Saudi-Arabien ist (noch) kein Thema für aktiv verwaltete Schwellenländerfonds

Im Vorfeld der Aufnahme saudi-arabischer Aktien in den MSCI Emerging Markets halten sich breit aufgestellte Schwellenländer-Aktienfonds zurück. Vorerst bleiben Saudi-Arabien Aktien also etwas für die Spezialisten-Fonds. Warum eigentlich?  

Ali Masarwah 22.05.2019
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Saudi-Arabien lässt die Manager von breit aufgestellten Schwellenländerfonds kalt. Eine Woche, bevor der Indexanbieter MSCI die Aktien des Königreichs am Persischen Golf in seine globale Benchmark MSCI Emerging Markets aufnehmen wird, sind aktiv verwaltete Fonds im Vorfeld kaum dabei. Wie eine Auswertung von 379 aktiv verwalteten Emerging Markets Portfolios per Ende März ergab, waren 45 Investmentfonds im Schnitt mit 0,8 Prozent ihrer Netto-Assets in Saudi-Arabien investiert. 

Das höchste Gewicht wies per Ende März der 3 Banken Emerging-Mix T auf, der mit einem Anteil von 5,3 Prozent die höchste Saudi-Arabien Quote aufwies. Auch T. Rowe Price Emerging Markets Value Equity gehört mit 2,4 Prozent zu den in Saudi-Arabien engagierten Fonds. Auf eine ähnliche Größenordnung bringen es die beiden Fonds JPM Emerging Markets Dividend und JPMorgan Markets Income. Der Robeco Emerging Market Equities wies per Ende März einen Anteil von 1,6 Prozent aus.  

Ein Investoren-Run sieht also anders aus. Das ist auf den ersten Blick erstaunlich. Denn eigentlich ist die Aufnahme von Unternehmen bzw. Staaten in wichtige Indizes mit signifikanten Investments verbunden, denn viele Investoren, beileibe nicht nur Indexfonds, richten ihre Portfolios an diesen Benchmarks aus. Aktive Manager haben also die Chance, durch eine frühzeitige Positionierung frühzeitig dabei zu sein - in Antizipation der Bewegung von anderen Anlegern, vor allem den Index-Trackern, welche diesen Papieren einen Schub geben. Da Saudi-Arabien ab Ende Mai ein Gewicht von 1,4 Prozent im MSCI Emerging Markets haben wird (ausgehend von null Prozent), würden angesichts eines Gesamt-Indexwertes von derzeit 5,41 Billionen US-Dollar mehr als nur die sprichwörtlichen Peanuts in Saudi-Arabien-Aktien fließen. 

Warum also die Zurückhaltung der aktiven Schwellenländer-Fondsmanager? Es bieten sich einige Erklärungsversuche an. 

These 1: Nahost-Investments sind „out“ 

Natürlich kann es sein, dass die politischen Turbulenzen im Nahen Osten Anlegern auf den Magen geschlagen haben. Diese gingen nicht erst seit der Eskalation des USA-Iran-Konflikts in den vergangenen Wochen los. Der Mord am Regimekritiker Jamal Khashoggi im Oktober 2018 hatte bereits für heftige Kritik am saudischen Regime geführt. Zuletzt wurden wiederholt Öltanker am Persischen Golf und sogar Erdölraffinerien in Saudi-Arabien offenbar von jemenitischen Rebellen angegriffen. Erst in diesen Tagen hatte der US-Präsident in einem seiner berüchtigten Wut-Tweets dem Iran mit der Vernichtung gedroht. Das würde auch die Wirtschaft Saudi-Arabiens treffen, da dann eine Störung der Ölförderung zu befürchten wäre. 

Für eine Zurückhaltung der Anleger gäbe es also gute Gründe. Allerdings spricht einiges gegen diese These. So hatte die Bond-Emission der staatlichen saudischen Energiegesellschaft Aramco erst vor wenigen Wochen ein Rekordergebnis eingespielt. Im April wurde die Anleihe mit einem Volumen von zwölf Milliarden US-Dollar begeben. Es handelt sich um die höchste Schwellenländer-Bond-Emission in der Geschichte. Gemäß Medienberichten gingen für den Aramco-Bond sogar Gebote in Höhe von mehr als 100 Milliarden Dollar ein. 

Ferner spricht gegen diese Erklärung auch, dass die Fondsquote Saudi-Arabiens bereits geraume Zeit vor der aktuellen Eskalation der Krise in globalen Schwellenländerfonds sehr niedrig war. Im September 2018, also vor dem Mord an Khashoggi, hatte die Saudi-Arabien-Quote von 39 Emerging Markets Fonds bei 0,6 Prozent gelegen. Diese niedrige Quote ist auch nicht in mangelnden Investmentmöglichkeiten am saudischen Aktienmarkt begründet, der bereits seit Mitte 2015 für ausländische Investoren zugänglich ist. Seitdem hat Saudi-Arabien seinen rund 200 Milliarden Dollar schweren Markt im Rahmen eines Programms für „qualifizierte Investoren“ (QFI, Qualified Foreign Investor scheme) geöffnet. 

These 2: Investoren halten sich bei Aktien zurück 

Eine weitere mögliche Erklärung für die Zurückhaltung von Fondsmanagern könnte daran liegen, dass der Risikoappetit von Anlegern auf der Aktienseite in diesen Zeiten begrenzt ist, nicht jedoch mit Blick auf Bonds, wo der Risikoappetit schier unersättlich ist. Die Nullzinspolitik vieler Notenbanken in den Industrieländern hat die Regeln des Bond-Markts ausgehebelt. Sichere Staatsanleihen bringen keine Rendite, was viele Investoren in Gefilde treibt, die sie normalerweise nicht betreten würden. 

Der Run auf riskante Anleihen ist bereits seit einigen Jahren zu beobachten, derweil die Begeisterung– vor allem in diesem Jahr – für Aktien nicht stark ausgeprägt ist. Das wird von unseren Beobachtungen gedeckt – zumindest mit Blick auf aktiv verwaltete Fonds. So wurden in den vergangenen zwölf Monaten gut 7,7 Milliarden Euro aus aktiv verwalteten Schwellenländern in Europa abgezogen. Angesichts dieser Risiko-Aversion hätten aktive Schwellenländer-Fondsmanager also gute Gründe, nicht frühzeitig in einen hochvolatilen Markt mit hohen politischen Risiken einzusteigen. 

(Die Implikationen für die Bond-Seite vieler Portfolien sind gemäß dieser Deutung erheblich, und sie übersteigen bei weitem die Bedeutung des Nischenthemas Saudi-Arabien. Denn konventionelle Bond-Portfolios - sowie der Bond-Anteil von Mischfonds - werden immer stärker auf Risiko-Assets ausgerichtet, was das Rendite-Risiko-Profil vieler Portfolios deutlich verändern dürfte.) 

These 3: Index-Neuankömmlinge sind für Generalisten kein großes Thema 

Es ist auffällig, dass sich viele Fonds-Generalisten sich mit so genannten „Off-Benchmark-Wetten“ generell in Zurückhaltung üben. Natürlich gehen einige Fondsmanager derartige, kalkulierte Risiken ein, nicht jedoch die Fondsmanager in der Breite. Es mag in der Theorie so sein, dass Saudi-Arabien-Aktien eine vermeintlich einfache Wette auf lukrative Index-Aufnahmen sind, aber für global anlegende Schwellenländerfonds gibt es andere Prioritäten, wie wir weiter unten im Fazit skizzieren werden. 

Für diese These spricht die Historie, etwa beim Umgang von Schwellenländer-Fondsmanager mit chinesischen Festlands-Aktien, den so genannten A-Shares. Bereits 2015 wurde darüber spekuliert, dass die großen Indexanbieter wie MSCI oder FTSE chinesische A-Shares in ihre globalen Emerging Markets Indizes aufnehmen würden (was auch im Mai 2018 geschah). Doch der Risikohunger bei global anlegenden aktiv verwalteten Emerging Markets Fonds war im Vorfeld gering. Zwischen 2016 bis 2017 schwankte die A-Shares-Quote bei aktiv verwalteten Fonds bei unter drei Prozent

Auch heute hat die Aussicht darauf, dass China-A-Aktien von aktuell 0,7 Prozent auf rund 3,3 Prozent des Gewichts des MSCI Emerging Markets per Ende des Jahres steigen werden, hat auch nicht unbedingt für Euphorie gesorgt. Zwar stieg der Anteil an A-Shares Aktien in Emerging Markets Fonds in diesem Jahr an, liegt aber immer noch bei eher gemäßigten 3,5 Prozent. 

Fazit 

Die drei Thesen über die Gründe der Zurückhaltung aktiv verwalteter Schwellenländer-Fonds mit Blick auf Saudi-Arabien-Aktien dürften in unterschiedlichem Maße plausibel sein. Sie sind in jedem Fall auch ein Anlass, über generelle Trends im Fondsmanagement nachzudenken. 

Die Welt des Long-only Asset Managements ist eine relative, die sich an Index-Benchmarks anlehnt. Aktiv verwaltete Fonds weichen zwar (in unterschiedlichem Maße!) von ihren Vergleichsindizes ab, aber am Ende des Tages wird ihr Erfolg an der Performance gegenüber der Benchmark gemessen. Diesen Umstand muss man sich als Anleger gewahr werden, denn er hat für die Asset Allocation bzw. für die Formulierung der Anlageziele wichtige Implikationen.

So versteht die Mehrheit der Fondsmanager den Tracking Error nach wie vor als ein wichtiges Risiko-Maß. Für viele ist die Standardabweichung zwischen Portfolio- und Indexrendite sogar das Maß aller Dinge. Doch der Tracking Error reflektiert in erster Linie das Karriere-Risiko von Fondsmanagern, weniger jedoch das Anleger-Risiko. 

Für Anleger könnten andere Maßstäbe gelten, etwa die Sharpe Ratio, welche die Volatilität ins Verhältnis zur Überschussrendite gegenüber einer Cash- oder Bond-Benchmark rückt, oder der Morningstar Risk-adjusted Return, der das Anleger-Risiko in erster Linie als reales Verlust-Risiko interpretiert. 

Halten wir vielleicht an dieser Stelle fest, dass sich die Manager breit aufgestellter Fonds typischerweise bei so genannten „Off-Benchmark-Wetten“ zurückhalten. Um zu unserem ursprünglichen Kontext zurückzukehren: Investoren, die von Nischenthemen wie Saudi Arabien- oder China-A Shares-Investments überzeugt sind, sollten gezielt auf Beimischungen setzen, aber nicht darauf bauen, dass breit diversifizierte Fonds auf den Zug aufspringen.

Es gibt unterschiedliche Zugänge zu Spezialisten-Fonds. Gibt es eine hinreichend kritische Masse an Fonds, die in einen Nischenmarkt investieren, dann rufen wir bei Morningstar eine entsprechende Kategorie ins Leben – mit allen Begleiterscheinungen wie Sterne-Ratings und andere Rendite-Risiko-Kennzahlen. Das wäre die einfache Variante.

Für Saudi-Arabien-Investments gibt es allerdings - im Gegensatz zu China A-Shares Fonds - keine eigene Kategorie. Für Fonds mit signifikantem Anteil an Saudi-Arabien-Aktien bieten sich die Kategorien „Islamic Equity“, „Global Frontier Markets Equity“ oder „Africa & Middle East Equity“ an. Hinter diesem Link finden Sie eine Auswahl an aktiv und passiv verwalteten Fonds, die in der Region Deutschland, Österreich und Schweiz zum Vertrieb zugelassen sind und die eine Saudi-Arabien-Quote von über zwei Prozent aufweisen.

Die Analysen in diesem Artikel basieren auf unserem Tool für professionelle Anleger. Weitere Informationen zu Morningstar Direct erhalten Sie hier

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich