Wichtige Risikokennzahlen für Anleger erklärt: Nutzen und Fallstricke

Ohne Risiko geht es nicht. Wir geben Fondsinvestoren einen Überblick über die verschiedenen quantitativen Risikokennziffern, was sie aussagen – und was nicht. Erster Teil: Wissenswertes zu Standardabweichung & Co.

Natalia Wolfstetter 22.09.2014
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Wie lässt sich das Risiko eines Fondsinvestments messen? Investoren greifen hier auf einige häufig verwendete Kennzahlen zurück, wozu die Standardabweichung, der maximale Verlust, Sharpe Ratio, Information Ratio, Upside und Downside Capture Ratio oder Beta zählen. Keine ist für sich genommen perfekt, doch in Kombination können sie wertvolle Informationen zum Risikoprofil eines Fonds liefern. Für ein möglichst aussagekräftiges Bild kommen Anleger allerdings nicht darum herum, möglichst lange Zeiträume zu betrachten und verschiedene Zeiträume miteinander zu vergleichen. Und nicht zuletzt gilt: Die Zahlen der Vergangenheit sind ein Anhaltspunkt dafür, wie sich ein Fonds in Zukunft verhalten könnte, aber keine Garantie! Beispielsweise können Manager- oder Strategiewechsel dazu führen, dass sich das Profil eines Fonds stark verändert, ohne dass sich diese Änderungen notwendigerweise in den quantitativen Risikokennzahlen niederschlagen müssten.

Wir erläutern im Folgenden die gängigsten Risikokennzahlen und wie sich diese interpretieren lassen:

Standardabweichung (Volatilität)

Die Standardabweichung ist ein Maß für die Schwankungsanfälligkeit eines Investments. Sie misst für den gewählten Zeitraum die Schwankungsbreite der Fondsrenditen um den Mittelwert. Ein schwankungsintensiver Fonds weist im Zeitablauf eine sehr große Abweichung seiner Renditen vom Mittelwert (nach oben und unten) und damit eine hohe Standardabweichung auf. Dabei werden Abweichungen nach oben und unten, d.h. Gewinn- und Verlustrisiken, gleich behandelt. Dies berücksichtigt nicht, dass viele Anleger Verluste stärker empfinden als Gewinne.

Auf der Morningstar Webseite wird die Standardabweichung i.d.R. für den  Zeitraum der letzten drei Jahren ausgewiesen. Sie basiert auf den Monatsrenditen eines Fonds und wird annualisiert dargestellt. (Die Standardabweichung lässt sich natürlich auch für andere Zeiträume und mit Tages- oder Wochenrenditen errechnen.) 

Wie interpretiert man diese Kennzahl? Vergleicht man die Standardabweichungen unterschiedlicher Anlageklassen, so fällt z.B. auf, dass Aktien i.d.R. stärker schwanken als Anleihen. Auf der Aktienseite wiederum sind Branchenfonds meist volatiler als Regionenfonds. Im Anleihensegment weisen Anleihen hoher Bonität geringere Schwankungen auf als hochverzinsliche Anleihenportfolios usw. Konzentriert man sich nur auf eine Anlagekategorie, beispielsweise globale Aktien, so finden sich auch darin vergleichsweise schwankungsarme Fonds neben eher volatilen Kategoriemitgliedern. 

Risikoscheue Investoren werden Fonds mit einer geringeren Standardabweichung bevorzugen, zumal volatilere Fonds nicht einfach zu handhaben sind. Sie machen es Anlegern schwer, ein Investment auch in schwierigen Zeiten durchzustehen und können sie dazu verführen, zu den falschen Zeitpunkten ein- und auszusteigen. Darauf deuten auch unsere Berechnungen zur Anlegerrendite hin (mehr dazu hier). 

Anleger sollten jedoch beachten, dass sich die Standardabweichung eines Fonds sowohl aus absoluter Sicht als auch relativ gesehen (d.h. im Vergleich zu Wettbewerbern) ändern kann. Dies hängt vom breiten Marktumfeld und der (künftigen) Anlagepolitik eines Fonds ab. Daher gibt es keine festen Grenzwerte, ab denen eine bestimmte Standardabweichung gut oder schlecht ist. Es kommt immer auf den Vergleich mit dem Durchschnitt anderer relevanter Fonds an (z.B. Kategoriedurchschnitt), um zu erkennen, ob ein Fonds in einem bestimmten Zeitraum eher der Norm entspricht oder ein Ausreißer ist. 

Die folgende Graphik zeigt für die letzten fünf Jahre die rollierende 12-Monats-Volatilität von drei Beispielfonds aus der Kategorie ‚Aktien Europa Standardwerte Blend‘, deren annualisierte 5-Jahresrendite nahe am Kategoriedurchschnitt lag, die sich in ihrer Volatilität aber mehr oder weniger deutlich unterscheiden. Die Volatilität hat sich dabei im Zeitablauf verändert und ist aktuell recht deutlich zusammengelaufen. Hätte man den blauen Fonds bspw. vor einem Jahr betrachtet, wäre er sehr aufgefallen und hätte Anlass zu Fragen gegeben. Aktuell ist dies weniger augenscheinlich. Tatsächlich zeigt ein genauerer Blick auf den Fonds die starke Sektorkonzentration im Portfolio, die sich aber nicht in jedem Marktumfeld in der Volatilität niederschlägt. Dies zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, verschiedene Zeiträume zu betrachten:

Grafik: Die Volatilität gestern und heute anhand einiger Beispielfonds

(Der Kategoriedurchschnitt ist in der Graphik rot eingezeichnet.)

Hohe Volatilität = schlecht, niedrige Volatilität = gut?

Betrachtet man die Volatilität des Gesamtmarktes im historischen Kontext (anstelle des Vergleichs der Volatilitäten verschiedener Fonds), so kann sich diese Gleichung auch umdrehen: Das Marktumfeld im laufenden Jahr, das durch niedrige Volatilitäten geprägt ist, könnte Anleger in Sicherheit wiegen, zumal es dazu beiträgt, dass ehemals überdurchschnittlich volatile Fonds als eher harmlos erscheinen. In der Historie war aber im Vorfeld von großen Krisen häufig eine stark rückläufige Volatilität zu beobachten. Nimmt man diese zum Maßstab, dann wäre eine niedrige Volatilität nicht als Indikator für geringes Risiko zu werten, sondern würde im Gegenteil ein hohes Risiko signalisieren. Im Umkehrschluss ließe sich eine hohe Volatilität auch als Kaufsignal interpretieren.

Morningstar Risk

Auch die Kennzahl Morningstar Risk misst die Schwankungsintensität eines Fonds, legt im Gegensatz zur Standardabweichung aber mehr Gewicht auf negative Abweichungen (Verluste). Sie berücksichtigt, dass viele Anleger risikoavers sind und einen wahrscheinlichen Verlust mehr fürchten als einen unerwartet hohen Gewinn. Je nachdem wie sich ein Fonds anhand des Morningstar Risk in seiner Kategorie platziert, wird das Morningstar Risk als hoch (die risikoreichsten 10%), überdurchschnittlich (die folgenden 22,5%), durchschnittlich (die mittleren 35%), unterdurchschnittlich (die folgenden 22,5%) und niedrig (die risikoärmsten 10% einer Kategorie) angezeigt. Diese Kennzahl eignet sich daher weniger zum Vergleich von Fonds, die sich in unterschiedlichen Kategorie befinden: Ein Anleihenfonds mit hohem Morningstar Risk kann dennoch weniger volatil sein als ein Aktienfonds mit niedrigem Morningstar Risk. 

Das Morningstar Risk spielt auch für die Berechnung des Sterne-Ratings eine Rolle. Ausführliche Informationen dazu finden Sie in englischer Sprache hier.

Maximaler Verlust (Maximum Drawdown) 

Der maximale Verlust misst das Verlustrisiko in einem Zeitraum und beruht auf der Differenz zwischen dem Höchststand und einen darauf folgenden Tiefstand innerhalb der betrachteten Periode. Er wird üblicherweise als prozentuale Differenz zwischen dem Höchst- und Tiefstkurs dargestellt. Je höher der maximale Verlust (verglichen mit einem Index oder anderen Fonds), als desto risikoreicher wird das Investment angesehen. 

Die Höhe des maximalen Verlusts hängt vom betrachteten Zeitraum und den verwendeten Renditen ab. Verwendet man für denselben Zeitraum Tages- statt Monatsrenditen, kann der maximale Verlust unterschiedlich ausfallen. 

Die folgende Graphik zeigt den maximalen Verlust des MSCI World (stellvertretend für den globalen Aktienmarkt) in rollierenden 3-Jahres-Zeiträumen basierend auf Monatsrenditen. Blickt man auf die letzten zehn Jahre zurück, betrug der maximale Verlust in einem 3-Jahreszeitraum bis zu 49%. Berücksichtigt man nur den vorangegangenen 3-Jahres-Zeitraum (09/2011 – 08/2014), belief sich der maximale Verlust auf lediglich knapp 3%. Es ist daher wichtig, für die Abschätzung potentieller Verluste einen längeren Zeitraum heranzuziehen.

Grafik: In Zeiten steigender Märkte sind Rücksetzer Mangelware

Upside und Downside Capture Ratio

Diese beiden Kennzahlen messen, inwieweit ein Fonds die Performance seiner Benchmark nachvollzieht. Die Upside Capture Ratio erfasst dabei die Performance relativ zum Index in Monaten, in denen der Index an Wert gewann. Die Downside Capture Ratio misst die Performance relativ zum Index in Monaten, in denen der Index Verluste erlitt. Idealerweise weist ein Fonds eine Upside Capture Ratio von mehr als 100 auf (d.h. er legt im Aufwärtstrend mehr zu als die Benchmark) und eine Downside Capture Ratio unter 100 (d.h. er verliert in Abwärtstrends weniger als die Benchmark). Allerdings ist solch eine Kombination eher selten. Fonds mit einer hohen Upside Capture Ratio neigen dazu, auch eine höhere Downside Capture Ratio zu zeigen und umgekehrt. Im ungünstigsten Fall nehmen sie mehr Verluste mit als die Benchmark und partizipieren in geringerem Maß an Aufwärtstrends. 

In einem zweiten Artikel betrachten wir risikobereinigte Performancekennzahlen. Lesen Sie mehr dazu hier.

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Über den Autor

Natalia Wolfstetter  ist Director Fund Analysis bei Morningstar