Vorsicht, Investmentmythen: Große Fonds sind gute Fonds

Die Fondsbranche verweist gerne auf die gute Bilanz der großen Fonds am Markt. Die Botschaft ist klar: Anleger täten im Interesse ihrer künftigen Performance gut daran, die Megafonds weiter zu füttern. Wir zeigen, dass diese Empfehlung mit Vorsicht zu genießen ist.

Ali Masarwah 26.11.2014
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Die Fondsbranche verschanzt sich gerne hinter komplexen Formeln. Das hat einen guten Grund: Produktanbieter, die glaubhaft machen können, einen Wissensvorsprung zu besitzen, können auf vorzügliche Weise ihre Produkte an den Mann oder die Frau bringen. Auch wenn die meisten quantitativen Fondskennzahlen einzig auf der Entwicklung des Fondspreises der Vergangenheit basieren, lässt die Fondsbranche Anleger gerne im Glauben, dass sie weiß, was die Zukunft mit sich bringen wird.

Doch wehe dem, der das Herrschaftswissen in Frage stellt! Dann ist manchen Verantwortlichen kein Argument zu billig, man verliert sich in Spitzfindigkeiten und Wortklaubereien, und notfalls bemüht man sogar verdeckte Fehlschlüsse und semantische Tricks – wohl wissend, dass die meisten Anleger nicht einmal über rudimentärste mathematische Kenntnisse verfügen. Gegen „Herrschaftswissen“ ist der finanzmathematische Laie nun einmal chancenlos!

Ein gängiger Mythos der Fondsbranche lautet: Wer auf große, etablierte Produkte setzt, könne wenig falsch machen, denn diese Fonds seien überdurchschnittlich gut. Das allgemeine Performance-Problem aktiver Fonds, so diese Deutung, lasse sich bei den zahlreichen kleinen Fonds am Markt verorten. „Was wollen Sie eigentlich, die meisten großen Mischfonds sind doch ziemlich gut“, ranzte mich jüngst der Verantwortliche eines ausländischen Investmenthauses an, nachdem ich - wieder einmal - auf die mediokre Bilanz der meisten flexiblen Mischfonds aufmerksam gemacht hatte.

Wenn doch nur alle Fonds groß wären!

Dass die meisten Fonds ihren Benchmarks hinterher hinken, liegt also nicht an den Kosten, Manager-Fähigkeiten, dem Risikomanagement, sondern schlicht an der fehlenden Größe! Ich bin unentschlossen, ob ich diese Chuzpah bewundern, oder entnervt den Kopf schütteln soll. Ist Investieren wirklich so einfach? Man warte einfach nur darauf, dass große Fonds aus dem Nichts auf dem Anleger-Radar aufpoppen und kaufe dann, was das Zeug hält?

Doch nehmen wir den anonymisierten Fondsvertreter wörtlich und gehen wir der Frage nach: Sind große Fonds wirklich per se gut? Und, noch wichtiger: Werden die heute großen Fonds in der Zukunft gut sein? Machen wir den empirischen Test und nehmen wir uns die großen Mischfonds am Markt vor.

Die untere Tabelle zeigt die größten 20 Produkte, die in Deutschland per Ende Oktober zum öffentlichen Vertrieb zugelassen waren. Rechts neben dem Fondsnamen, der ISIN und dem Fondsanbieter findet sich das Morningstar-Sterne-Rating, das Aufschluss über das Rendite-Risiko-Profil der Fonds gibt.

Tabelle: Die großen Mischfonds im Herbst 2014

Auf den ersten Blick ist die Bilanz der Produkte in der Tabelle tatsächlich beeindruckend: Die meisten großen Mischfonds verfügen über ein Morningstar Rating von vier und sogar fünf Sternen. Alles gut, also? Nicht ganz. Zum einen bezieht sich unser Sterne Rating auf die Vergangenheit. Zum anderen gilt es, die unterschiedlichen Zeitebenen zu beachten. Das Sterne-Rating setzt sich aus der Rendite-Risiko-Bilanz eines Fonds über drei und - falls vorhanden - fünf und zehn Jahre zusammen. Betrachtet man nun die Kurzfristbilanz der Fonds, ist das Ergebnis längst nicht mehr so überzeugend. In der Spalte rechts außen in der Tabelle finden sich die Dreijahres-Ratings der Fonds. Sie fangen die Güte eines Fonds in der jüngsten Vergangenheit ein. War die Langfrist-Performance eines Fonds sehr gut, fällt eine schwache Kurzfristbilanz - zunächst - nicht so stark ins Gewicht.

Beispiel Carmignac Patrimoine: Der Fonds verfügt über ein Morningstar Rating von vier Sternen. Das bedeutet, dass der ausgewogene Mischfonds mit Blick auf das Rendite-Risiko-Profil zum oberen Drittel seiner Kategorie gehört. Betrachtet man jedoch das Drei-Jahres-Rating, ist die Bilanz nicht so beeindruckend. Das Drei-Sterne-Rating bedeutet, dass dieser Fonds seit Herbst 2011 allenfalls durchschnittlich abschnitt.

Obacht vor den "Beststellerlisten" der Direktbanken

Dies gilt auch für den im Vertrieb sehr beliebten Ethna-Aktiv. Hinter dem hervorragenden Fünf-Sterne-Gesamt-Rating verbirgt sich ein nicht ganz so hervorragendes Vier-Sterne-Rating für die vergangenen drei Jahre. Wie unsere obere Tabelle zeigt, sind diese beiden Fonds keine Ausnahme. Die farbliche Unterlegung zeigt, dass die Abweichungen der Dreijahres-Bilanzen gegenüber der Gesamt-Ratingnote ausnahmslos nach unten zu beobachten sind. Ich würde deshalb die These, wonach große Fonds gute Fonds seien, wie folgt umformulieren: Große Fonds sind in aller Regel deshalb so groß, weil sie in der Vergangenheit gut waren. "Waren" versus "sind" - das ist keine Spitzfindigkeit!

Wir haben bereits häufig Anleger davor gewarnt, vorschnell auf die Gewinner der Vergangenheit zu setzen. Doch genau das ist die Regel im Fondsvertrieb. Unterstützt wird dieses Verhalten dabei häufig von einer etwas intelligenter formulierten Fassung der These von den „großen Guten“: die bei Direktbanken gerne als Überzeugungshilfe eingesetzten „Top Seller-Listen“ sind hierfür nur ein Beispiel. 

Um in unserem Beispiel zu bleiben: In den vergangenen drei Jahren wurden europaweit netto 41,5 Milliarden Euro in die Fonds in unserer oberen Tabelle investiert - weil die Fonds bis dato gut waren. Wer im Herbst 2011 einstieg, erwirtschaftete bei etlichen Fonds freilich unterdurchschnittliche Renditen.

Aktivistische Fondsanleger machen Performance vollends den Garaus 

Doch es gibt noch schlechtere Nachrichten. Anleger, die große, prominente Fonds ansteuern, kaufen nicht nur Produkte, die ihren Zenit möglicherweise überschritten haben; sie setzen sich auch der Gefahr aus, prozyklisch zu handeln. Sprich: Sie kaufen möglicherweise dann, wenn die beste (Markt-) Performance bereits gelaufen ist. Das lässt sich am Investor Return illustrieren. Im Gegensatz zur üblicherweise kalkulierten zeitgewichteten Rendite, dem Total Return, spiegelt der Investor Return die typische Anleger-Rendite wider. Nimmt man die Geldflüsse in Fonds bzw. den Investitionszeitpunkt als zusätzliches Element bei der Rendite-Berechnung ins Spiel, kommt man der typischen Erfahrung eines Anlegers recht nah (lesen Sie hier mehr zum Investor Return).

Die untere Tabelle zeigt den Vergleich zwischen dem Morningstar Investor Return und dem Total Return der großen Mischfonds unseres Beispiels zwischen Oktober 2011 und Herbst 2014. Rot unterlegt sind die Felder mit den schlechteren Performance-Daten, die überlegene Performance wird durch eine grüne Unterlegung gekennzeichnet. Die Dreijahresrenditen wurden annualisiert. Bereits auf den ersten Blick wird deutlich, dass der Investor Return bei den Fonds unserer Auswahl überwiegend schwächer ausfällt als der Total Return. Durch ihr Investment-Verhalten haben Anleger also im Betrachtungszeitraum weniger Rendite erzielt als ein durchschnittlicher Buy-and-Hold-Anleger.

Tabelle: Der Buy and Hold-Investor ist zumeist im Vorteil

Fassen wir also zusammen: Gut abgeschnitten haben in unserem Beispiel die Investoren, die das Glück hatten oder das Können an den Tag legten, rechtzeitig auf die „richtigen“ Fonds zu setzen. Doch den richtigen Fonds zu finden, war nicht einfach. Im Jahr 2004 war der damals knapp eine Milliarde Euro große Carmignac Patrimoine nicht unbedingt die erste Wahl von Investoren, die einen Mischfonds kaufen wollten. Wer diesen Fonds vor 10 Jahren kaufte und seitdem an seinem Investment festhielt, zehrt immer noch von der substanziellen Outperformance, die Edouard Carmignac – in erster Linie im Jahr 2008 - erzielte. Weniger Fortune hatten dagegen diejenigen Anleger, die im Herbst 2011 den zahlreichen „Fonds des Monats“-Empfehlungen folgten und in den damals knapp 24 Milliarden Euro schweren Carmignac-Tanker investierten.

Zum Abschluss kommen wir noch einmal auf die rabulistische Behauptung zurück, wonach große Fonds gute Fonds seien. Wir wissen nicht, ob die heute großen Fonds künftig überdurchschnittlich gut sein werden. Wir möchten allerdings eine Lanze für differenzierte Fondsanalysen brechen. Vergangenheitsrenditen sind hierfür kein probates Mittel. Investieren ist keine Wissenschaft, aber ganz so trivial, wie es die Verfechter der „Big is beautiful“-These suggerieren, ist es dann doch nicht. Natürlich ist es verlockend, dort zu investieren, wo sich viele Co-Anleger tummeln, die Geschichte zeigt aber, dass man seinen Eifer zügeln sollte.

Blicken wir zehn Jahre zurück: Wer sich im Herbst 2004 eine Tabelle der 20 großen Mischfonds am Markt zu Gemüte führte, stieß unweigerlich auf Fonds wie den DWS PlusInvest (Wachstum), UBS Focused Equities Europe Flex, DWS PlusInvest (Balance), DWS Zürich Invest Global und Pioneer PF Global Progressive. Diese Fonds gibt es längst nicht mehr. Sie wurden im Verlauf der vergangenen 10 Jahre liquidiert oder auf andere Fonds verschmolzen – höchst wahrscheinlich lag das nicht am überbordenden Erfolg.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich