Der Weg zum optimalen Portfolio: Die Tücken der Einmalanlage

Unsere Serie über Wege und Umwege zur Portfolio-Konstruktion startet mit der traurigen Geschichte vom Aktien-Terminator.

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Für „Aktien Terminator“ war es eine klare Sache: „Jungs, darauf hab ich jahrelang gewartet: MEIN IDOL, der NORDINTERNET ist wieder da, das Comeback des Jahres oder sogar Jahrzehntes !!“

Dieser euphorische Kommentar aus einem Internetforum zum Pionier unter den Internetfonds, dem Nordinvest Nordinternet, aus dem Jahr 2004 sagt viel über Anlegerdenke und Anlegermentalitäten aus. Es war einer der typischen Kommentare für die damalige Zeit: Die Internetblase war zwar mit reichlich viel Getöse bereits vier Jahre zuvor geplatzt. Aber auch wenn viel Geld verbrannt worden war, konnten sich viele Anleger nicht mit dem Ende der Dot-Com-Party abfinden, frei nach dem Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Viele wollten damals schlicht nicht wahrhaben, dass sie mit ihrer Kaufentscheidung auf dem Höhepunkt der Internet-Hype danebengelegen hatten. Der Grund ist einfach: Anleger klammern sich wider besseres Wissen an einmal getroffene Entscheidungen und halten Verlustbringer deshalb typischerweise viel zu lange im Depot.

Wir haben die Gründe für derartiges Verhalten in unserer Serie zur Anlegerpsychologie bereits erläutert. 1949 prägte Benjamin Graham den Spruch: „Der schlimmste Feind des Investors ist wahrscheinlich er selbst“. Anleger neigen zur Selbstüberschätzung. Sie resultiert daraus, dass Informationen asymmetrisch verarbeitet werden. Informationen, die der Einschätzung des Anlegers entsprechen, werden stärker gewichtet als solche, die der einmal getroffenen Anlageentscheidung widersprechen. Darüber hinaus identifizieren sie sich - viel zu stark - mit ihren Anlageentscheidungen bzw den von ihnen gekauften Fonds (lesen Sie mehr hier zur Serie der typischen Anlegerfehler).

Wir wollen uns nun in der Serie „Der Weg zum optimalen Portfolio“ exemplarisch anhand konkreter Beispiele den praktischen Fragen nach der Portfolio-Konstruktion und Asset Allocation widmen. Wir wollen hypothetische Investments tätigen und nachvollziehen, wie sich diese fiktiven Anlageentscheidungen über die Zeit entwickelt haben. Wir haben dabei keinen wissenschaftlichen Anspruch, sondern wollen nur illustrieren, welche Pfade Anleger beschreiten können - und was ihnen bzw ihren Portfolios dabei blüht. Es geht in unserer Serie, die wir in lockerer Reihenfolge hier auf der Morningstar-Website veröffentlichen, um die drängenden Fragen der Investorenschaft: Wie konstruiere ich robuste Portfolios, die keine permanente Feinsteuerung brauchen? Wie optimiere ich meine Rendite, und wie schütze ich mein Geld langfristig vor den Stürmen an den Märkten? Wie entwickeln sich Buy-and-Hold-Ansätze, wie lässt man den Cost-Average-Effekt für sich arbeiten? Wie sollte man Sparpläne optimal aufsetzen? Bedeuten hoch volatile Fonds mehr Ertrag oder mehr Verlustrisiken. Und schließlich die Frage, die die Branche der Vermögensverwalter derzeit in Aufruhr versetzt und zunehmend auch Anleger elektrisiert: Sind ETFs die besseren Fonds?

Wir lassen es zum Start gemächlich angehen und fragen, welche Chancen und Risiken eine Einmalanlage mit sich bringt. Dabei lassen wir die Welt der annualisierten Renditen hinter uns. Sie sagt wenig über die tatsächliche Entwicklung einer Kapitalanlage aus. Wir wollen nachrechnen - nach Heller und Pfennig.

Wir kommen auf den eingangs erwähnten Aktien-Terminator zurück und analysieren sein Anlageverhalten. Wir wollen uns zunächst näher ansehen, was sich hinter dem „Comeback des Jahres“ verbirgt: Der seinerzeit von Fondsmanager Volker Kuhnwaldt verwaltete Aktienfonds, der in Internetwerte investiert, hatte tatsächlich ein furioses Jahr hinter sich. 2003 legte der Fonds um 41,9% zu. 2004 waren es auch noch ordentliche 9,2%.

Doch das vermeintliche Comeback war viel weniger beeindruckend, wenn man sich die Entwicklung davor ansieht. Nehmen wir an, dass unser Aktien-Terminator im April 2000 den sagenhaften Kurschancen des Neuen Markts nicht mehr wiederstehen konnte. Nachdem ihm Nachbaren und Freunde mehrere Jahre in schillernden Farben von sagenhaften Gewinnen vorgeschwärmt haben, fasst er sich ein Herz und investiert den Gegenwert von heute 10.000 Euro in den Nordinternet (abzüglich Ausgabeaufschlag von 500 Euro).

Vom 1. April bis Ende des Jahres 2000 verlor der Fonds sage und schreibe 61,5%. Im Folgejahr brach er um 72,2% ein um 2002 noch einmal um 54,5% zu fallen. Anfang 2003 belief sich der Wert der Fondsanteile nur noch auf den Gegenwert von 466 Euro. Auch nach der beeindruckenden Tech-Rally von 2003 und 2004 stieg der Wert der Fondsanteile bis Anfang 2005 auf nur 722 Euro.

Doch ungeachtet der geäußerten Euphorie ist Aktien-Terminator skeptisch: Ungeachtet der extrem hohen Verluste will er glauben, dass es wieder aufwärts geht. Er beschließt, dem Fonds noch eine Chance zu geben. Und tatsächlich: 2005 legt der Nordinternet zum dritten Jahr in Folge zu, und zwar um 22,59%. Unser Anleger hat Anfang 2006 nunmehr ein Fondsguthaben von 885 Euro. Das entspricht gerade einmal 8,85% des ursprünglich eingesetzten Kapitals - nicht inflationsbereinigt, wohlgemerkt. Aber er ist sicher: Die Strategie des Fonds, vor allem in große Unternehmen wie Amazon, Ebay, Yahoo und Google zu investieren, die als Gewinner der Internet-Konsolidierung mittlerweile feststehen, wird Erfolg bringen. Anlegermagazine, die Kuhnwaldt und seinen Fonds 2005 wieder hochleben lassen, bestärken ihn in seiner Entscheidung - der Fonds kommt wieder!

Acht Jahre nach dem Crash. Und er kam nicht wieder.

Das letzte Kapitel des Investments ist schnell erzählt. Auf einen Verlust von 10,9% im Jahr 2006 folgt ein mieses Jahr 2007 mit minus 8,95 %, bevor der Nordinternet 2008 um 44,8% abstürzt. Ende 2008 verbleiben 396 Euro. Auch nach der Erholung von 2009 bis 2011 erreicht das Fondsvermögen zum Jahreswechsel nur 810 Euro. Binnen weniger als 8 Jahren schrumpfte ein ansehnliches Vermögen von 10.000 Euro auf unter 1.000 Euro zusammen.

Das Beispiel des Nordinvest Nordinternet ist zugegebenermaßen extrem, dürfte sich aber in der Realität durchaus ereignet haben. Das zeigt ein Überblick über das Kaufverhalten der Anleger in den Nordinvest Nordinternet. Unsere Tabelle setzt die Entwicklung des Fondsvermögens (zweite Spalte von links, in tausend Euro) in Bezug zu den Mittelzuflüssen und den jährlichen Renditen.

Was vom Euro übrig blieb: Fondsvermögen, Mittelzuflüsse und Performance des Nordinternet

Mittelflüsse in tausend Euro, Quellen: BVI, Morningstar Direct

Aus der oberen Tabelle geht hervor, dass Anleger vor allem die Vergangenheitsentwicklung gekauft haben: Mit 163,9 Millionen Euro war der Fonds Ende 1998 noch recht klein. Erst im Laufe des Jahres 1999 stiegen viele ein. Längst nicht alle Anleger dürften also die phantastische Performance von 224% 1999 mitgenommen haben; umso mehr saßen allerdings die hohen Verluste 2000 und 2001 aus. Die Mittelfluss-Statistik zeigt, dass die Geldströme erst im Jahr 2002 abrissen und dann auch nur zaghaft Abflüsse einsetzten - zu einer Zeit, in der die 10.000 Euro per Ende März 2000 auf 466 Euro zusammengeschmolzen waren. Auch wenn die Renditen ab 2003 anzogen, war das große Anlegergeld bereits im wahrsten Sinne des Wortes verpufft. Heute dümpelt das einstige Flaggschiff der Internet-Fonds bei einem Volumen von rund 16 Millonen Euro dahin.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Es geht uns hier nicht darum, einen Einzelfall zu kritisieren: Der Nordinvest Nordinternet steht stellvertretend für viele Fonds, hinter denen eine "heiße" Story steht. Und heiße Stories tun Anlegern selten gut. Ein weiteres Beispiel hierfür sind die Aktienfonds für japanische Nebenwerte. Wer von der schon fast grotesken Performance von 550% des Invesco Japan Small & Mid Cap Equities im Jahr 1999 angelockt wurde, musste im Jahr darauf einen Verlust von 60% hinnehmen. Von Anfang 2000 investierten 10.000 Euro blieben per Ende 2011 bei einer Buy-and-Hold-Strategie gerade einmal 2.679 Euro übrig. Auch global anlegende Aktienfonds mit breiterem Anlagefokus, wie der Capital International Global Equity oder der FT GlobalDynamik waren kurz nach der Jahrtausendwende keine gute Wahl für Einmalanlagen und Buy-and-hold-Strategien.

Es gibt natürlich manigfaltige Gegenbeispiele. Wer etwa bei japanischen Nebenwerten nicht im Jahr 200, sondern Anfang 1999 eingestiegen war, konnte bei einer Anlagesumme von 10.000 per Ende 2011 sich über 18.741 Euro freuen (findige Rechner werden bereits ermittelt haben, dass Ende 1999 aus 10.000 Euro gut 65.000 Euro gewoden waren).

Auch ETFs wie der iShares Euro Stoxx Technology (DE) waren kurz nach der Jahrtausendwende keine gute Wahl für Einmalanlagen und Buy-and-Hold-Strategien. 

 

 

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Über den Autor

Morningstar Europe Editor  .