ETF-Anbieter setzen auf Regulierung und neue Produkte

Eine PWC-Umfrage zeigt großen Optimismus bei ETF-Anbieter. Regulatorische Veränderungen und Produktinnovationen sollen Nachfrage nach Indexfonds stimulieren. Teil I unseres Artikels zu Prognosen und zur Wirklichkeit des ETF-Wachstums in Europa.

Ali Masarwah 29.05.2015
Facebook Twitter LinkedIn

Klappern gehört in jeder Branche zum Handwerk, aber in der Fondsindustrie finden sich erfahrungsgemäß besonders viele Berufsoptimisten. Dass das im Kundenauftrag verwaltete Vermögen nur wachsen kann, ist fester Bestandteil aller Branchenumfragen. Dennoch macht das Kompendium an Prognosen, das die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC zu ETFs vorgelegt hat, neugierig („ETF 2020 – Preparing for a new horizon“). Schließlich handelt es sich bei Indexfonds um das Wachstumssegment der Fondsbranche. Wir wollen uns die Studie näher ansehen und dann in einem zweiten Artikel mit den Wachstumszahlen kontrastieren, die wir aus unseren Daten herauslesen können.

PWC hat 60 Verantwortliche in 9 Ländern interviewt, deren Firmen 70% des weltweit in ETFs investierten Vermögens verwalten. Dabei überrascht nicht so sehr die bombastische Volumenprognose, wonach das weltweit in ETFs investierte Vermögen bis 2020 von derzeit rund 3 auf 5 Billionen US-Dollar steigen werde. Solche Prognosen sind das sprichwörtliche Klappern – kein Fondsverantwortlicher kann wissen, wie sich DAX, S&P und Co. In den kommenden fünf Jahren entwickeln werden. Interessant sind die Aussagen der ETF-Profis im Detail.

ETF-Entscheider hoffen auch auf die Privatanleger

Quelle: PWC

Die PWC-Interviewer wollten zunächst wissen, welches die Wachstumstreiber in den nächsten drei Jahren sein werden. In erster Linie konzentrieren sich die Hoffnungen der ETF-Verantwortlichen auf institutionelle Investoren. 33% der Befragten sehen Großinvestoren als die wichtigste Wachstumsquelle, wobei diese Einschätzung vor allem von US-ETF-Häusern geäußert wurde. Das ist wenig überraschend, weil es im Grunde nur die Fortschreibung des Status Quo impliziert: Heute sind rund 90% der ETF-Käufer in Europa Großanleger.

Nach Einschätzung vor allem der ETF-Entscheider außerhalb der Vereinigten Staaten stellen Berater und Privatinvestoren bis 2018 eine Hauptwachstumsquelle für ETFs dar. Mit einer Quote von 30% werden Retail-Vertriebskanäle in Asien und Europa sogar von mehr ETF-Entscheidern als Wachstumsquelle genannt als institutionelle Investoren. Eng damit verknüpft dürfte auch die große Bedeutung der Finanzbildung als Wachstumsquelle sein, die ebenfalls vor allem außerhalb der USA als wichtig für das künftige Wachstum gesehen wird. Die zunehmende Erschließung des Altersvorsorgemarkts wird als weiterer Faktor genannt, wie aus der Tabelle unten hervorgeht.

Tabelle: Wachstumserwartungen der ETF-Provider

Quelle: PWC

Ein wichtiger Einflussfaktor auf das ETF-Wachstum und die Produktinnovation wird gemäß der PWC-Umfrage die Finanzmarktregulierung sein. 60% der Befragten außerhalb der USA sehen einen „bedeutsamen“, 23% immerhin einen „moderaten Einfluss“. In Europa dürfte vor allem der Wandel des Finanzvertriebs eine wichtige Rolle spielen. Indexfonds wachsen vor allem dort, wo die herkömmliche, sprich: provisionsbasierte, Finanzberatung unter Druck gerät. In den Niederlanden und Großbritannien greifen inzwischen Provisionsverbote, und in der Schweiz haben wiederholte anlegerfreundliche Urteile des Bundesgerichts zur Herausgabepflicht von Retrozessionen ein Umdenken bei den Banken bewirkt. Kein Zufall, dass in allen drei Ländern Indexfonds hohe Wachstumsraten in den Retail-Vertriebskanälen verzeichnen.

Der zweite Teil der PWC-Umfrage betrifft die Produkte der Zukunft. Hier sind drei Kategorien zu unterscheiden. In erster Linie bilden ETFs bekannte Marktbarometer wie den DAX 30, SMI oder S&P 500 ab. Hier liegt der Großteil der Kundengelder. Doch die Industrie setzt große Hoffnungen auf zwei weitere Produktgattungen, die einen neuen Typ von Indexfonds darstellen: ETFs mit mehr oder weniger aktiven Komponenten. 46% der befragten ETF-Entscheider sehen so genannte Smart Beta Produkte („neue Typen der Indexierung“) als wichtigste Innovationsquelle (wir bei Morningstar verwenden den Begriff „Strategic Beta“). 34% der Befragten, und hier handelt es sich überwiegend um US-Firmen, sehen in aktiv verwalteten ETFs eine wichtige Innovationsquelle. Die Verpackung alternativer Investments wird von 29% der Befragten hervorgehoben, und von den Emittenten konstruierte Indizes werden von 14% genannt.

Grafik: Die wichtigsten Index-Innovationsfelder gemäß ETF-Entscheider

Die Produktinnovationen verlangen nach etwas mehr Hintergrund. Die von den meisten Befragten genannten „neuen Typen der Indexierung“ sind nicht wirklich neu. Bei Strategic Beta Produkten handelt sich um ETFs, deren Indizes nach anderen Regeln als denen der Markt- bzw. Schuldenkapitalisierung berechnet werden. Dividenden-ETFs, deren Indizes zumeist nach der Dividendenrendite und nicht nach der Marktkapitalisierung der Unternehmen gewichtet sind, gibt es in Europa schon seit rund zehn Jahren und machen das Gros des Vermögens dieser regelbasierten Produkte aus.

Die am zweithäufigsten genannten Innovationen sind aktive ETFs. Seitdem die US-Aufsichtsbehörde SEC im November 2014 der Fondsgesellschaft Eaton Vance prinzipiell grünes Licht für einen aktiv verwalteten Fonds im ETF-Mantel signalisiert hat, der nur eingeschränkt transparent sein muss (das Portfolio muss nicht täglich veröffentlicht werden), sind US Asset Manager offenbar sehr optimistisch für diese Art von ETFs gestimmt. Sie sind de facto aktiv verwaltete Fonds, die über einen anderen Vertriebsweg – die Börse – an den Anleger oder die Anlegerin gebracht werden. Laut PWC befinden sich vor allem in den USA einige Fondsanbieter in den Startlöchern, um aktive ETFs auf den Markt zu bringen.

Wir wollen diese Zukunftsvisionen der ETF-Branche in einer kleinen Übersicht unter die Lupe nehmen – lesen Sie hier weiter.

 

Facebook Twitter LinkedIn

Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich