Zeigt die Blaue Bank ihren Kunden die kalte Schulter?

Der Branchenprimus Deutsche Bank schließt vorübergehend seinen auf Deutschland konzentrierten offenen Immobilienfonds und könnte ein Imageproblem bekommen.

Werner Hedrich 15.12.2005
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Was sind die Bürotürme, Lagerhallen und Hotels in einem offenen Immobilienfonds wert? Ungefähr 70 Gutachter setzen in Deutschland die Verkehrswerte für gewerbliche Immobilien fest. Im Immobilien-Sprech heißt dies, dass eine geglättete Einschätzung aufbauend auf dem Ertragswert vorgenommen wird. Die Glättung ist das Erfolgsrezept für die Volatilität der offenen Immobilienfonds nahe 0%, zumindest solange die Anteilspreise als Aggregat des Immobilienvermögens in Tippelschritten nach oben laufen. Fakt ist aber heute, dass die Bürogebäude einen niedrigeren Preis am Markt erzielen würden als in der Bilanz des Fonds Grundbesitz-Invest ausgewiesen. Sie müssen deshalb im Wert berichtigt, also abgeschrieben werden.

Die Verantwortlichen bei DB Real Estate und Deutscher Bank sehen seit Jahr

en die Wolken am Horizont heraufziehen. Die Erkenntnis, dass die Bürogebäude zu hoch in den Büchern einstehen, reift nicht von heute auf morgen. Die ganze Branche hat mit ihren deutschen Immobilienbeständen zu kämpfen. Insider der deutschen Real Estate Szene rechnen damit, dass die Deutsche Bank den Grundbesitz-Invest fallen lässt und 300 000 Sparer und damit Deutsche Bank Kunden verprellt. Es wird sich zeigen, welchen Stellenwert das Privatkundengeschäft im Deutschen Bank Konzern noch genießt.

Es wäre wünschenswert, dass die Deutsche Bank Immobilien in ihre eigenen Bücher nimmt und die Kleinsparer mit einem blauen Rendite-Auge davonkommen lässt. Das Auge ist deshalb blau, weil erstens die DB Real Estate für ihre Managementleistung jährlich dem Anleger eine Gebühr abzweigt. Die Gebühren für die Fondsverwaltung lagen im Geschäftsjahr 2003/2004 bei 61,5 Mio. Euro. Der Geschäftsbericht für 2004/2005 ist auf der Homepage nicht hinterlegt. In den vorangegangenen Jahren waren die Gebühren in absoluten Zahlen höher, weil das Volumen des Fonds größer als 6 Mrd. Euro war. Die jährlichen Gebühren betragen mindestens 0,6% des Beteiligungsvermögens. Zweitens betrug die Inflation im laufenden Jahr mehr als 2%. Sparer würden somit durch 0% Rendite 2005 Kaufkraft und damit Geld verlieren. Und drittens haben Sparer einen 5%igen Ausgabeaufschlag als Einstiegshonorar entrichtet. Natürlich soll die Beratung des Kunden in Geldfragen über den Ausgabeaufschlag abgegolten werden. Aber kann man in diesem Zusammenhang von Beratung sprechen?

Allerdings müssen Privatanleger ihre Anlagestrategie selber hinterfragen. Mein Kollege Kai Wieking und ich haben in zwei Kommentaren auf die Problematik der Zu- und Abflüsse in offenen Immobilienfonds und die trügerisch geringe Volatilität dieser Investmentvehikel hingewiesen (s. rechts). Warum halten Sparer ein auf deutsche Immobilien konzentriertes Portfolio? Auch hier gilt der Vorteil der Diversifizierung. Streut man die Risiken über verschiedene Länder und Immobilien, so reduziert man die Schwankungen innerhalb eines Portfolios. Ein boomender Büroimmobilienmarkt in Frankreich gleicht eine schwächere Entwicklung in Deutschland oder anderswo aus. Immobilienmärkte unterliegen der gleichen Zyklik wie andere Märkte, nur, dass sie träger sind.

Es eröffnen sich aber auch interessante Perspektiven für Investoren. Die Sachverständigen werden bis Februar das Immobilienvermögen neu bewerten. Im Markt wird über eine 10%-Abwertung spekuliert. Ein bereinigtes deutsches Gewerbeimmobilienportfolio hat auch seinen Reiz. Zumal die Produkt- und Marketing-Strategen den Fonds europäischer ausrichten dürften, um das Klumpenrisiko Deutschland zu beseitigen. Warum nicht ein paar Anteile nach der Neufeststellung der Verkehrswerte kaufen? Branchenbeobachter sprechen von einer Erholung des deutschen Immobilienmarktes. Angelsächsische Häuser interessieren sich für Objekte zwischen Hamburg und München. Oft lohnt es sich, gegen den Strom zu schwimmen. Zumal Lachse schönere Tiere sind als Heuschrecken.
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Werner Hedrich