Wer hat Angst vorm MSCI Welt?

Aktiv verwaltete Aktienfonds hatten 2014 ein ausgesprochen schlechtes Jahr. Das passt zu dem äußerst schlechten Image dieser Produkte. Jenseits einfacher Performance-Vergleiche haben uns auf Ursachenforschung begeben. Ein Erklärungsversuch in zwei Episoden. 

Ali Masarwah 18.02.2015
Facebook Twitter LinkedIn

Fondsmanager haben ihre Bücher für 2014 schon längst geschlossen, und angesichts der Mehrfach-Erdbeben des laufenden Jahres droht das vergangene Jahr schon fast in Vergessenheit zu geraten. Kein Wunder: 2015 startete mit einigen handfesten Überraschungen: Die Franken-Freigabe durch die Schweizer Nationalbank, das umfangreiche Anleihekaufprogramm der EZB sowie die Rückkehr der griechischen Tragödie mitsamt der unsäglichen Diskussion um einen möglichen „Grexit“.

Aber 2014 hallt nach. Die Diskussion um das schlechte Abschneiden vieler aktiv verwalteter Fonds ist zu gravierend, um zur Tagesordnung überzugehen. Es spricht einiges dafür, dass Anleger dieser Tage verstärkt mit den Füßen abstimmen. 2014 verharrten Zuflüsse in aktiv verwaltete Aktienfonds auf niedrigem Niveau, derweil Aktien-ETFs und andere Indexfonds hohe Zuflüsse verbuchten (lesen Sie hier mehr).

Weniger als 12% der Aktienfonds haben 2014 den MSCI übertroffen

Das Wichtigste ist natürlich bereits bekannt: Aktiv verwaltete Aktienfonds hatten kein gutes Jahr 2014, das haben die Spatzen längst von den Dächern gepfiffen. Das zeigt sich exemplarisch anhand der wichtigsten Aktienfondskategorie in Europa, global investierende Aktienfonds. Diese Fonds finden sich in der Morningstar Kategorie „Aktien Standardwerte weltweit blend“. Nimmt man die älteste Tranche der 1.266 aktiv verwalteten Fonds, die europaweit zum Vertrieb zugelassen sind, dann haben (nicht-risikoadjustiert) nur 150 global anlegende Fonds besser abgeschnitten als der Vergleichsindex MSCI Welt.

Das entspricht einer Erfolgsquote von nur 11,8%. 2013 hatte die Outperformer-Quote noch bei 20,4% gelegen, 2012 sogar bei gut 30%. Ähnlich schlecht hatten aktiv verwaltete Aktienfonds zuvor 2011 abgeschnitten.

In Zahlen ausgedrückt: Im Schnitt erwirtschafteten aktiv verwaltete globale Aktienfonds auf Euro-Basis ein Plus von 13,53% im vergangenen Jahr. Der MSCI Welt lag mit einem Plus von 19,5% knapp 600 Basispunkte vorn. Auch die Risikodaten - ausgedrückt in der Volatilität und am maximalen Verlust - sind bei den Fonds ungünstig. So weit, so das ernüchternde Bild, das die untere Tabelle illustriert.

Tabelle: 2014 war ein besonders schlechtes Jahr für aktive Fonds 

Doch die großen Durchschnitte sagen längst nicht alles. Wir wollten es nicht bei dieser oberflächlichen Diagnose belassen, sondern auf Ursachenforschung gehen. Warum waren aktive Fonds auf den ersten Blick so schlecht? Wir haben uns die Anlageschwerpunkte der Fonds am Markt näher angesehen, die wir nun abarbeiten werden. Heute, Mitte Februar 2015, haben wir die Portfoliodaten zu einer hinreichend großen Zahl an Produkten in unserer Datenbank verarbeitet und können uns nun die Ausrichtung vieler Fonds im Detail anschauen. Uns liegen die vollen Portfolio-Holdings von bis zu 930 Fonds für das abgelaufene Jahr vor. Für diese Fonds liegt uns also die vollständige Zusammensetzung  von der ersten bis zur letzten Position vor.  

Im ersten Schritt haben wir untersucht, wo die Fonds ihre Schwerpunkte gesetzt haben, regional und nach Branchen. Natürlich haben wir ETFs und auch andere Indexfonds nicht berücksichtigt. Im zweiten Schritt, dem wir einen zweiten Artikel widmen werden, schauen wir uns weitere Kriterien und Merkmale als mögliche Ursachen der Underperformance aktiver Fonds an.   

USA sind in globalen Fonds deutlich untergewichtet

Kommen wir also zunächst zur regionalen Aufstellung der Fonds. Der MSCI Welt, die Fondsbenchmark, hat ihren Schwerpunkt in den USA. 2014 oszillierte die USA-Quote im Index zwischen 54 und 57,5%. Global investierende Aktienfonds, die in Europa zum Vertrieb zugelassen sind, haben 2014 amerikanische Aktien substanziell untergewichtet. Zu Beginn des vergangenen Jahres lag das Gewicht von US-Aktien in den europäischen Fonds im Schnitt nur bei 36%. Im Referenzindex belief sich der US-Aktienanteil Ende Dezember 2013 bei gut 53%.

Dieses Untergewicht ist über das gesamte vergangene Jahr erhalten geblieben, und auch per Ende 2014 waren global investierende Fonds in den USA mit einem Anteil von 39,8% deutlich gegenüber dem Index (57,7%) untergewichtet.

Diese Unwucht hat den Fonds nicht gut getan. Zur Erinnerung: 2014 legte der MSCI USA gut 28% zu, verglichen mit nur 2% beim MSCI Germany, 7,7% bei MSCI UK und 9,29% beim MSCI Japan. Die Performance-Daten der wichtigen Länderbestandteile im MSCI World finden Sie in der unteren Tabelle. Aus ihr geht hervor, dass US-Standardwerte in den vergangenen fünf Jahren mit Abstand die beste Performance der gewichtigen MSCI World Bestandteile erzielten.

Tabelle: Die wichtigsten Bestandteile des MSCI World und ihre Performance 

Natürlich können wir bei so einer großen Gesamtzahl an Fonds nicht deuten, wie erfolgreich die Fondsmanager als Stock-picker waren und ob sie den Nachteil ihrer regionalen Asset Allocation anderweitig kompensieren konnten – angesichts der sehr substanziellen Underperformance stellen wir jedoch die These auf, dass diese Asset-Allocation-Entscheidung per Saldo einen nachteiligen Effekt hatte.

Diese deutliche Untergewichtung der USA ist keine neue Entwicklung, sondern eine langjährige Praxis bei europäisch domizilierten global investierenden Aktienfonds. Soll man global agierenden Fondsmanager vorwerfen, bereits seit Jahren den sprichwörtlichen Wald vor lauter Bäumen nicht erkannt zu haben?

Bis zu 40% der Fonds setzen nicht nur auf den MSCI World

Natürlich ist nicht auszuschließen, dass einige Fondsmanager den mittlerweile recht hoch bewerteten US-Markt Anfang 2014 vermieden oder aber den Aufschwung in den Vereinigten Staaten unterschätzt haben.

Es bietet sich allerdings eine zweite These an. Ist der MSCI Welt Aktienindex möglicherweise nicht der Maßstab für viele Fonds? Wir haben uns die in den Fondsprospekten hinterlegten Benchmarks näher angesehen. Und in der Tat: Je nach Zuordnung von Composite Indizes, welche viele Fonds in ihren Prospekten als Benchmark aufführen, verwenden rund 40% der global investierenden Fonds am Markt nicht oder nicht ausschließlich den MSCI Welt (oder ein von der regionalen Gewichtung vergleichbares Barometer wie den FTSE World, DJ Global, Russell Global oder DJ Global Titans).

Da die USA-Quote auch im breiter gefassten MSCI ACWI, der rund 7% Schwellenländer enthält, bei rund 50% liegt, bietet es sich an, die Fonds, die diesen Index in ihrem Prospektus als Benchmarks benennen, dem MSCI World-Benchmark-Universum zuzuschlagen. Gut 14% der globalen Aktienfonds mit Benchmark-Angaben im Prospekt folgen dem MSCI ACWI Index. Das bringt die Nicht-MSCI World/MSCI ACWI-Fondsquote auf immerhin noch gut 25%. 

Viele Fonds, die für europäische Anleger gestickt sind, mischen den regionalen Heimatmarkt (in Gestalt des MSCI Europe, Euro STOXX, STOXX 600 usw.) oder auch den lokalen Markt (DAX, FTSE 100, CAC 40 usw.) als Benchmark-Composite bei.

Natürlich ist es valide, den MSCI World, dem nach wie vor die eindeutige Mehrzahl der Fonds folgen, als Kategorie-Index zu definieren. Allerdings muss man bei einer differenzierten Betrachtung die in den Fondsprospekten niedergelegte strategische Asset Allocation berücksichtigen. Diese strukturelle Eigenart europäisch domizilierter Fonds hat, so bedauerlich wie es sein mag, in den vergangenen Jahren Anlegern in Europa große Nachteile gebracht. Die Underperformance globaler Fonds implizit oder explizit als Versagen der aktiven Manager darzustellen, ist allerdings nicht zulässig.

Fonds-Performance wird relativiert, Persilschein aber nicht angebracht

Wir haben deshalb eine alternative Benchmark berechnet, die sich aus dem MSCI World (75%) und dem MSCI Europe zusammensetzt (25%). Die untere Tabelle zeigt, dass die Underperformance der global investierenden Aktienfonds gegenüber dieser Benchmark deutlich geringer ausfällt. Die Morningstar Kategorie globale Standardwertefonds erzielte eine Performance von 13,53%, der MSCI World 19,50%, und unsere neue Composite Benchmark 16,33%.

Tabelle: Mehr Realismus - aber keine Schönfärberei

Nimmt man den zusammengesetzten Index aus MSCI World und MSCI Europe zum Maßstab, steigt die Outperformer-Quote 2014 auf 32,2% statt der oben erwähnten mickrigen 11,8% gegenüber dem MSCI World. Freilich müssen sich die global anlegenden Fondsmanager in Europa vorhalten lassen, dass sie auch gegenüber einer deutlich stärker europäisch geprägten Benchmark in den vergangenen Drei- und Fünfjahres-Perioden stark abfielen, nämlich um durchschnittlich mindestens 320 Basispunkte pro Jahr. Auch der maximale Verlust und die Volatilität fallen deutlich höher aus als beim Composite Index. Das schwache Bild für 2014 lässt sich bei einer differenzierteren Betrachtung lediglich relativieren, nicht aber schönfärben.

Emerging Markets bleiben Fondsmanagers Lieblinge

Da wir nun diese grundlegende Eigenschaft global investierender Fonds geklärt haben, wollen wir nun wieder zur Asset Allocation-Praxis unseres Fonds-Samples kommen. Ein weiterer Grund für die Underperformance der meisten globalen Fonds dürfte die Übergewichtung von Schwellenländer-Aktien gewesen sein, die im MSCI World nicht enthalten sind und die 2014 erneut keinen guten Lauf hatten. Die Emerging-Markets-Quote in globalen Fonds sank zu keinem Zeitpunkt 2014 signifikant unter die 5%-Marke.

Nun könnten findige Beobachter den bereits erwähnten MSCI ACWI aufführen, der zu gut 7% Schwellenländer enthält. Doch dieses Argument würde zu weit führen. Der MSCI ACWI ist nur für rund 14% der global investierenden Aktienfonds die offizielle Fondsbenchmark. Es handelt sich also überwiegend um eine so genannte Off-Benchmark-Wette, die so ohne weiteres sich auch nicht durch die Prospektus-Benchmarks ableiten lässt. Hier dürften viele Fondsmanager vielmehr Opfer der Legende von der ewigen Outperformance der Schwellenländer-Märkte geworden sein und Emerging Markets beigemischt haben.

Small Caps waren ein starker Call für globale Fonds

Global investierende Fonds gewichten auch Nebenwerte deutlich stärker als es die Standardwerte-Benchmarks der Fonds und der MSCI World nahelegen. Im MSCI World finden sich etwa 12% Mid Caps, gut 2 bis 3 Punkte weniger, als im Mittel in global anlegenden Fonds vertreten sind. Small Caps wiederum, die so gut wie nicht im MSCI World enthalten sind, machten per Anfang 2014 im Schnitt gut 4% der Fondsportfolios aus.

Spiegelbildlich zur Untergewichtung von US-Aktien haben globale Aktienfonds Titel aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland substanziell übergewichtet. Alle drei Märkte zählten zu den schwächsten der MSCI Länder-Subindizes 2014. Auch diese Asset Allocation Entscheidung dürfte sich aus der höheren Gewichtung Europas in den Benchmarks zahlreicher Fonds ableiten lassen.

Positiv dürfte sich indes die Untergewichtung japanischer und spanischer Aktien und die neutrale Gewichtung von Aktien aus Hongkong ausgewirkt haben – wobei diese Wetten absolut gesehen weit weniger gewichtig waren als die Untergewichtung der USA und die Übergewichtung der oben genannten europäischen Märkte, die 2014 schwach abschnitten. Sie finden eine Übersicht über die großen Über- und Untergewichtungen gegenüber dem MSCI World in der unteren Tabelle.

Tabelle: Regionale Schwerpunkte global investierender Aktienfonds 

Kommen wir nun zu den Sektoren. Finanztitel, IT-Unternehmen, Health Care und Basiskonsumgüter sind die großen Sektoren im MSCI World. Finanzdienstleister waren per Anfang 2014 zu rund 18,5% im MSCI Welt enthalten, während globale Aktienfonds zu rund 2 Punkte weniger hier vertreten waren. Daran hat sich nichts Wesentliches im Jahresverlauf geändert. Mit einem Plus von gut 19,5% entwickelte sich die Branche der Finanzdienstleister etwa gleich stark wie der breite MSCI Index. Die Untergewichtung hat also gegen aktive Fonds gearbeitet.

Tabelle: Technologie-Aktien brachten die Fonds 2014 nach vorn

Ein glückliches Händchen hatten die Fondsmanager dagegen mit dem Technologiesektor, der ein Tick höher gewichtet war als im MSCI Welt-Index. Dass der absolute MSCI-Top-Sektor 2014, die Gesundheitsbranche, gegenüber dem MSCI World neutral gewichtet war, gehört ebenfalls zu den glücklicheren Calls der Fondsmanager.

Die mit Abstand gelungenste Wette der global investierenden Aktienfonds war die substanzielle Untergewichtung der Energiebranche. Der MSCI World Energy Subindex trat mit einem minimalen Plus von 0,7% im abgelaufenen Jahr auf der Stelle und war damit der schlechteste der großen MSCI Sektoren. Globale Fonds waren 2014 konstant gut 250 Basispunkte unter dem Branchenanteil von zwischen 7,7 und 10,1% am MSCI Welt. Eine Performance-Übersicht zu den wichtigsten MSCI-Branchen (nach Gewicht sortiert) finden Sie weiter unten. 

Tabelle: Performance der wichtigen MSCI Branchen 

Erwähnt sei noch ein weiterer, recht trivialer Grund für die Underperformance vieler Fonds 2014: die Cash-Quote von rund 5%. In steigenden Märkten ist es von Nachteil, nicht voll investiert zu sein. Ein aktiv verwalteter Fonds wird jedoch immer eine gewisse Cash-Reserve vorhalten, sei es, um den Fonds vor Verlusten bei erwarteten Volatilitätsschüben zu schützen, oder auch nur um mögliche Anteilsscheinrückgaben zu bedienen, ohne Wertpapiere verkaufen zu müssen. Allerdings sollte man diesen Faktor nicht überbewerten. Eine durchschnittliche Cash-Quote von 5,2% per Ende 2014 mag die Performance geringfügig belastet haben, eine entscheidende Rolle wird diese im historischen Vergleich übliche Quote nicht für die Underperformance globaler Aktienfonds gespielt haben.

Wie sind globale Fonds heute aufgestellt? Insgesamt hat sich an der Aufstellung der global investierenden Fonds per Ende 2014 wenig gegenüber den Vormonaten geändert. Ende Dezember machten die USA 39,8% der globalen Fonds aus gegenüber 57,7% beim MSCI Welt. Die Fondsmanager sind also mit einer deutlichen Untergewichtung der USA in das neue Jahr gegangen. Auch an der Übergewichtung von Nebenwerten hat sich nicht viel geändert. Insbesondere Small Caps, die so gut wie nicht im MSCI World enthalten sind, sind ein aktiver Call vieler Fondsmanager, ebenso, wie die rund fünfprozentige Gewichtung von Emerging Markets.

Ob diese Ausgangslage gut oder schlecht ist, liegt im Auge des Betrachters. Wer auf eine fortgesetzte Stärke der USA setzt, tut gut daran, sich die wenigen Fonds vorzunehmen, die die USA strukturell so hoch gewichten wie der MSCI World. Bei USA-Pessimisten und Euro-Optimisten haben die Anleger hierzulande eine größere Auswahl. Wichtig ist allerdings, dass Anleger auf die Fonds ihrer Auswahl genau hinsehen müssen nicht nur auf die Benchmark im Prospekt zu achten, sondern das tatsächliche Portfolio unter die Lupe zu nehmen.

Im zweiten Teil unseres Artikels werden wir uns weitere Merkmale von global investierenden Fonds näher anschauen und unsere Ursachenforschung für die Underperformance der Mehrheit der global investierenden Fonds nachgehen.

Facebook Twitter LinkedIn

Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich