Zwei Fliegen mit einer Klappe?

Wie wir ein ungewöhnliches Geschäft des MainFirst Top European Ideas bewerten.  

Simon Nöth 12.05.2014
Facebook Twitter LinkedIn

Die MainFirst Holding betätigt sich neben dem Investmentbanking auch in der Vermögensverwaltung. Morningstar hat an einige der Aktienstrategien von MainFirst ein qualitatives Rating vergeben. Dazu zählt auch das mehr als 1,5 Mrd. Euro schwere Flaggschiffprodukt MainFirst Top European Ideas, das mit dem Morningstar Analyst Rating ‚Bronze‘ ausgezeichnet wurde. Der Fonds erwarb kürzlich Anteile an der MainFirst Holding. Dies war kein alltägliches Geschäft. 

Die Fakten

Auslöser für das Geschäft war der Ausstieg von MainFirst-Gründer Patrick Bettscheider im Februar 2014, der bis dahin auch Hauptaktionär des Finanzdienstleisters war. Das Ausscheiden von Bettscheider war nach Angaben von MainFirst schon länger geplant, da die Management-Nachfolge bereits 2013 geregelt wurde. Nachfolgeregelungen sind normale Abläufe. Unser Interesse gilt in diesem Fall weniger der Nachfolgeregelung des Managements als der Frage, was mit Bettscheiders Anteilen an der Gesellschaft passiert ist.

Bettscheiders Anteil von 56% wurde zunächst von den verbliebenen Partnern (Eigentümern) gekauft. Insgesamt 22,2% der Anteile an MainFirst wurden anschließend an den von MainFirst Asset Management verwalteten MainFirst Top European Ideas weiterverkauft. Die Online-Redaktion des Manager Magazins machte die Transaktion am 23. April 2014 öffentlich. 

Wir betrachten zunächst die Details des Erwerbs der MainFirst-Anteile durch den Fondsmanager des MainFirst Top European Ideas, Olgerd Eichler. Anschließend wollen wir uns der Fragestellung widmen, inwieweit das Investment auch den Interessen der Anleger des Fonds entspricht.

Einordnung der Transaktion

Der Fondsmanager des MainFirst Top European Ideas, Olgerd Eichler, ist auch Partner bei MainFirst. Damit ist ein potenzieller Interessenkonflikt gegeben. So könnte der Partner Olgerd Eichler ein Interesse haben, seinen Anteil gewinnbringend an den von ihm verwalteten Fonds weiterzuverkaufen, so die Spekulation. Außerdem stellt sich die Frage, weswegen die Anteile zuerst an die Partner verkauft und erst anschließend an den Fonds weitergereicht wurden.

Auf Nachfrage erklärt MainFirst, dass der Ablauf im Partnervertrag definiert sei und die Partner zunächst ihr Vorkaufsrecht ausgeübt hätten, um anschließend über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Ob im Rahmen dieses Vorkaufsrechts die Anteile nur als Komplettpaket übernommen werden konnten, dazu äußert sich MainFirst auf Anfrage nicht, doch ist dies in Gesellschaftsverträgen oft so geregelt. Dies würde erklären, warum der Fonds nicht schon in der ersten Runde involviert wurde. Der 22,2%-ige Anteil sei jedenfalls zum selben Preis, den die Partner an Bettscheider gezahlt hatten, an den Fonds weitergereicht worden. Die Fondsanleger wurden damit hinsichtlich des Preises nicht übervorteilt. Zudem sicherte sich der Fondsmanager ab, indem er die Transaktion vorab von der Aufsicht (BaFin) und vom Verwaltungsrat der Fondsgesellschaft absegnen ließ. Rein rechtlich kann man MainFirst also nichts vorwerfen.

Bleibt alles in der Familie?

Für Außenstehende kann dennoch der Verdacht aufkommen, dass die Partner von MainFirst kein Interesse daran hatten, das Anteilspaket in externe Hände  gelangen zu lassen. Die Weitergabe an den Fonds ermöglicht es ihnen, die Kontrolle über das Unternehmen zu behalten, ohne alle Anteile halten zu müssen (da 22,5% von den Anteilsinhabern des MainFirst Top European Ideas erworben wurden). Für die Anteile im Fonds verzichtet das Fondsmanagement auf die Ausübung der Stimmrechte.

Der Investment Case MainFirst

Für die Anleger des MainFirst Top European Ideas stellt sich darüber hinaus die Frage, ob ein Investment in der MainFirst Holding zur bisher von Olgerd Eichler verfolgten Anlagestrategie passt.  

Eichlers Anlagestil ist schwer zu greifen. Der Fondsmanager hat sich keinem speziellen Investmentstil verschrieben. Vielmehr agiert er recht flexibel und setzt seine Ideen mit Überzeugung um. Das heißt, dass er in der Vergangenheit keine Probleme damit hatte, ausgeprägte Branchenwetten einzugehen, in Mega-Caps ebenso wie in Kleinstwerte investierte und sowohl auf deutlich unterbewertetes Anlagevermögen als auch auf unterschätztes Wachstum setzte.

Grundsätzlich passt die MainFirst Holding als Investment daher durchaus zur Anlagestrategie. Finanzwerte dominieren mit 35% (per Ende Januar 2014) schon länger das Portfolio. Auch hat Eichler in der Vergangenheit öfters in Spezialinstitute aus dem Finanzbereich investiert. Die Bewertung von MainFirst als Investment ist nach Angaben des Fondsmanagers sehr attraktiv. Eigenkapitalrendite und Bilanzqualität würden im Vergleich zu anderen Finanzinstituten über dem Durchschnittlich liegen. Das Unternehmen wird anhand des Kaufpreises in Form des Nettoinventarwertes (NAV) mit einmal Buchwert und dem Vierfachen des letzten Jahresgewinns bewertet. Der niedrige NAV in Relation zum Buchwert je Anteil ist speziell für Finanzwerte nicht ungewöhnlich, allerdings erscheint die Bewertung gemessen am Jahresgewinn attraktiv.

Auch mit Blick auf die Größe des Unternehmens ist MainFirst (ca. 77 Mio.) keine Ausnahme im Portfolio. Eichler hat besonders 2009 und 2010, als das Fondsvolumen deutlich niedriger war, bis zu 20% in Micro Caps investiert, die damals eine Marktkapitalisierung von unter 275 Mio. auswiesen. Per Ende Januar 2014 befinden sich noch eine Handvoll  Micro Caps im Portfolio, die jeweils eher gering gewichtet sind (um die 0,5%). Andererseits beträgt laut Angaben des Fondsmanagements der Anteil der MainFirst Holding am Fondsvermögen derzeit rund 1%, was für einen Micro-Cap-Titel keine vernachlässigbare Größe ist.

Sonderfall

Hervorzuheben ist zudem, dass es sich hier um ein nicht börsennotiertes Unternehmen handelt.  Rechtlich ist ein Investment in nicht börsengelistete Unternehmen unbedenklich. Laut Verkaufsprospekt darf der Fonds bis zu 10% des Anlagevermögens in solche Unternehmen investieren. Wir kennen andere Fondsmanager von renommierten Investmenthäusern, die ebenfalls in nicht börsengelistete Unternehmen investieren.   

Dennoch stellen sich für den interessierten Anleger gleich mehrere Fragen: Wie steht es mit der Liquidität, der Bewertung und einem möglichen Ausstieg? 

Für die MainFirst-Anteile gibt es im Gegensatz zu börsennotierten Unternehmen keine laufende Preisfeststellung. MainFirst wird im Portfolio zum letzten von einem Wirtschaftsprüfer testierten NAV (Nettoinventarwert) geführt. Die Bewertung wird zweimal jährlich neu ermittelt und kann in den Jahres- und Halbjahresberichten eingesehen werden. Das ist eine gängige Methode. Allerdings sollten Anleger beachten, dass der eigentliche Verkaufspreis der Anteile erst durch eine Transaktion ermittelt wird (auf Basis des dann aktuellen NAV, und zwar unabhängig davon, wer die Anteile kauft). 

Inwieweit ist ein Ausstieg möglich? 

Da MainFirst nicht an einer Börse gelistet  ist, können die Anteile folglich auch nicht einfach über eine Börse verkauft werden.  Das heißt, für den Titel gibt es keine Liquidität. Das könnte zum Problem für den Fondsmanager und die Fondsanleger werden, wenn die Position liquidiert werden müsste, um die Anlagerichtlinien einzuhalten. In der Praxis sollte der 22,2%-ige Anteil an MainFirst dem Fondsmanager allerdings keine Kopfschmerzen bereiten, da die Position gemessen am Fondsvermögen etwa 1% des Fondsvermögens (€ 1,55 Mrd.) ausmacht. Eichler müsste sich bezüglich der Position erst Gedanken machen, wenn das Fondsvolumen deutlich sinken würde. Theoretisch müsste er spätestens bei einem Fondsvolumen unter 200 Mio. reagieren, da sich die Position dann der im Prospekt definierten Maximalgewichtung von 10% nähern würde. Unter den gegenwärtigen  Umständen ist dies jedoch kein Problem. 

In der Regel nutzen Fondsmanager Investments in nicht gelisteten Unternehmen, um von einem späteren Börsengang oder einer Platzierung zu profitieren. So hat dies auch Eichler in der Vergangenheit mit Kion oder Cembra Money Bank gehandhabt. Nach Aussagen des MainFirst Verwaltungsratsvorsitzenden Dr. Emde ist derzeit kein Listing von MainFirst geplant. Für Fondsmanager Eichler ist das Engagement in MainFirst damit ein mittelfristiges Investment. Sollte er die Anteile gewinnbringend verkaufen können, hätten die Fondsanleger vom Zugang zu einem noch nicht börsennotierten Unternehmen profitiert. Sie erkaufen sich diese Chance aber durch den Verzicht auf Flexibilität. 

Aus unserer Sicht kann ein Engagement in MainFirst damit für die Fondsanleger durchaus Sinn machen und ist hinsichtlich Eichlers Anlagestil nicht so exotisch, wie es auf den ersten Blick vermuten lässt. Ob sich der Einstieg in MainFirst gelohnt hat, wird sich aber erst durch den Verkauf zeigen. 

 Fazit

Abschließend kann man sagen, dass sich MainFirst mit der Transaktion unter rechtlichen Gesichtspunkten nichts vorzuwerfen hat. Die Aufsichtsbehörden wurden nach Angaben des Unternehmens informiert und die im Prospekt vorgeschriebenen Anlagegrundsätze wurden eingehalten.

 Man kann aber wohl davon ausgehen, dass hier nicht nur das Anlegerinteresse im Blick war, sondern durch die Weitergabe der MainFirst-Anteile auch die Interessen der MainFirst-Partner bedient wurden. Dass es sich bei den MainFirst-Anteilen durchaus für ein sinnvolles Investment für die Fondsanleger handeln kann, ändert nichts an der Tatsache, dass hier ein Interessenkonflikt vorliegt. 

Aus unserer Sicht wollte MainFirst hier zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.  Als ein Beispiel für „Best Practice“ dient der Fall sicher nicht. Im Idealfall hätten entweder die übrigen Partner die übernommenen Anteile behalten oder es wäre ein externer Partner hinzukommen, damit sich die nun im Raum stehenden Fragen und Spekulationen gar nicht erst stellen. 

Letztlich wirft dies die grundsätzliche Frage auf, ob Fondsmanager wesentliche Anteile an ihrer Muttergesellschaft erwerben sollten. Hier sind auch die Regulierungsbehörden gefragt. Einige institutionelle Investoren scheinen bereits auch wegen eigener strenger Compliance eine Antwort gegeben zu haben. Zumindest lassen die deutlichen Abflüsse aus der institutionellen Anteilsklasse des MainFirst Top European Ideas, die nach Erscheinen der Pressemeldungen Ende April 2014 einsetzten, darauf schließen. 

Welchen Einfluss hat der Fall auf das qualitative Rating des Fonds?

Die Beurteilung der Fondsgesellschaft ist Teil unseres qualitativen Ratings. Die Fondsgesellschaft ‚MainFirst Asset Management‘ schätzen wir in dieser Hinsicht bisher neutral ein, doch hat sich der Gesamteindruck angesichts der jüngsten Geschehnisse mit Blick auf die Investmentkultur eingetrübt. Unter einer vorbildlichen Investmentkultur verstehen wir, dass die Fondsgesellschaft als treuhänderischer Verwalter der Anlagegelder die Anlegerinteressen jederzeit und ausschließlich im Sinn hat, wenn es um die Investments des Fonds geht. Daran haben wir in diesem konkreten Fall jedoch unsere Zweifel. Wir haben uns dennoch dafür entschieden, das Rating des ‚MainFirst Top European Ideas‘ zunächst unverändert zu lassen, da die Einschätzung des Fondsgesellschaft nur einer von fünf Bewertungspfeilern in unserer Methodik ist. Wir werden in Zukunft aber ein besonderes Augenmerk auf die Corporate-Governance-Praktiken des Unternehmens richten.

 

Facebook Twitter LinkedIn

Über den Autor

Simon Nöth  ist Fondsanalyst bei Mornigstar