US-Hauhaltsstreit hat den Bond-Markt im Griff

Es sieht so ganz und gar nicht nach einer besinnlichen Adventszeit am Markt für Unternehmensanleihen aus. Die Fiskalklippe in den USA hält Anleger und Unternehmen in Atem.  

Dave Sekera 04.12.2012
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Die Bond-Märkte sind keine Einbahnstraße: Zuletzt kamen die Spreads für die amerikanischen Unternehmensanleihen etwas von ihren seit Anfang Sommer erreichten Hochs zurück - vor allem bei US-Anleihen gab es Kursverluste. Im Schnitt weiteten sich die Spreads im Morningstar Corporate Bond Index um 11 Basispunkte auf +147. Allerdings erging es Finanztiteln mit einen um nur 6 Basispunkten weiteren Spread wieder einmal besser als den Papieren von Industrieunternehmen, deren Renditeaufschlag um 16 Basispunkte anstieg. Im Bereich der Versorger betrug die Veränderung sogar 18 Basispunkte.

Weniger stark waren dagegen die Bewegungen bei europäischen Unternehmensanleihen: Im November liefen die Spreads um 5 Basispunkte auseinander auf +145. Erstmals seit Juni 2011 liegen die Titel im European Corporate Bond Index unter den US-Papieren. Und es gab vergangene Woche noch etwas Neues: nicht die europäische Schuldenkrise bestimmte den Handel, sondern Nachrichten aus Amerika, in erster Linie die Haushaltsdebatte. Die Erklärungen der US-Politiker beider Parteien sorgten dafür, dass die Investoren zuversichtlicher wurden - oder wieder skeptischer. Von einer Minute auf die andere wechselte die Stimmung, und damit auch das Angebot am Markt. 

Wieder zahlreiche Neuemissionen am US-Markt - Dank der Fiskalklippe

Zugleich gab es zahlreiche Neuemissionen. Über 25 Milliarden Dollar sammelten US-Unternehmen in der vergangenen Woche bei Investoren ein. Üblicherweise beruhigt sich das Geschäft am Primärmarkt zum Jahresende hin etwas, weil die Fondsmanager und Finanzmanager ihren Jahresabschluss vorbereiten. Doch dieses Jahr sieht es nicht danach aus. Schuld daran ist die Fiskalklippe. Sollten sich die US-Politiker nicht bis Jahresende auf den neuen Staatshaushalt einigen, treten automatisch Änderungen in Kraft: Steuerhöhungen und Ausgabenkürzungen. Auch Einkünfte aus Dividenden dürften dann höher besteuert werden. Und deswegen schütten einige Firmen schon jetzt Gewinnbeteiligungen aus und sammeln das dafür benötigte Geld zuvor über eine Anleihe ein. Es ist gut möglich, dass auch aus diesem Grund noch vor Silvester zahlreiche Neuemissionen auf den Markt kommen. Schon diese Woche sind wieder Titel für über 25 Milliarden Dollar im Gespräch, und es könnte sogar noch mehr werden.

US-Daten stehen in dieser Woche an

Auch mit Blick auf die anstehenden Konjunkturdaten dürfte sich der Blick der Investoren vor allem gen Amerika richten. Es stehen zwar sowohl aus Europa als auch den USA Einkaufsmanagerindizes auf der Tagesordnung, und am Donnerstag und Freitag werden die Auftragseingänge und die Industrieproduktion Deutschlands mitgeteilt. Zudem kommen am Donnerstag die europäischen Notenbanker zu ihrer allmonatlichen Sitzung zusammen, und die Bank of England tagt ebenfalls. Eine Änderung des Leizinsniveaus wird allerdings weder in der Eurozone noch in Großbritannien erwartet.

Die wichtigsten Zahlen dürften erst am Freitag veröffentlicht werden: Die US-Arbeitslosenquote und die Zahl der Beschäftigungen aus dem monatlichen US-Arbeitsmarktbericht. Dieses Mal ist es besonders schwierig, Prognosen zu treffen. Denn es ist unklar, in wie weit zuletzt der Wahlkampf und natürlich auch der Wirbelsturm „Sandy“ die Lage am amerikanischen Arbeitsmarkt beeinflusst haben. Zudem wird kurz vor Wochenschluss der Index zum Verbrauchervertrauen der Universität Michigan mitgeteilt.

Die Sorgen um die Eurozone und die Zukunft einiger Mitgliedsländer sind etwas verklungen. Selbst die Meldung, dass die Ratingagentur Moody´s dem europäischen Rettungsschirm ESM seine Bestnote entzogen hat, hatte keine großen Auswirkungen am Markt. Eine viel größere Rolle spielt dagegen die Debatte um den US-Haushalt, die viel zitierte Fiskalklippe.

Vorsicht angesichts der Dividendenflut: Skurrile Folgen der Fiskalklippe

Es gab schon mehrere US-Unternehmen, die wegen der drohenden Fiskalklippe ihre Dividendenausschüttung vorziehen und deswegen Anleihen begeben, etwa die Kreuzfahrtgesellschaft Carnival (CCL, „BBB“) und die Großhandelskette Costco (COST, „AA-"). Der Getränkehersteller Brown-Forman (BF.B, „A+“) dürfte nach Vorlage seiner Ergebnisse am Mittwoch diesem Beispiel folgen. Die Sonderausschüttung hatte das Unternehmen aus Kentucky bereits vergangene Woche angekündigt. #

Das Beispiel dieser Unternehmen könnte Schule machen. Allerdings ist das Zeitfenster für derartige Transaktionen kurz, denn zum Jahresende gibt es entweder eine Einigung im Haushaltsstreit oder die befürchteten Steuererhöhungen treten in Kraft. Unsere langfristige Einschätzung von Costco und den anderen genannten Firmen wird durch die Extra-Dividende und ihre Finanzierung nicht beeinflusst, aber es ist zu befürchten, dass auch andere Unternehmen so vorgehen, die nicht so gut dastehen, und diese Transaktionen zu Lasten ihrer Bilanzen gehen.

Carnival hat vergangene Woche eine fünfjährige Anleihe im Volumen von 500 Million Dollar begeben. Der Reisekonzern hat noch Anleihen mit einer kürzeren Laufzeit ausstehen, die refinanziert werden müssen. Die Neuemission steht unseres Erachtens im Zusammenhang mit der Ankündigung einer Sonderausschüttung von rund 300 Millionen Dollar. Bei unserer Bewertung der Verschuldung von Carnival gehen wir davon aus, dass Carnival Geld an seine Aktionäre ausschüttet und sein Kreditrating „BBB“ behält.

Die Sonderdividende dürfte an dieser Einschätzung nichts ändern. Das Unternehmen ist in der Lage, gute Cashflows zu erzielen, mehr als notwendig, um den Bau neuer Schiffe zu finanzieren. Unseren Schätzungen zufolge dürfte Carnival in den kommenden fünf Jahren freie Mittel in Höhe von fast 9,5 Milliarden Dollar zu Verfügung haben. Trotz der hohen Verschuldung hat das Unternehmen damit einen Sicherheitspuffer in fast derselben Höhe wie die ausstehenden Gelder. Zwar dürfte Carnival in dieser Zeit Aktienrückkäufe und Dividendenzahlungen in Höhe von 6,5 Milliarden Dollar vornehmen, und dafür Anleihen ausgeben. Aber alles in allem sind wir trotzdem der Meinung, dass das Investment-Grade-Rating von Carnival angemessen ist.

Costco sammelte vergangene Woche 3,5 Milliarden Dollar ein, um eine Sonderausschüttung in Höhe von rund 3 Milliarden Dollar zu finanzieren. Damit ist der Verschuldungsgrad von Costco noch moderat, bei einem Verhältnis der um Leasingkosten bereinigten Verbindlichkeiten zum EBITDAR von gut 1. Das ist weniger als bei Konkurrenten wie Wal-Mart (WMT, „AA“) oder Target (TGT, „A“) die auf ein Verhältnis von 1,6 beziehungsweise 2,4 kommen. Wir waren schon lange der Meinung, dass es sich Costco leisten kann, weitere Schulden zu machen. Das Unternehmen verbucht stetige und solide Umsätze, was uns in unserer Ansicht bestätigt, dass Costco mit seiner Strategie weiter der Konkurrenz Marktanteile abnehmen wird.

Unternehmen verschulden sich für die Dividendenzahlung

Was nun den Markt angeht: Wir fürchten, dass es ein Unternehmen geben könnte, das sich zu hoch verschuldet, um Geld an seine Aktionäre auszuschütten. Das wäre nichts Neues: So erging es im November 2011 der Baumarktkette Lowe's (LOW,“A“) und wenige Monate zuvor auch der Druckerei R.R. Donnelley (RRD, „BB“). Deswegen ist es jetzt noch wichtiger als sonst, dass Sie auf der Suche nach einer guten Unternehmensanleihe vorsichtig sind. Denn es kann schnell passieren, dass man einen faulen Apfel in seinem Portfolio liegen hat. Als Faustregel lässt sich sagen, dass man misstrauisch sein sollte, wenn ein Unternehmen seine eigenen Schuldenziele auszureizen scheint.

Bei Lowe's beispielsweise hatten sich die Kennzahlen stetig verschlechtert und wir hatten das Rating für die Firma herabgesetzt – noch bevor das Unternehmen offiziell seine Zielmarke für die Verschuldung erhöhte. Uns gab zu denken, dass Lowe's sich stärker verschulden wollte, und wir befürchteten, dass das Geld an die Aktionäre ausgeschüttet werden sollte. Auch sollten Anleiheinvestoren auf der Hut sein, wenn Insider in großem Ausmaß an der Firma beteiligt sind. Denn dann ist die Versuchung groß für das Management, wegen der drohenden Steuererhöhungen eine Sonderdividende auszuschütten.

Aus eben diesem Grund gehören Anleihen von Limited Brands (LTD, BB+) nicht zu den Papieren, die wir in unser Portfolio legen würden. Die Strategie der Bekleidungskette, ihre Aktionäre mit Aktienrückkäufen und Sonderdividenden zu beglücken, stellt unserer Meinung nach größte Gefahr für die Anleiheeigner dar. In den vergangenen fünf Jahren hat Limited Brands mehr als 160 Prozent der freien Mittel über derartige Maßnahmen ausgeschüttet! Mehr als 20 Prozent der Aktien sind im Besitz des Vorstandsvorsitzenden und seiner Frau – das erklärt ein solches Vorgehen. Obwohl Limited Brands kaum kurzlaufende Anleihen am Markt hat, sähen wir es lieber, wenn freie Mittel zur Begleichung der Schulden verwendet würden. Aber das Unternehmen hat vor allem das Interesse der Aktionäre im Blick, nicht das der Anleiheeigner. Die Anleihen sehen wir dementsprechend kritisch.

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