Bond-ABC am lebenden Objekt

Wenn Kursverluste die Kuponzahlungen aufbrauchen, wird’s für Rentenfondssparer eng. Des Deutschen liebste Anlageklasse verunsichert aktuell Privatanleger, die Anfang des Jahrtausends so prächtig mit Anleihen verdient hatten.

Werner Hedrich 15.06.2007
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Die Renditen für zehnjährige Schuldtitel der Eurozone haben eine beeindruckende Hausse hinter sich. Leiht man der Bundesrepublik Deutschland für die nächsten 10 Jahre sein Erspartes, dann überweist der Bundesfinanzminister jährlich 4,6 Prozent. Wer Anfang des Jahres in einen diversifizierten Euro-Anleihefonds mit bester Bonität investierte, schaut heute auf durchschnittliche Verluste von mehr als 1,5% zurück. Wie passt das zusammen?

Ob die Euro-Renditen weiter fallen oder steigen werden, sollen andere analysieren. Investoren sollten sich dennoch über die potentiellen Risiken an den Anleihenmärkten im Klaren sein. Das Risiko besteht ganz konkret darin, dass ein Anstieg der Kapitalmarktzinsen zu weiteren Kursverlusten in den meisten Anleiheportfolios führen sollte, weil Kuponzahlung

en nur einen Teil der Kursverluste kompensieren können.

An den Anleihenmärkten agieren die Börsentiere Bulle und Bär spiegelbildlich zu den Aktieninvestoren. Grundsätzlich stehen Kursgewinnen von Zinstiteln fallende Renditen gegenüber und andersherum. So geschehen an den Eurozone-Rentenmärkten zwischen den Jahren 2000 und 2005. Neben Kouponzahlungen konnten Renteninvestoren kräftige Kursgewinne erzielen. Im Tief lag die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen bei fast 3%.

Zinsspekulanten, die eine schwache konjunkturelle Entwicklung antizipieren, sind Rentenbullen, die auf Kurssteigerungen setzen. Bären sind hingegen diejenigen, die eine prosperierende wirtschaftliche Zukunft sehen. Sie meiden das Zinsänderungsrisiko nach oben, was Kursverluste bedeutet. Meister Petz setzt auf fallende Bondkurse und steigende Renditen. Er positioniert sich am kurzen Ende der Zinsstrukturkurve, weil dort die Kuponzahlungen zeitlich näher liegen. Oder anders: Die Duration bei kurzen und mittleren Laufzeiten ist geringer als bei Langläufern. Bondchinesisch?

Genau, es geht aber auch einfacher mit Hilfe der menschlichen Anatomie zu erklären: Mann strecke den Arm aus, so dass er sich waagrecht (horizontal) zum Boden befindet. Das kurze Ende der Zinsstrukturkurve (kurze Laufzeiten) ist der Anfang des Arms, der am Schultergelenk beginnt. Das lange Ende (Laufzeiten länger als 10 Jahre) sind die ausgestreckten Fingerspitzen. Wenn man jetzt versucht, zu fliegen (Flügelschläge auf und ab), dann hebt man zwar nicht ab, versteht aber Duration, die Zinsreagibilität von Anleihen. Die Bewegungs- oder Schwingungsmöglichkeit des Arms am Schultergelenk ist wesentlich eingeschränkter als an den Fingerspitzen. Heftiges flattern (auf und ab) kann sogar dazu führen, dass man das Gleichgewicht verliert. Der Verlust der Balance steht für heftige Blessuren und Kursverluste an den Bondmärkten. Die Nähe zum Schultergelenk steht dagegen für eingeschränkte Bewegungsfreiheit. Hier ist der Spielraum, das Momentum limitiert, weil der Arm durch das Gelenk verankert ist.

So auch an den Zinsmärkten: Die Schwankungsintensität - das Risiko von Kursverlusten bei Änderungen der Renditen - ist bei kurzen Laufzeiten begrenzt. Darum kaufen Konjunkturoptimisten in Erwartung steigender Renditen Anleihen am kurzen Ende der Zinsstrukturkurve. Am langen Ende, im zehnjährigen Bereich halten sich dagegen diejenigen auf, die weiter fallende Kapitalmarktrenditen erwarten und von steigenden Rentenkursen profitieren wollen.



Der Artikel erschien in gekürzter Fassung in der FTD Deutschland.
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Werner Hedrich