„Die Gefahr eines Meltdowns ist größer geworden“

Ein Interview mit Gerald Kichler, Fondsmanager des Aktienfonds FvS Aktien Global.

Ali Masarwah 12.03.2012
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Herr Kichler, das Haus Flossbach von Storch ist bekannt dafür, in Vermögensverwaltungsmandaten Sachwerte wie Immobilien und Edelmetalle hoch zu gewichten. Wie setzen Sie das in einem reinen Aktienportfolio wie dem FvS Aktien Global um?

Zunächst einmal sind Aktien Sachwerte par excellence, die Schutz vor Inflation bieten. Zum anderen setzen wir das Gold-Thema über Goldminen-Aktien um. Barrick Gold ist etwa mit gut drei Prozent einer der Top-Werte im Flossbach von Storch Aktien Global. Bei Immobilien wird es dann tatsächlich etwas schwieriger mit der Umsetzung, wobei wir den Umweg über Immobiliengesellschaften nehmen. TAG Immobilien, die auf deutsche Wohnimmobilien setzt, ist mit einer Position von rund 3% ebenfalls hoch gewichtet.

Diese defensive Orientierung macht sich auch in der Performance bemerkbar. In der Baisse 2008 bis Frühjahr 2009 lagen Sie weit vorne in den Performance-Rankings, im dritten und vierten Quartal 2011 ebenfalls. Spiegelbildlich dazu lag der Fonds in den Hausse-Phasen 2009 bis 2011 und auch im laufenden Jahr weit hinten. Ist das eine logische Folge Ihrer Strategie? 

Ja und nein. Grundsätzlich lautet unser Postulat, nur in Unternehmen mit hoher Qualität zu investieren. Wir mögen hohe Margen, Wettbewerbsvorteile und Alleinstellungsmerkmale gegenüber Konkurrenten und langfristige Gewinnpotenziale. Unser Stockpicking hat uns durchaus auch in Hausse-Phasen zu Outperformance verholfen, etwa ab 2003. Allerdings bringt dieser Ansatz mit sich, in manchen Sektoren nicht vertreten zu sein. 2009 und im Herbst 2011 hat es uns geholfen, keine Finanzaktien zu halten. Ab Frühjahr 2009 und in den ersten beiden Monaten dieses Jahres haben dagegen Financials die Rally angeführt, und da waren wir nicht mit von der Partie. Wenn die Commerzbank-Aktie von 1,12 Euro auf über 2 Euro steigt, dann ist das fast eine Verdoppelung. Da sehen wir natürlich schlecht aus. Aber ich würde das langfristig sehen. Mit der jüngsten Erholung der Commerzbank-Aktie wurde der Verlust, den Anleger seit Mitte 2008 gemacht haben, nur von  94 auf  91% reduziert.

Ihre Underperformance 2012 ist also nur auf eine Junk-Rally zurückzuführen?

Nur zum Teil. Ich muss gestehen, dass wir die zyklische Rally nicht erwartet haben und in diesen Sektoren nicht investiert waren. Insofern haben wir 2012 einen Fehlstart hingelegt. Im Dezember sind wir, wie viele andere Vermögensverwalter auch, mit folgendem Konsensbild in das neue Jahr gestartet: Europa rutscht wegen der Sparpakete in die Rezession, und von den USA kann man wegen der Krise am Häuser- und Arbeitsmarkt nicht viel erwarten. Dass alle Frühindikatoren im Januar anziehen würden, haben wir nicht erwartet. Die Folgen für die Zykliker waren beachtlich: BMW hat beispielsweise rund 40% in  5 Wochen zugelegt.

Haben sie seitdem Ihr Portfolio zyklischer ausgerichtet?

Nein, das geben die Bewertungen inzwischen nicht mehr her. Wir mögen zwar durchaus qualitativ gute Zykliker wie zum Beispiel BASF, aber die Bewertungen müssen stimmen. Eine Daimler halte ich bei einem Kurs von 40 Euro (Kurs am 8.3.2012: 45,50 Euro) für attraktiv. Wir haben wegen der veränderten Marktlage allerdings seit Anfang Januar die Aktienabsicherung, die 10% des Fondsvermögens gebunden hatte, aufgelöst. Die Investitionsquote im Flossbach von Storch Aktien Global liegt heute bei knapp über 90%. Die letzten 10% werden wir dann investieren, wenn sich bei Einzeltiteln die passenden Gelegenheiten ergeben oder es uns der Markt erlaubt, zu günstigeren Kursen neue Positionen aufzubauen. Gekauft haben wir zuletzt Qualitätstitel wie Ahold, Oracle und Qiagen.

Die Gewichtungen dieser Aktien sind in ihrem Fonds heute noch gering. Können Sie uns ein Beispiel für einen Ihrer favorisierten Qualitätstitel nennen?

Nehmen wir das Beispiel Nestle. Hier beträgt die Dividendenrendite derzeit ca. 3,4%, was im Vergleich zu der Rendite einer 10 jährigen deutschen Bundesanleihe von ca. 1,8% sehr attraktiv erscheint. Sollten die Aktieninvestoren ihre Renditeerwartungen an eine Nestle-Aktie in den kommenden Monaten aufgrund des allgemeinen Anlagenotstandes sukzessive auf 2,75% reduzieren, ergibt sich für die Aktie ein Kursziel von 70 CHF bzw. ein Kursteigerungspotenzial von ca. 25%. Genau von einer solchen Multiple-Expansion für qualitativ gute Unternehmen gehen wir aus.

Wir haben 2012 eher eine V-förmige Erholung an den Aktienmärkten gesehen. Die Verluste des vierten Quartals 2011 wurden weitgehend ausgeglichen. Wie sieht Ihr mittelfristiges Szenario aus?

Ungeachtet der Aktienkurserholung glauben wir  nicht, dass wir vor einer globalen Wachstumsphase stehen und sehen daher das weitere Gewinnsteigerungspotenzial vieler Unternehmen nach dem sehr starken Jahr 2011 als eher begrenzt an. Allerdings befinden wir uns heute in einem äußerst ungewöhnlichen monetärem Umfeld. Die Fed wird die Zinsen bis 2014 bei null belassen, die EZB hat ihre geldpolitschen Prinzipien über Bord geworfen und auf indirekte Weise massiv die Defizite in Italien und Spanien finanziert und auch die englische und japanische Notenbank drucken in einem bis dato beispiellosem Umfang neues Geld. Wenn die Zinsen langfristig nahe null bleiben und die Liquidität in den Markt strömt, dann profitieren die Aktienmärkte. Daher sind wir für Aktien auf mittlere Sicht grundsätzlich positiv gestimmt, aber das liegt an der üppigen Liquiditätsversorgung durch die Zentralbanken, nicht an der Stärke der Weltwirtschaft.  

Sollte die Liquiditätshausse fortdauern, dann bedeutet das, dass Sie eher im Nachteil sein werden, da Sie nur Qualitätstitel halten und auch nicht bei Zyklikern auf den heutigen Niveaus einsteigen werden.

Das könnte sein, aber das liegt in der Natur unseres Ansatzes. Einerseits müssen wir uns zwar am MSCI Welt messen lassen, aber wir haben keinen Benchmark-Ansatz, wir denken nicht in der Kategorie von Unter- und Übergewichtungen. Wir suchen solide Unternehmen mit hohen Cashflow-Renditen und Wettbewerbsvorteilen, die sich aus dem Geschäftsmodell ergeben. Diese defensive Spielart ist die rote Linie, die sich durch unsere Fonds zieht.

Mir ist aber noch nicht klar, wie Sie den Wiedereinstieg in den Markt finden wollen.

Das große Bild sieht doch folgendermaßen aus. Die Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft sind nicht nur nach wie vor vorhanden, sondern sind in den vergangenen Monaten sogar noch größer geworden. Die Liquiditätsschwemme hat diese Tatsache nur übertüncht. Erinnern Sie sich an die Situation im Sommer 2011. Als die Bonds von Italien und Spanien in die Schusslinie geraten sind, ist die Stimmung Ende Juli gekippt, und die Märkte in Europa haben in nur neun Handelstagen 20% verloren. Eine ähnliche Entwicklung würde ich auch für dieses Jahr nicht völlig ausschließen wollen. Wenn sich die Situation des letzten Sommers wiederholt und Zweifel an der finanziellen Stabilität Italiens und Spaniens wiederkehren, dann wird die Lage der Banken noch viel prekärer sein als 2011. Die Banken der Euro-Südstaaten haben heute noch viel mehr Staatsanleihen in ihren Büchern, und das macht die Gefahr eines Meltdowns noch größer. Die Fat Tail-Risiken sind insofern seit dem Herbst 2011 gewachsen. Deshalb ist die Qualität eines Portfolios von entscheidender Bedeutung. Das hilft in größeren Korrekturphasen, den Draw-down beim Fonds einzugrenzen.

 

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich