Buy and hold ist nicht tot, die Zweite

Unser Kommentar zu langfristig aufgesetzten Anlageprozessen hat etliche Rückmeldungen gebracht. Einige weiterführende Anmerkungen.

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"Hätten Aktienanleger etwa sehenden Auges im Jahr 2000 an ihren hohen Aktienquoten festhalten sollen? So oder ähnlich lauteten einige Zuschriften von Anlegern als Reaktion auf unser Plädoyer für Buy-and-hold-Strategien (lesen Sie hier weiter). Deshalb wollen wir hier etwas weiter ausholen und einige Missverständnisse aus dem Weg räumen. Wenn man Anhänger der “Buy and Hold”-Strategie ist, heißt das noch lange nicht, dass man ein statisches Portfolio fährt, an dessen Zusammensetzung nichts geändert werden darf!

Es ist sicherlich nicht notwendig, hier nochmals die Vorzüge der „Buy and Hold“-Strategie zu erklären – die Grundzüge dürften klar sein. Schließlich hatte sich diese Vorgehensweise bis zum Jahr 2008 schon einige Jahrzehnte lang bewährt. Aber, so argumentierten die Kritiker der "Buy and Hold"-Strategie, seit dieser Zeit habe sich die Welt geändert. Es gälten nun andere Regeln. 

Wirklich? Warum? Vielleicht wäre es wirklich sinnvoll gewesen, im Jahr 1999 diese Anlagestrategie ad acta zu legen, als tatsächlich einiges anders war und die Aktienkurse so hoch notierten wie nie zuvor? Zu dieser Zeit hatte aber keiner gesagt, dass es Nachteile haben könnte, Aktien zu lange zu halten. Derartige Warnungen waren erst nach dem Absturz der Börse zu hören. Und da fanden derartige Thesen zwar durchaus ihre Anhänger – aber den Investoren hat das leider nichts mehr genutzt. 

Das Bekenntnis eines "Fundis": Bewertung und Sentiment im Fokus

Es ist gar nicht so einfach, die Vorteile eines vieler flexibler Investmentportfolios aufzuzeigen. Es gibt in der Fondsbranche unzählige Beispiele für Trendfolge-Fonds und andere taktische Modelle, die sich bei der Asset Allokation versucht haben. Viele dieser aktionistischen Ansätze haben nicht gerade beeindruckende Ergebnisse eingefahren. Im Gegensatz dazu gibt es aber auch zahlreich erfolgreiche Fonds, die von Zeit zu Zeit ihre Asset Allokation anpassen. Sie nehmen dabei entweder makroökonomische Indikatoren zum Anlass einer Überprüfung oder investieren nur anhand von Fundamentaldaten und kommen so durch die Auswahl neuer Titel zu einer Neugewichtung des Portfolios.

Viel hängt von der Wahl des Einstiegszeitpunkts ab. Doch wann ist eigentlich der richtige Zeitpunkt für eine Investition? Ich würde sagen, dafür müssen drei Bedingungen erfüllt werden. 1) Das Wertpapier ist – gemessen an ein oder zwei Bewertungsindikatoren - günstig, 2) es hat sich in den vergangenen Jahren ziemlich schwach entwickelt und es steht 3) nicht sehr hoch in der Gunst der Anleger, was sich am geringen Interesse von Seiten der Fondsmanager ablesen lässt bzw., sollte es sich um einen Fonds handeln, es relativ hohe Mittelabflüsse in dem Sektor zu verzeichnen gibt.

Diese drei Bedingungen gelten auch für den umgekehrten Fall: Erfüllt ein Titel die drei Bedingungen nicht, ist er reif für einen Verkauf.  

Antizyklisches Plädoyer für Schwellenländer-Aktien

Machen wir die Probe: Eine Anlageklasse, die derzeit einen Blick lohnt, sind Aktien aus Schwellenländern. Die Aktien haben meine Aufmerksamkeit zum ersten Mal im vergangenen Juni erregt, als die Kurse absackten und Fondsinvestoren ihr Geld in großem Umfang abzogen (lesen Sie hier mehr). Doch dessen ungeachtet erzielen die dortigen Unternehmen weiterhin solide Gewinne, so dass die Bewertungen auf ein nunmehr attraktives Niveau sanken. Gemessen am Shiller-KGV liegen die Aktien aus Schwellenländern deutlich unter dem Niveau der Titel aus den Industrienationen, und zwar bei beeindruckenden 13 zu 24. In den vergangenen 15 Jahren war der Abstand selten so groß, was ein Beleg dafür sein dürfte, wie günstig Schwellenländer-Aktien derzeit bewertet sind.  

In den vergangenen Monaten kamen erfreulicherweise entmutigende Nachrichten aus der Region. Die Märkte schwankten heftig und die Performance blieb schwach. All das führte dazu, dass das Interesse der Investoren stark zurückging. Heute werden die ehemalige Anlegerlieblinge mit hartem Liebesentzug gestraft, wie die hohen Mittelabflüsse zeigen (lesen Sie hier mehr). All das sind aus meiner Sicht gute Nachrichten. Und damit nicht genug: Man liest keine überschwänglichen Berichte mehr über die boomende Wirtschaft Chinas und Indiens. Vielmehr ist nun von immer größer werdenden Problemen in den Ländern die Rede, vor allem von Inflation, stagnierendes Wachstum und stockende Reformen. Es scheint, als sei die Hochphase vorüber und somit die Zeit für Langfristinvestoren gekommen!

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Über den Autor

John Rekenthaler, CFA  John Rekenthaler is Vice President of Research for Morningstar.