Antwort: Er macht es gar nicht erst!

Sein Hauptargument zur Verteidigung aktiver Investments ist, dass obwohl aktive Manager im Allgemeinen nicht vorteilhaft für Anleger sind, sie ein großes gesellschaftliches Gut mitbringen, da sie effiziente Märkte schaffen. Absolut betrachtet, sind die (buchstäblich) hunderte von Milliarden US-Dollar, die jedes Jahr für Anlagespezialisten ausgegeben werden, maßlos überzogen. In der relativen Betrachtung sind sie aber ein moderater Preis dafür, dass Unternehmen und Geschäfte weltweit akkurat bewertet sind.

Die Vorzüge sind gigantisch. Effiziente Märkte „motivieren Millionen von Anlegern, dort ihr Geld anzulegen.“ Stärkere Unternehmen werden von ihnen gefördert und schwächere abgestraft. Nationale Grenzen werden überwunden und der Markt wird globalisiert, was zu „schnellerem Wachstum, mehr und besseren Arbeitsplätzen, mehr Demokratie und besseren Aussichten für den Weltfrieden“ führt, schreibt Ellis weiter. Aktives Management hat dabei geholfen „über eine Milliarde Menschen innerhalb von nur einer Generation aus der Armut zu holen.“

Nochmal ‚Puuuuh’! Ich habe keine Ahnung, ob all das wahr ist. Aber wenigstens sind Ellis Aussagen dahingehend korrekt, dass er gesagt hat, dass aktives Management Nutzen bringe, indem es dabei hilft, Wertpapiere am Markt zu bewerten. Unglücklicherweise – auch wenn das Argument von Ellis voll und ganz richtig sein sollte – ist es leider kein Grund dafür, sich auf aktive Fonds zu stürzen. Die Welt braucht zwar aktive Manager und sie sind in der Gesamtbetrachtung für die Gesellschaft sicherlich eher nützlich als schädlich. Ja und? Sollen doch andere diese noble Mission finanzieren. Sie und ich machen was uns passt. Wir werden weiterhin auf ETFs setzen; sollen doch andere Dummköpfe 1% und mehr an Gebühren zahlen und damit die Welt verbessern.

Auch die das zweite Pro-Argument von Ellis überzeugt nicht. Er schreibt zwar wie schwer es ist, ein Spiel zu gewinnen, bei dem man eigentlich nur verlieren kann. Gleichzeitig schreibt er aber auch, dass es „genauso schwer ist zu verlieren“. Aus der Kritik, dass aktive Manager meist den Markt halten, entsteht damit die logische Schlussfolgerung, dass sie genau dadurch den Markt repräsentieren. Der größte Erfolg für jeden zukünftigen Anleger liegt sowieso darin begründet, überhaupt in den Markt einzusteigen. Demzufolge sind Performanceeinbußen durch aktives Fondsmanagement eher moderat. Abgesehen davon, hat aktives Investieren einen hohen Unterhaltungswert. „Da die aktive Geldanlege spannend und unterhaltsam ist, werden Anleger, die ökonomisch etwas verlieren dadurch entschädigt, dass sie mitmachen dürfen.“

An diesem Punkt frage ich mich, ob Ellis nicht in das Satirische abrutscht. Er fährt fort, dass „hartnäckige Kritiker – offensichtlich getrieben vom Neid – sonderbarerweise die enormen gesellschaftlichen Vorzüge ignorieren, die wir der Großzügigkeit der aktiven Anleger verdanken. Wir sollten ihnen mehr Dankbarkeit entgegenbringen, für den Gefallen, den sie der Gesellschaft als Kunstmäzene, Spender für Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser und Orchester erweisen – sowie als Hauptsponsoren für politische Kampagnen, die für unsere Demokratie ja so wichtig sind.“

Der Man hat ganz offensichtlich den „Bescheidenen Vorschlag“ von Jonathan Swift gelesen.

Mit Freunden wie Ellis....

Ich glaube zwar nicht daran, dass die Aussichten für aktive Manager so aussichtslos sind, wie Ellis es erscheinen lässt. Anleger können ihre Chancen aber immernoch verbessern, indem sie solche Fonds suchen, die bestimmte Eigenschaften gemein haben. Insofern verwerfe ich die These von Ellis auch nicht vollständig, dass aktive Manager zu effizienten Märkten beitragen. Es gibt aber keinen bestimmten Grund dafür, warum ausgerechnet Sie einen aktiven Fonds brauchen.

Ellis „Verteidigung“ von aktivem Fondsmanagement ist in Wirklichkeit ein durchschlagender Angriff. Er hat nicht angesetzt, um aktives Management in den Himmel zu loben, sondern um es zu begraben.

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Über den Autor

John Rekenthaler  is vice president of research for Morningstar.