Das System Bernanke oder „viel hilft viel“

Von wegen vorweihnachtliche Ruhe: Die Bond-Märkte bleiben auch Ende Dezember in Bewegung. Inflationserwartungen in den USA steigen deutlich. Der Morningstar Bond-Bericht.

Dave Sekera, CFA 18.12.2012
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Von vorweihnachtlicher Ruhe kann keine Rede sein, wenn man sich die anstehenden volkswirtschaftlichen Daten vor Augen hält. Der Kalender ist bis zum Ende der Woche gut gefüllt. Vor allem der deutsche ifo-Index (am Mittwoch) sowie der Philadelphia-Index (Donnerstag) und die Auftragseingänge aus den USA (Freitag) dürften am Markt mit Interesse begutachtet werden. Zudem hält das Hin und Her über die Haushaltsdebatte in den USA die Börsianer auf Trab. 

Aber jenseits des tagesaktuellen Geschehens gab es in der vergangenen Woche auch Neuigkeiten, die lange nachhallen dürften. So hatte die US-Notenbank angekündigt, nach dem Ende des Konjunkturprogramms "Operation Twist" weiter Anleihen zu kaufen; die Fed wird jeden Monat langlaufende US-Staatsanleihen im Volumen von 45 Milliarden US-Dollar vom Markt nehmen.

Zudem machte die Fed klar: Ab jetzt bestimmen die Entwicklung am US-Arbeitsmarkt und die Inflationsrate, wann die Nullzinspolitik beendet wird: Sobald die Arbeitslosenquote unter 6,5 Prozent fällt oder die Prognose für die Inflationsrate unter 2,5 Prozent sinkt. Den aktuellen Projektionen der Fed zufolge dürfte die US-Arbeitslosenquote in der ersten Jahreshälfte 2015 dieses Ziel erreichen. Wenn bis dahin jeden Monat Staatsanleihen für 45 Milliarden Dollar und hypothekenbesicherte Anleihen für 40 Milliarden Dollar gekauft würden, hätten sich die Bestände der US-Notenbank um etwa 2,5 Billionen Dollar erhöht – fast das Doppelte der derzeitig ohnehin schon aufgeblähten Bilanzsumme! 

Der US-Immobilienmarkt soll weiter gestützt werden

Das Ziel Ben Bernankes ist klar: Der Immobilienmarkt soll weiter durch niedrige  Hypothekenzinsen gestützt werden. Dadurch würden sich die geldpolitischen Maßnahmen auch auf die Realwirtschaft auswirken, weil für viele Amerikaner ein Eigenheim wieder erschwinglich wird und die Hausbesitzer wieder mehr Geld zur Verfügung haben, da sie niedrigere Raten abzahlen müssen. Die Notenbank geht davon aus, dass sich die Immobilienpreise stabilisieren und die Banken wieder mehr Verbraucherkredite ausgeben werden. Die Stimmung der Verbraucher sollte sich mit Blick auf den steigenden Wert ihres Eigenheims bessern.

Soweit die Überlegungen der Notenbank. Geht der Plan auf, hätten wir in den USA sechseinhalb Jahre lang eine Nullzinspolitik erlebt. Mit einer Inflationsrate zwischen 1,5% und 2% waren die Realzinsen bis zur 10-jährigen Staatsanleihe negativ – was für die Sparer eine große finanzielle Bürde bedeutet.

Ein Aspekt in den Erklärungen der US-Notenbank wurde vielmals übersehen: Die niedrigeren Prognosen für das erwartete Wirtschaftswachstum. Denn im Vergleich zum Anfang des Jahres wurde die Schätzung für das amerikanische Bruttoinlandsprodukt 2012 vom Mittelwert von 2,5% auf 1,8% reduziert. Für die beiden kommenden Jahre wurde der Mittelwert um rund 0,4 Prozentpunkte auf 2,7% beziehungsweise 3,3% gesenkt.

Steigende Inflationserwartungen

Nach der Ankündigung der Fed, weiter Anleihen zu kaufen, stiegen die Inflationserwartungen des Marktes deutlich an. Unserer Meinung nach lassen sich die Inflationserwartungen am besten an der Differenz zwischen der erwartetem Inflations-Break-Even-Rate der fünfjährigen inflationsgeschützten und den fünfjährigen Staatsanleihen ablesen. Dieser Wert stieg nach dem Statement der US-Notenbank im Dezember auf 2,9%. Wenn wir uns nicht irren, ist das der höchste Stand seit es in den USA inflationsgeschützte Staatsanleihen gibt.

Die Rezession in der Eurozone greift auf Deutschland und Frankreich über
Und nicht nur die US-Notenbank hat ihre Wirtschaftsprognosen gekappt: Auch die Europäische Zentralbank reduzierte ihre Erwartungen. Wurde im September noch ein Plus von 0,5% für 2013 erwartet, steht nun ein Minus von 0,3% in den Projektionen der EZB. Die niedrigeren Erwartungen beruhen in erster Linie auf der jüngsten Abschwächung der deutschen und französischen Wirtschaft. Beide Länder machen zusammen etwa die Hälfte der Wirtschaftsleistung der Eurozone aus.

Lange galt Deutschland als Fels in der Brandung, doch auch hier mussten die Wachstumsprognosen zurückgenommen werden. So wird 2012 nur noch ein Plus von 0,7% nach zuvor 1,0% erwartet, da im vierten Quartal ein Minus von 0,3% prognostiziert wird. Auch die Schätzungen für das kommende Jahr wurden auf 0,4% zurückgenommen (im Juni waren noch 1,6% in Aussicht gestellt worden). Grundlage dafür war die Annahme, dass das Wirtschaftswachstum auch im ersten Quartal 2013 sinken könnte. Den Leitzins hielt die EZB bei ihrem letzten Treffen des Jahres 2012 stabil bei 0,75%. Sollte die Rezession in der Eurozone aber weitere Kreise ziehen, würde uns ein weiterer Zinsschritt nicht überraschen.

Während die Wirtschaft in der Eurozone kurzfristig weiter abzurutschen droht, konnten die italienischen und spanischen Staatsanleihen bislang ein gutes viertes Quartal verbuchen. Die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen Italiens und Spaniens fiel um 57 beziehungsweise 45 Basispunkte auf 5,37% und 4,64%. Die Marktteilnehmer gehen angesichts der angekündigten Hilfsmaßnahmen der EZB davon aus, dass das Ausfallrisiko und damit auch die Risiken für das gesamte System gesunken sind. Auch die Unterstützung für Griechenland von Seiten der Troika sorgte dafür, dass die Anleihegläubiger etwas zuversichtlicher wurden. Denn die Hilfsmaßnahmen von EU, Internationalem Währungsfonds und EZB deuten schließlich daraufhin, dass auch ein anderes Land auf Hilfe hoffen darf, wenn ihm der Zugang zu den Märkten verwehrt werden sollte. Selbst die überraschende Rücktrittsankündigung von Italiens Ministerpräsident Mario Monti wurde rasch verdaut.

Investoren lassen sich von Preisschwankungen nicht abschrecken

Am Primärmarkt war vergangene Woche viel los – allerdings etwas weniger, als wir dachten. Beispielhaft für das Geschehen am Primärmarkt war die Emission des amerikanischen Getränkeherstellers Brown-Forman (BF.B, „A+“): Die ersten Preisindikationen und -schätzungen aus Banken waren vernünftig bis günstig und sollten Investoren anlocken. Die offiziellen Spreads waren dann aber deutlich enger, weil die Banken angesichts der deutlich überzeichneten Bücher versuchten, kurzfristig orientierte Investoren abzuschrecken. Letztlich zeichneten die meisten Investoren dann doch. Wir hoffen, dass diese Anleihen nun nicht unter dem Weihnachtsbaum landen werden – schließlich bleiben auch ja auch den fleißigsten Börsianern noch ein paar Tage Zeit, um geeignetere Präsente zu erstehen.

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Über den Autor

Dave Sekera, CFA  Dave Sekera, CFA, is chief U.S. market strategist for Morningstar.