Nachhaltigkeits-Initiativen bleiben auch in Coronavirus-Zeiten in der Spur

Auch wenn das Coronavirus die Schlagzeilen dominiert, schreitet die EU forsch voran, um ihre Initiativen für nachhaltige Finanzen zu flankieren. Auch auf nationaler Ebene gewinnen ESG-Initiativen an Fahrt. Ein Update zum aktuellen Stand der ESG-Regulierung in Europa.

Ali Masarwah 21.05.2020
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Auch in Zeiten des Coronavirus treibt die Europäische Union ihre Initiativen für nachhaltige Finanzen voran. Damit sich der Eindruck nicht verfestigt, dass die Bekämpfung von Covid-19 den öffentlichen Sektor in allen anderen Lebenslagen lahmgelegt hat, wollen wir hier eine Zusammenfassung der in diesem Jahr von der EU vorangetriebenen Nachhaltigkeits-Initiativen skizzieren. 

Im Zuge der Erneuerten Nachhaltigen Finanzstrategie („Renewed Sustainable Finance Strategy“) hat die Europäische Kommission zu einer breit angelegten öffentlichen Konsultationsrunde eingeladen. Die erneuerte Strategie, die in dem im Dezember 2019 veröffentlichten "Green Deal" angekündigt wurde, wird auf den zehn Maßnahmen aufbauen, die im 2018 veröffentlichten Aktionsplan für nachhaltige Finanzen festgelegt wurden und darauf abzielen, privates Kapital in nachhaltige Investitionen zu lenken, um den Umbau der Wirtschaft in der EU voranzutreiben. Die Antworten auf die im Konsultationspapier formulierten Fragen sollen bis zum 15. Juli dieses Jahres vorliegen. 

Die EU-Kommission vertritt die Meinung, dass eine umfassendere und ehrgeizigere Strategie für nachhaltige Finanzen erforderlich ist, da zwar bisher Fortschritte erzielt worden seien, der Übergang des Finanzsystems zur Finanzierung einer nachhaltigeren Wirtschaft jedoch nicht schnell genug von statten gehe. 

Die erneuerte Strategie für nachhaltiges Finanzwesen wird sich vor allem auf drei Bereiche konzentrieren: 

1. Die Grundlagen für nachhaltige Investitionen durch neue Rahmenbedingungen mit geeigneten Instrumenten und Strukturen zu stärken sowie die Konzentration von Finanz- und Nichtfinanzunternehmen auf kurzfristige Finanzziele abzubauen; 

2. Den regulatorischen Rahmen so zu stecken, dass sich „grüne Geldanlagen“ positiv für Bürger, Finanzinstitutionen und Unternehmen auswirken; 

3. Das Exposure gegenüber Klima- und Umweltrisiken zu reduzieren und die "Ökologisierung der Finanzen" voranzutreiben. 

EU-Aktionsplan für nachhaltige Finanzen 

Unterdessen arbeitet die Kommission weiter zügig an der Umsetzung des Aktionsplans für nachhaltige Finanzen. Im März veröffentlichte ihre Technische Expertengruppe (TEG) endgültige Empfehlungen zur Taxonomie für nachhaltige Geldanlagen und präsentierte einen Leitfaden für Benutzer, wie die ESG-Offenlegungspraxis bei Unternehmen und Finanzinstitutionen aussehen soll. Der Bericht wird durch einen technischen Anhang ergänzt, der eine aktualisierte Liste technischer Screening-Kriterien für wirtschaftliche Aktivitäten enthält, die wesentlich zur Minderung des Klimawandels oder zur Anpassung an den Klimawandel beitragen können. 

(Zum Thema Klima hat Morningstar zwei neue Research-Berichte veröffentlicht, die im Laufe der ESG-Themenwoche näher erläutert werden: Der erste, „Investing in Times of Climate Change“, befasst sich mit den verschiedenen Spielarten von Klimafonds, die in Europa vertrieben werden und der Rolle, die sie in den Portfolios der Anleger spielen können; der zweite Bericht befasst sich mit dem Themenkomplex „Stewardship und Engagement“ und erläutert, ob und wie 20 große Vermögensverwalter das Thema Klimaschutz in ihrem Engagement mit Unternehmen, in die sie investieren, vorantreiben.) 

Im Anschluss an den Abschlussbericht der TEG werden die endgültigen Implementierungs-Standards ausgearbeitet, wobei das Ziel ist, die laufende Entwicklung und Pflege der Taxonomie von einer neuen EU-Plattform für nachhaltiges Finanzwesen überwachen zu lassen. 

Die Kommission veröffentlichte zudem ein Konsultationspapier über die Richtlinie zur nicht-finanziellen ESG-Berichterstattung (NFRD, non-Financial Reporting Directive) und eine weitere über die Offenlegung nachhaltiger finanzbezogener Daten (SFRD, Sustainable Finance Related Disclosures). 

Die NFRD regelt die Berichterstattung von Unternehmen (große börsennotierte Unternehmen, Banken und Versicherungen) zur Frage, wie sie mit sozialen und ökologischen Herausforderungen umgehen. Mit der Konsultation soll ermittelt werden, wie die Informationen klarer und vergleichbarer gemacht werden können und wie Unternehmen unnötige Kosten und Unsicherheiten bei der Entscheidung darüber, welche nichtfinanziellen Informationen zu berichten sind, reduzieren können. Die SFRD bezieht sich auf die Offenlegungspflichten für die Hersteller von Finanzprodukten und für den Finanzvertrieb. 

Darüber hinaus hat die EU die Entwürfe der delegierten Rechtsakte zur Benchmark-Verordnung veröffentlicht. Diese werden festlegen, was Index-Anbieter für jeden ihrer ESG-Indizes offenlegen müssen und welche Mindeststandards und Transparenzanforderungen sie erfüllen müssen, um entweder als EU Climate Transition- oder EU-Paris-konforme Benchmarks gekennzeichnet zu werden. 

(Die jüngste Bewertung des Morningstar Policy Research Teams zu diesem Plan kann hier nachgelesen werden.) 

ESMA-Strategie für nachhaltige Finanzen 

Die ESMA, die Europäische Wertpapier- und Marktaufsicht, hatte bereits im Februar ihre Strategie für nachhaltige Finanzen veröffentlicht, in der sie darlegt, wie sie ESG-Faktoren im gesamten Spektrum ihrer regulatorischen Aktivitäten zu berücksichtigen gedenkt. Diese umfassen die Arbeit am sogenannten Einheitlichen Regelwerk mit Standards und Transparenzverpflichtungen für Marktteilnehmer sowie die aufsichtliche Konvergenz und die Gewährleistung der konsistenten, effizienten und effektiven Anwendung der EU-Gesetzgebung in jedem EU-Mitgliedsland. Das Regelbuch soll zudem die Zuständigkeiten der direkten Aufsicht klären, am unmittelbarsten im Zusammenhang mit den Transparenzrichtlinien für Rating-Agenturen und mit Blick auf die Bestimmungen der Benchmark-Verordnung. 

IOSCO zur Rolle der Regulierer bei der Forcierung nachhaltiger Finanzen 

Nach einer Überprüfung der Einzelinitiativen von Aufsichtsbehörden und Marktteilnehmern hebt ein neuer Bericht der Meta-Aufsicht IOSCO (International Organization of Securities Commissions) drei wiederkehrende Themen und Problemfelder hervor, mit denen sich die IOSCO befassen wird: Die zahlreichen, voneinander teilweise abweichenden Aktivitäten der verschiedenen Regulierungsbehörden, insbesondere im Bereich der Offenlegungspflichten; das Fehlen gemeinsamer Definitionen nachhaltiger Aktivitäten; und drittens das Greenwashing als Herausforderung für den Anlegerschutz.

Auf der Grundlage ihrer Ergebnisse richtet die IOSCO eine Task Force für Nachhaltigkeit ein, mit dem Mandat, die Qualität entscheidungsrelevanter Informationen zur Nachhaltigkeit zu verbessern. Diese Task Force soll zudem die Koordination relevanter Regulierungs- und Aufsichtsansätze erleichtern und – last but not least - Fallstudien über die Transparenz und zu Fragen des Anlegerschutzes im Bereich der nachhaltigen Geldanlagen durchführen. Die Fallstudien sollen darauf abzielen, Transparenz und Vergleichbarkeit von Informationen von ESG-Datenanbietern zu schaffen, die Methoden und Governance der Credit- und ESG-Rating-Agenturen zu durchleuchten, die Praktiken und Erfahrungen von Vermögensverwaltern bei der Verwendung von Nachhaltigkeitsfaktoren bei Anlageentscheidungen zu erfassen sowie die Risiken des Greenwashing zu analysieren.

Offenlegungs-Richtlinien in Frankreich

Auf der Ebene der einzelnen Länder sind zunächst die Maßnahmen in Frankreich zu erwähnen. Die französische Regulierungsbehörde, Autorite des Marches Financiers (AMF), veröffentlichte neue Anforderungen an Vermögensverwalter, die Investmentfonds in Frankreich vermarkten. Ihre Bestimmungen gelten mit sofortiger Wirkung für neue und bestehende Fonds und soll Eingang in die „Key Investor Information Documents“ (KIID) und in den Marketing-Materialien ab dem 30. November 2020 finden. Die Erneuerung der Prospekte ist für den 10. März 2021 terminiert.

Ziel der AMF ist es durchzusetzen, dass die Informationen über die Berücksichtigung nicht-finanzieller (ESG) Kriterien durch einen Fonds in einem angemessenen Verhältnis zu den tatsächlichen Zielen und effektiven Auswirkungen stehen müssen. In der Praxis heißt das, dass Fondsanbieter einen Fonds nur in den offiziellen Dokumenten (KIID) oder in Marketing-Materialien als ESG-Fonds mit „Nicht-finanziellen-Zielen“ deklarieren dürfen, wenn sie „signifikante und messbare Ziele“ für die Erfüllung dieser Ziele vorgeben.

Transparenz-Berichterstattung in Großbritannien und Deutschland

Die britische Aufsichtsbehörde FCA berät über neue „Comply-or-explain“-Regeln für Vermögensverwalter, die darüber entscheiden, ob der Asset Owner die Transparenzrichtlinien der Expertenkommission „Task Force on Climate-related Financial Disclosures“ (TCFD) einhält. Die Vorschläge kommen im Kontext der von der britischen Regierung beschlossenen „Green Finance Strategy“, nach der börsennotierte sowie große Vermögenverwalter bis 2022 den Empfehlungen des TCFD folgen sollen.

In Deutschland hat der Sustainable Finance Beirat die Bundesregierung aufgefordert, eine Verordnung zu erlassen, die alle börsennotierten Unternehmen verpflichtet, bis 2022 in Übereinstimmung mit den TCFD-Empfehlungen Bericht zu erstatten.

Zudem hat der Beirat in seinem Zwischenbericht 53 Empfehlungen für den öffentlichen Sektor, die Realwirtschaft und die Finanzmarktteilnehmer in Deutschland vorgelegt. Der Beirat fordert eine Road Map, welche die zügige Umsteuerung der Wirtschaft in Etappen darlegen soll. Im September 2020 wird der endgültige Bericht des Nachhaltigkeitsbeirats der Bundesregierung erwartet.

Interessierte können den kostenlosen Newsletter International Regulatory Watch Newsletter (in englischer Sprache) hier abonnieren. 

 

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich