Strategic Beta: Träger des ETF-Wachstums?

Anlässlich der intensiven Diskussion unter Investoren und Beratern um alternative Indexkonzepte starten wir eine Serie zum Thema Strategic Beta. Wir gehen nach, was hinter dem Schlagwort steckt, wie wichtig dieser Trend für Investoren ist und beleuchten die Perspektiven dieser neuen Indizes.

Ali Masarwah 27.11.2015
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Wenn mehrere ETF-Vertreter auf einer Branchenkonferenz zum Thema „Smart Beta“ unabhängig voneinander betonen, bei diesen alternativen Indexprodukten handele es keinesfalls um den „Heiligen Gral“, dann lässt das aufhorchen. Solche Formulierungen lassen in Wahrheit auf einen hohen Stellenwert schließen. Wenn also Smart Beta ETFs --- wir bezeichnen diese Produktgattung weniger bombastisch als „Strategic Beta“ --- nicht das legendäre, gemäss Wikipedia „wundertätige Gefäß“ darstellen, das „Glückseligkeit, ewige Jugend und Speisen in unendlicher  Fülle“ bringen soll, dann ist es vielleicht zumindest die Wachstumshoffnung der ETF-Anbieter, die sich um die Diversifizierung ihrer Geschäftsmodelle bemühen? 

Mein Eindruck vom „Smart Beta Summit“ der Deutschen Bank in Berlin in dieser Woche lässt letzteren Schluss zu. Man will das Momentum, das die Branche in den vergangenen Jahren von Erfolg zu Erfolg gespült hat, nutzen, um ein neues Wachstumsfeld zu erschließen. Anlässlich der intensiven Diskussion unter Beratern, Anlegern und in der Vermögensverwaltungsindustrie starten wir eine Serie zum Thema Strategic Beta. Wir gehen den Fragen nach, was hinter dem Schlagwort steckt, wie wichtig dieser Trend für Investoren ist, und wir beleuchten die Perspektiven dieser vermeintlich „intelligenten“ Indizes. Zuvor wollen wir jedoch Strategic Beta in den Kontext der ETF-Industrie setzen. 

2014 und 2015: Die goldenen Jahre der ETF-Branche?

Im Nachhinein wird man vermutlich die Jahre 2014 und 2015 als goldene Jahre der ETF-Branche bezeichnen. Per Ende Oktober konnten ETFs in Europa in diesem Jahr nach unseren Schätzungen Nettomittelzuflüsse in Höhe von 60 Milliarden Euro verbuchen. Sollte nicht ein Weltuntergang dazwischen kommen, dann werden börsennotierten Indexfonds locker das bisherige Rekordjahr 2008 in den Schatten stellen und Rekordzuflüsse verbuchen. Auch 2014 war ein hervorragendes Jahr mit Zuflüssen von gut 43,5 Milliarden Euro. Per Ende Oktober verwalteten ETF Anbieter in Europa ein Vermögen von rund 466 Milliarden Euro. Das ist ein historischer Höchststand. 

Wie lässt sich dieses Wachstum erklären, warum können sich die Indexfondsanbieter über diesen Run freuen? Angelockt werden Investoren nicht nur von regulatorischen Veränderungen in Europa --- vor allem ist hier das faktische Verbot von Kickbacks in Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz zu nennen. Darüber hinaus haben ETFs den Nerv der Zeit getroffen. Sie bieten einen effizienten, kostengünstigen Zugang zum Kapitalmarkt, was gerade in Zeiten tiefer Zinsen wichtig ist. Und weil ETFs im Gegensatz zu den meisten anderen Finanzprodukten keine Retrozessionen an den Vertrieb weiterleiten, leiden sie nicht unter dem Generalverdacht, dass sie nur verkauft werden, um den Berater auf der anderen Seite des Bankschalters (bzw. seine Bank) glücklich zu machen.

Spiegelbildlich dazu haben aktiv verwaltete Fonds derzeit einen sehr schweren Stand, was unter anderem an den schwachen Performance-Zahlen liegt. Über die Zeit schaffen es nur wenige Vermögensverwalter, ihre Benchmark zu übertreffen (was wiederum teilweise  auf die oben erwähnten Kickbacks zurückgeht). „Ist mein Fondsmanager wirklich die hohen Gebühren wert, die bezahle?“, ist eine immer häufiger gestellte Frage frustrierter Investoren. Sogar die Aufsichtsbehörden haben den Zusammenhang zwischen schwacher Performance und Kosten aktiv verwalteter Fonds in Gestalt der Kennzahl Active Share aufgegriffen. 

Wer will es der ETF-Industrie verdenken, dass sie nun den Versuch unternimmt, weiter im Gefilde aktiver Manager zu wildern und zunehmend aktive Produkte auf den Markt zu bringen, die zwar teurer sind als herkömmliche Indexfonds, aber allemal tiefere Kosten aufweisen als aktiv verwaltete Fonds? Das Zauberwort lautet: Smart bzw. Strategic Beta. Wir haben in der Vergangenheit bereits häufiger über diesen Trend berichtet. Dabei haben wir eine Systematik für Strategic Beta ETFs eingeführt, die Anleger einen Überblick ermöglicht, ihm hilft den wachsenden Markt zu systematisieren und somit Arbeitshypothesen zu formulieren (lesen Sie hier und hier und hier). 

Mit einer kleinen Serie zu Strategic Beta ETFs wollen wir die Fakten liefern, interpretieren, einen Ausblick wagen und dabei natürlich nicht die laufende Debatte außer Acht lassen. Fangen wir mit der Bestandsaufnahme an. Hier lesen Sie hier weiter.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich