Rätselraten um den Kapitalbedarf spanischer Banken

Nachdem nun auch Moody´s Spaniens Institute abgestuft hat, steigt die Nervosität wieder an den Märkten. Unsere wöchentliche Bond-Kolumne.   

Dave Sekera, CFA 26.06.2012
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Wenn die Politik keine Impulse gibt, ist immerhin auf die Rating-Agenturen verlass: Weder vom G20-Gipfel noch vom Treffen der US-Notenbanker kamen in der vergangenen Woche entscheidende Impulse, die auf eine politische Kehrtwende hätten schließen lassen können. Nach dem Gerangel auf und um den G-20-Gipfel zwischen den USA und Deutschland über die Frage nach der "richtigen" Reaktion der Politik auf die Schuldenkrise, ist die langfristige Richtung der Politik nach wie vor für viele Marktteilnehmer unklar. Und das, obwohl die EU Spanien prinzipiell die maximale Summe von 100 Milliarden Euro an Hilfe zugesagt hat. Diese Summe würde den bislang ermittelten Kapitalbedarf der spanischen Banken - 62 Milliarden Euro - deutlich übertreffen. Doch dazu später mehr.  


Am heutigen Dienstag folgte jedenfalls zunächst ein Paukenschlag: Moody´s stufte 28 spanische Banken herab. Vor allem kleinere Institute wurden um bis zu 4 Stufen heruntergestuft, während Banco Santander und BBVA laut Moody´s noch immer im Investment-Grade-Bereich liegen. Wir dürfen gespannt auf die Entwicklung der Renditen der Bonds der Euro-Südländer sein! In einer ersten Reaktion gaben am Dienstagmorgen sowohl der Kurs des Euro wie auch die Aktiennotierungen in Europa deutlich nach.


Der Schritt von Moody´s kam nicht überraschend 


Ganz überraschend kam der Rundumschlag von Moody´s freilich nicht. Wir hatten unsere Kreditratings für spanische Banken bereits Anfang des Monats heruntergenommen - und wir waren bereits skeptischer als Moody's über die Kreditqualität der spanischen Institute! Bei unserer Neubewertung hatten wir die Wahrscheinlichkeit einer oder mehrerer Umschuldungen untersucht und im Ergebnis die Ratings der Banken mit den größten Beständen an spanischen und italienischen Staatsanleihen gesenkt. Die Folge: Banco Popular haben wir auf „B+” (von „BBB-”) herabgestuft, BBVA auf „BB+” (von „BBB+”), Banco Santander auf „BBB” („BBB+”), Intesa Sanpaolo auf „BB-” („BBB”) und UniCredit auf „BBB-” („BBB”). Auch die französische Credit Agricole hatten wir auf „BBB-” („BBB+”) heruntergestuft.


Nach wie vor empfehlen wir eine neutrale Gewichtung von Unternehmensanleihen und bevorzugen US-Corporate Bonds gegenüber Papieren europäischer Emittenten. Zwar ist es auf den ersten Blick ermutigend, dass die Renditen der Staatsanleihen der Euro-Krisenländer in der vergangenen Woche gesunken sind, doch fürchten wir, dass die Auswirkungen der Schuldenkrise – und ihre Auswirkungen auf Unternehmensanleihen – noch lange nicht klar sind. Verluste beim Eigenkapital der Banken müssen unserer Meinung nach realisiert und nicht kaschiert werden. Zudem müssen die strukturellen Probleme Europas gelöst werden - einschließlich die Frage nach der Natur der künftigen Europäischen Union.


Die US-Notenbank hat vergangene Woche überarbeitete Wirtschaftsprognosen veröffentlicht. Die Schätzung für das amerikanische BIP-Wachstum 2012 wurde auf 1,9% bis 2,4% nach unten korrigiert, zuvor waren es 2,4% bis 2,9%. Dieser Schritt stellt für Robert Johnson, Chefvolkswirt von Morningstar, keine große Überraschung dar: Er bleibt bei seiner Schätzung von 2,0% bis 2,5%. Die Federal Reserve setzte aber nicht nur bei den Prognosen für dieses Jahr den Rotstift an, auch die Projektion für 2013 wurde um einen halben Prozentpunkt auf 2,2% bis 2,8% gekürzt. Mit Blick auf die niedrigeren Wachstumserwartungen wurde die Schätzung für die Arbeitslosenquote um 20 Basispunkte angehoben, hier sind nach Ansicht der Fed nun 8,2% statt bislang 8,0% zu erwarten. Die Inflationsprognosen wurden ebenfalls zurückgenommen, was Spielraum für weitere geldpolitische Lockerungen gibt. Allerdings steht die Prognose für die Inflationsrate auf Fünf-Jahres-Sicht weiterhin bei 2,6%. Die US-Notenbank hat damit nur sehr begrenzte Handlungsmöglichkeiten, wenn sie nicht die Inflationserwartungen des Marktes in die Höhe treiben will. 


Auch US-Banken werden heute realistischer eingeschätzt


Die Ratingagentur Moody's hat ihre lang erwartete Studie der großen US-Banken veröffentlicht. Das Kreditrating einiger Institute wurde um eine oder zwei Stufen herabgesetzt. Dadurch rücken die Ratings stärker in die Nähe der Einschätzungen, die wir an zahlreiche Emittenten vergeben haben. Beispielsweise entspricht das Rating von Moody's nun unserer Einschätzung der Bank of America (Rating: „BBB”) und J.P. Morgan Chase („A“). Eine Stufe höher als bei uns liegen bei Moody's Goldman Sachs („BBB+“) und Morgan Stanley („BBB“). Zu kritisch ist Moody's unserer Meinung mit dem Rating „Baa2” für die Citibank („A-“); wir denken, dass sich das Kreditprofil der Bank verbessert. Zudem ist der Credit Spread der Citibank zu weit auseinandergelaufen. 


EZB lockert Konditionen für Kreditvergabe


Die Europäische Zentralbank hat angekündigt, bei der Annahme von Wertpapieren für die Kreditvergabe geringere Maßstäbe anzulegen. Dies unterstreicht die angespannte Lage am europäischen Interbankenmarkt. Zudem wappnet sich die EZB damit gegen die Folgen der Abstufung der spanischen Banken und damit gegen einhergehende Liquiditätsengpässe. Dieser Schritt sollte den spanischen Banken zwar helfen, doch letztlich wird dadurch das Kapital, das die Institute brauchen, um Investoren und Kunden davon zu überzeugen, dass die Banken solide aufgestellt sind, nicht weniger. Der vergangene Woche von zwei Prüfungskommissionen ermittelte Kapitalbedarf spanischer Banken von 62 Milliarden Euro beruhigt nur auf den ersten Blick. Wie viel die Banken im Einzelnen brauchen, sollen nun zusätzliche Analysen zeigen, die Ende Juli veröffentlicht werden. Berichten zufolge wird in der Analyse aber weder eine Umschuldung noch ein Kreditausfall Spaniens thematisiert. Die spanischen Institute hatten den Anteil des Kapitals, das sie in spanischen Staatsanleihen hielten, aufgestockt – ihr Schicksal hängt deswegen eng mit dem des Staates zusammen. Sollten die Investoren spanischer Staatsanleihen gezwungen werden, auf ihre Papiere einen Verlust zu verbuchen, dürfte das auch zahlreiche spanische Banken in die Insolvenz ziehen.


Lichtstreif oder Wetterleuchten am Horizont?


Abgesehen vom Bericht langlebiger Güter aus den USA stehen in dieser Woche keine Nachrichten an, die starken Einfluss auf den Markt für Unternehmensanleihen ausüben dürften. Am Dienstag und am Donnerstag will Italien neue Anleihen auf den Markt bringen, doch nachdem die Renditen zuletzt deutlich gesunken sind, dürften diese Auktionen ein Non-Event sein. 


Griechenland hat eine Regierungskoalition gebildet und bittet – sehr zum Missfallen der deutschen Regierung – die EU und den IWF um Nachverhandlungen über die Rettungsmaßnahmen. Diese Mutprobe dürfte in den kommenden Wochen die Schlagzeilen beherrschen, denn bestimmt werden beiden Seiten ihre Sicht der Dinge über die Medien verbreiten. Donnerstag und Freitag steht die vierteljährliche Tagung des Europäischen Rats an. Die europäischen Spitzenpolitiker werden sicherlich die Forderung der Griechen nach Erleichterungen bei der Rettungsaktion diskutieren und damit für eine wahre Flut an Schlagzeilen sorgen – ganz abgesehen von den zu erwartenden Diskussionen um die Kapitalisierung spanischer Banken, Forderungen nach Hilfen für die Wirtschaft und eine stärkeren Zusammenarbeit der Banken- und Finanzbehörden. Allerdings ist uns nicht zu Ohren gekommen, dass es eine Einigung auf Maßnahmen geben könnte, die auf absehbare Zeit zu einer deutlichen Besserung der Probleme in der EU führen könnten.


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Über den Autor

Dave Sekera, CFA  Dave Sekera, CFA, is chief U.S. market strategist for Morningstar.