Im Zweifel Standardwerte: Europa-ETFs im Fokus

Europa ist mehr als nur Griechenland! Jenseits der allseits präsenten Live-Ticker zur Griechenland-Tragödie gibt es genügend positive Stories, die ein Investment nahelegen. Unser Bericht über Europa-Indizes und entsprechende ETFs.

Michael Haker 10.07.2015
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Wer mag, der kann immer Gründe finden, nicht in europäische Unternehmen zu investieren. Ja, Amerika wächst schneller; ja, die fortdauernde Eurokrise hat die hässlichen Seiten der europäischen Politik und der auf Konsens basierenden politischen Kultur offengelegt. Und dennoch: Trotz des Griechenland-Dramas ist Europa nach wie vor ein attraktives Investmentuniversum. In vielen Teilen des Kontinents ist die Wirtschaft in Ordnung. Zugleich sind die Bewertungen europäischer Aktien im Vergleich zu US-Unternehmen moderat. Gut möglich, dass die angestiegene Volatilität an den Märkten bzw. die laufende Korrektur überzogen ist.  Im STOXX Europe 50 ist die Volatilität (VSTOXX) zuletzt erneut gestiegen und notiert mittlerweile auf einem Niveau von über 30 Punkten, Mitte April lag sie noch um einen Wert von 14 Punkten. In den USA ist der „Angst-Index“ dagegen kaum gestiegen. 

Europäische Aktien erleben quasi seit Sommer 2012 einen Aufschwung, nachdem EZB-Präsident Mario Draghi die Spekulationen um den Zusammenbruch des Euro beendet hatte („Whatever-it-Takes-Statement vom Juni 2012). Bis Ende März 2015 legte der STOXX Europe 50 über 60% zu, und die extrem lockere Geldpolitik gab den Aktienmärkten Anfang 2015 einen zusätzlichen Schub. (Der freilich seit dem Wiederaufflammen der Griechenland-Krise deutlich an Schwung verloren hat.) 

Der europäische Markt ist dabei keinesfalls als monolithischer Block zu betrachten. Hinter dem STOXX 600 bzw. MSCI Europe stehen Länder mit unterschiedlichen Voraussetzungen. Beispielsweise sind in Großbritannien und Spanien die großkapitalisierten Unternehmen  vornehmlich Finanzwerte, die noch immer einen signifikanten Teil ihrer Umsätze auf dem jeweiligen Heimatmarkt erzielen. In der Schweiz sind Pharmawerte und Konsumgüter-Hersteller global tätig; der Umsatz in der Schweiz macht nur einen kleinen Anteil aus. 

Auch sind die Folgen des Schismas zwischen Nord- und Südeuropa zu beachten. Während die Euro-Südländer noch unter Anpassungsdruck leiden, stehen die Euro-Nordländer recht gut da. Interessant ist dabei, dass diese Unterschiede umso stärker verwischen, je weiter man den Blick auf die Marktkapitalisierungs-Skala nach oben richtet. Große Konzerne sind globale Player und Exportchampions, egal, ob sie ihre Zentrale in Deutschland haben oder in Spanien. Anders dagegen bei kleineren Unternehmen – hier haben insbesondere Firmen im Euro-Süden das Nachsehen gegenüber ihre Nord-Pendants, wenn es um Kreditkonditionen geht. 

Italien 

Die Wirtschaft in Italien erfährt seit Jahren einen Rückgang. Das Bruttoinlandsprodukt fiel seit 2007 um 9%, während die Schuldenlast und das Haushaltsdefizit des Landes stetig zugenommen haben. Auch die Situation am Arbeitsmarkt ist nicht berauschend: Im Oktober 2014 ist die Arbeitslosenquote auf ein Rekordniveau von 13,2% angestiegen; die Jugendarbeitslosigkeit ist auf erschreckende 43% geklettert. Das italienische Bankensystem ist das fragilste in der Eurozone. Die eingeläuteten Maßnahmen der EZB sollten jedoch die Kreditvergabe stimulieren. Es liegt zudem an der Regierung, Italien gegenüber anderen Ländern in Südeuropa wieder wettbewerbsfähig wird, zumal sich Spanien und Portugal schneller erholen. Immerhin hat die Regierung Renzi 2014 einiges angegangen; so wurde im März 2015 mit dem „Jobs Act“ eine Arbeitsmarktreform durchgesetzt, die Entlassungen erleichtert und Steuererleichterungen für Unternehmen vorsieht, die Arbeitskräfte fest einstellt.

Spanien 

Die Spanische Wirtschaft zeigt Anzeichen einer nachhaltigen Erholung. Seit dem Ende einer langen, zermürbenden Rezession hat die Wirtschaft seit 2013 langsam an Fahrt aufgenommen, und es wird für 2015 - und darüber hinaus - ein BIP-Wachstum von 3% erwartet. Wettbewerbsfähigkeit, Warenexport und der Private Konsum haben zugenommen. Eine große Baustelle ist aber noch immer die hohe Arbeitslosenquote, die bei inakzeptablen 20% liegt. 

Griechenland 

Die Lage ist nach dem Nein-Referendum zu Strukturreformen auf den ersten Blick düster. Unmittelbar nach der Abstimmung haben etliche Analysten die Gefahr eines „Grexits“ als hoch eingeschätzt. Auch wenn bis zum Wochenende positivere Signale zu vernehmen waren, bleibt Griechenland das Sorgenkind Europas. Auf der anderen Seite muss man aber auch die symbolischen und wirtschaftlichen Folgen eines möglichen Austritts Griechenlands aus der Eurozone differenziert betrachten. So liegt der Anteil der griechischen Wirtschaft innerhalb der Europäischen Union nur bei etwas mehr als 1,35%. Der mögliche Fallout dürfte sich damit für die meisten Unternehmen in Grenzen halten. 

Die symbolische Tragweite eines Austritts Griechenlands aus der Eurozone wäre deutlich größer. Nach Ansicht von Exane BNP Paribas ist die größte Gefahr eines Grexits ein Vertrauens-Shock in die Eurozone. Beide Faktoren, also die geringe Bedeutung Griechenlands für die Unternehmenswelt auf der einen Seite, und auf der anderen Seite die nervösen Reaktionen der Märkte,  sprechen für eine breite Diversifizierung über verschiedene Einzeltitel, Sektoren und Länder. Breit streuende Europa-ETFs für Standardwerte stehen deshalb heute bei uns auf der Agenda. Wir stellen im Folgenden drei Indizes vor, wobei wir uns bei der Produktauswahl an den Volumina der ETFs orientieren, die die Indizes abbilden. Zusätzlich haben wir auch die jeweils günstigsten ETFs in der Tabelle weiter unten aufgeführt. 

MSCI Europe 

Der Index ist nach Marktkapitalisierung gewichtet und deckt etwa 85% der westeuropäischen Aktienmärkte ab. Er enthält aktuell 442 Werte, wobei drei Viertel aus vier Ländern kommen: Großbritannien (31,3%), Frankreich (15%), Schweiz (14,3%) und Deutschland (13,7%). Um in den Index aufgenommen zu werden, müssen Unternehmen vor allem Kriterien hinsichtlich Marktkapitalisierung und Handelsvolumen der Aktien erfüllen. Auf der Sektorenseite ist das Bild erfreulich ausgewogen. Finanzwerte sind mit 23,1% am stärksten gewichtet. Es folgen Gesundheitswerte, zyklische Konsumgüter, defensive Konsumgüter, Industrieunternehmen, Rohstoffe und Versorger (7% bis 13,5%). 

Der Index zeigt somit eine ausgewogene Mischung aus mehr und weniger konjunktursensitiven Werten. Auch ist der Index nicht kopflastig, da die zehn größten Titel gerade einmal 17,7% ausmachen. Die Top-Werte kommen vornehmlich aus der Schweiz und Großbritannien: Nestle (2,75%), Novartis (2,7%), Roche (2,3%), HSBC (2%) und BP (1,4%). Die Neugewichtung erfolgt zwei Mal pro Jahr, jeweils im Mai und November. 

STOXX Europe 600 

Der STOXX Europe 600 ist ein Subindex der globalen Benchmark STOXX Global 1800, die Aktien der entwickelten Märkte in Amerika, Asien und Europa enthält. Der Subindex besteht aus, wie der Name bereits zu verstehen gibt, nur die 600 größten europäischen Werte. Gewichtet sind die Titel nach dem frei gehandelten Kapital. Die Ländergewichtung ist nahezu identisch mit der des MSCI Europe: Großbritannien (32%), Frankreich (14,8%), Schweiz (14,2%) und Deutschland (12,8%). Der Index enthält auch drei griechische Werte (u.a. die National Bank of Greece) und zwei Tschechische Aktien (CEZ und Komercni Banka).

Die Gewichtung der Sektoren ist ebenfalls recht ausgewogen mit einer leichten Übergewichtung von Finanzwerten (20% bis 25%), gefolgt von Konsumgütern (rund 15%), Gesundheitswerten (12,6%), und Industrieunternehmen (10%). Die Top-5-Werte kommen wie beim MSCI Europe aus der Schweiz (Novartis, Nestle, Roche) und Großbritannien (HSBC, BP) und machen je zwischen 1,4% und maximal 2,9% im Index aus. Die Zusammensetzung des Index wird jährlich überprüft, die Neugewichtung erfolgt alle drei Monate. 

STOXX Europe 50 

Von den hier vorgestellten Europa-Indizes ist der STOXX Europe 50 ein reiner Blue-Chip-Index. Für die Titelauswahl werden die geeigneten Aktien des Investmentuniversums nach Marktkapitalisierung aufgelistet, wobei die 40 größten Unternehmen automatisch in den Index kommen, die nächsten zehn Titel werden unter den Plätzen 41 bis 60 ausgewählt, wobei grundsätzlich auf Konsistenz im Index geachtet wird, so dass die Turnover-Rate bei der jährlichen Überprüfung möglichst gering ist. Die Gewichtung der Einzelwerte erfolgt dann nach der Marktkapitalisierung, ein Unternehmen darf aber maximal 10% im Index ausmachen.

Aufgrund der etwas anderen Konstruktion ist auch die Aufteilung der Länder und Sektoren im Index etwas anderes. Aktien aus Großbritannien beeinflussen den STOXX Europe 50 noch etwas stärker (37,5%) als in den oben vorgestellten Indizes, Frankreich (12,2%) ist auf Platz vier abgerutscht. Dafür machen Werte aus der Schweiz (23%) und Deutschland (15,3%) etwas mehr aus. Das Gewicht spanischer Aktien beläuft sich auf gut 5%. Finanzwerte sind auch hier am stärksten gewichtet (25%) neben Konsumgütern (gut 20%), Gesundheitswerten (18,7%) und Rohstoffen (11,8%). Mit 39% bei den Top-10-Werten ist der Index etwas kopflastiger, die größten Einzelpositionen sind wie oben Novartis (6,3%), Nestlé (5,9%), Roche (4,8%), HSBC (4,5%) und BP (3,1%). 

Tabelle: Die Großen und die Günstigen: Eine Auswahl an Europa-ETFs 

Kommen wir nun zu den ETFs auf Europa-Indizes. Führend, was die Fondsvolumina angeht, ist der MSCI Europe. Die auf diesem Index basiertenETFs hielten per Ende Juni 2015 ein Volumen von mehr als 12 Milliarden Euro. Der größte in Europa zum Vertrieb zugelassene ETF hat ein Volumen von fast fünf Milliarden Euro. Er stammt von iShares und ist seit Juli 2007 auf dem Markt. Zugleich handelt es sich dabei auch um das teuerste Produkt. Jährlich 35 Basispunkte markieren hier das obere Ende der Kostenskala, wobei wir in der Tabelle unten die KIID Ongoing Charge aufgeführt haben. 

Der älteste ETF unserer Auswahl, der den MSCI Europe abbildet, stammt von Lyxor (Januar 2006). Er ist 1,53 Milliarden Euro schwer und liegt mit 30 Basispunkten noch leicht über dem Kostendurchschnitt. Die günstigste Alternative erhalten Anleger bei Source oder der Schweizer UBS. 20 Basispunkte sind für beide ETFs fällig, die seit 2009 auf dem Markt sind. 

Der zweitschwerste Europa-Index mit Blick auf das ETF-Vermögen  ist der STOXX Europe 600. Die ETFs auf den 600 Werte umfassenden Index verwalten insgesamt gut acht Milliarden Euro per Ende Juni 2015. Das größte und zugleich älteste Produkt stammt wieder vom Marktführer iShares. Seit 2004 bildet der ETF den STOXX Europe 600 ab und hält fast 4,7 Milliarden Euro. Anleger kommen hier mit 20 Basispunkten an Kosten relativ günstig weg. Amundi hängt die Latte allerdings noch etwas niedriger: 18 Basispunkte kostet es beim Französischen Asset Manager, um an der Entwicklung des STOXX Europe 600 partizipieren zu können; der ETF ist allerdings derzeit nur 129 Millionen Euro leicht. 

Insgesamt am wenigsten gefragt ist der STOXX Europe 50. Insgesamt stecken gut 1,4 Milliarden Euro in passiven Produkten, die ausschließlich europäische Blue Chips enthalten. Bei beiden größten kommen abermals von iShares (747 Millionen und 486 Millionen Euro). Beide ETFs sind dieses Jahr seit 15 Jahren verfügbar und gehören damit zu den ältesten passiven Produkten, die in Europa zum Vertrieb zugelassen sind.  Auch hier ist allerdings die größte Variante nicht gleich die Günstigste: Bei Amundi müssen Anleger 15 Basispunkte berappen,  das sind 20 beziehungsweise 36 Basispunkte weniger als beim Marktführer iShares. 

Nervenschonende Performance seit fünf Jahren 

Bei einem Blick auf die Wertentwicklung über die letzten fünf Jahre können Anleger zufrieden sein. Folgt man der Daumenregel, dass der Aktienmarkt auf lange Sicht im Durchschnitt acht Prozent pro Jahr gut macht, dann liefen europäische Aktien mehr als nur einen Tick besser. 

Bei der Fünfjahres-Performance liegen die breiten Indizes vor dem Standardwerte umfassenden STOXX Europe 50. Beim MSCI Europe ging es jährlich um gut 11,4% bis 12,8% nach oben – je nach ETF-Anbieter. Beim breiteren STOXX Europe 600 der ebenso mittelgroße Unternehmen enthält, steht auf fünf Jahre ein annualisiertes Plus von 12% bis 13,3% - jeweils lieferten die beiden db x-trackers-ETFs mit die beste Performance. Europäische Standardwerte brachten Anlegern immerhin gute 10% pro Jahr ein. 

Auf eine Sicht von drei Jahren ist der Abstand zwischen den drei Indizes noch deutlicher. Mit immer noch komfortablen 13,5 bis 14,3% jährlich liegen auch hier europäische Blue-Chips hinter den breiteren Indizes: Beim MSCI Europe können sich Anleger über gute 16% annualisiert freuen; die Nase vorn hat jedoch wieder der STOXX Europe 600: rund 17 bis 17,5% ging es hier in den vergangenen drei Jahren nach oben. 

Dabei waren Europa-Indizes insgesamt recht nervenschonend: in den letzten drei Jahren ging es auf Monatssicht um maximal knapp 5% nach unten. Im Vergleich zu Nebenwerte-Indizes, Asien-ETFs oder breiteren Emerging Markets Produkten, über die wir in der Vergangenheit ausführlich berichtet haben, ist das ein erträglicher Rücksetzer, der im Laufe der Zeit mehr als wettgemacht wurde.

 

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Über den Autor

Michael Haker  Michael Haker ist Research Editor bei Morningstar.