Social Trading-Plattformen: Zwischen Gutmenschentum und Strukturvertrieb

Das Internet hat das Zeug, sich zu einer vollwertigen Vertriebsplattform zu entwickeln. Es geht dabei nur um klassische Online-Banken, sondern auch um Social Trading-Plattformen. Anleger müssen allerdings Klarheit über die zugrunde liegenden Geschäftsmodelle haben.

Ali Masarwah 19.11.2014
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Wer ein Buch lesen möchte, bestellt es bei Amazon, Hotels lassen sich mit wenigen Mausklicks bei Plattformen wie HRS buchen, Airbnb stellt für Low-Budget-Urlauber eine veritable Alternative zum Campingplatz am Stadtrand dar. Das Internet hat unser Konsumverhalten in den vergangenen 15 Jahren maßgeblich geprägt und oft auch verändert. Vor diesem Hintergrund erscheint die Frage überfällig: Warum nicht auch Fonds über Social-Trading-Plattformen handeln?

Das Phänomen des gemeinschaftlichen Investierens wirft vielfältige Fragen auf: Was bedeutet das für den Anleger bzw. die Performance seines Portfolios? Bleibt der traditionelle Vertrieb, der ohnehin mit der Finanzmarktregulierung zu kämpfen hat, auf der Strecke? Wer verdient an solchen Modellen? 

Zunächst zur Einordnung: In vielerlei Hinsicht ist das weltweite Netz längst im Alltag der Anleger angekommen: Plattformen wie Wallstreet Online bieten bereits seit Jahren willkommene Foren, um sich über Investmentfragen auszutauschen. Und Online-Banken haben sich längst zu einem etablierten Vertriebskanal gemausert.

Social Media-Plattformen vereinen soziale Interaktionen mit Fonds-Trading

Doch es macht sich eine neue Generation von Online-Plattformen breit. Hier es geht um mehr, als nur "Likes" oder "Dislikes" (digitaler Daumen rauf oder runter) zu verbreiten: Unter Namen wie Ayondo, MoneyFarm, Sharewise, Vaamo, Wikifolio oder Moneymeets können Anleger gemeinschaftliche Investmententscheidungen öffentlich entwickeln und diese dann sogleich in die Tat umsetzen. Die soziale Interaktion wird verknüpft mit Investmentprozessen; „Social“ trifft also auf „Trading“.

Handelt es sich um eine basisdemokratische Art des Geldverwaltens? Wenn ja: Wie nachhaltig ist sie? Mutiert der Fondskauf zum „sozialen Erlebnis“ unter „Freunden“ - fernab von Banken, Vermögensverwaltern und Finanzberatern? „Bevor es zu einer qualifizierten Entscheidung kommt, müssen sich Kunden also jetzt stundenlang durch den Informationswust kämpfen – also das tun, was Berater bisher für sie gemacht haben“, gibt Hartmut Petersmann, Geschäftsführer des Petersmann Instituts für den unabhängigen Finanzberater, zu bedenken. Der ehemalige Partner der deutschen Privatbank Metzler sieht auch aus anderen Gründen die neuen Form der gemeinschaftlichen Kapitalanlage skeptisch: „Werden hier nicht Blinde von Einäugigen beraten?“. Petersmann hebt damit auf das Phänomen der „Schwarmintelligenz“ ab, wonach Anleger in der Masse mehr Wissen ansammeln als der einzelne und entsprechend zu besseren Entscheidungen kommen. Oder etwa nicht?

Werden auf Social Trading-Plattformen nicht Blinde von Einäugigen beraten?

Selbst Marktteilnehmer, die offen sind für neue, internetbasierte Vertriebsmodelle, halten vom Phänomen der Schwarmintelligenz als Anlagekonzept nicht viel. „Informationen, die aus der Community entstehen, sind sicher spannend, die Frage ist nur, wofür sie sich eigenen – ich persönlich glaube nicht an die Intelligenz eines Schwarms“, sagte Michael Weisz, Geschäftsführer der Portfolio Generator GmbH aus Frankfurt am Main. Er entwickelt Portfolio-Optimierungstools und betreut zugleich als Finanzberater deutsche Privatkunden. Auch er entwickelt derzeit eine elektronische Plattform für den Vertrieb von Publikumsfonds.

Weisz macht damit auf einen wichtigen Punkt aufmerksam: Für viele Profis ist das Investmentverhalten der Masse ein antizyklisches Handelssignal – die vermeintlich intelligent handelnde Gruppe der Privatanleger entpuppt sich in der Praxis allzu oft als Kanonenfutter - Kleinanleger werden von den Profis vor sich hergetrieben. Handelt es sich beim Schlagwort „Schwarmintelligenz“ also um eine schöngefärbte Umschreibung des Performance-vernichtenden Herdentriebs?

Das weist Dieter Fromm, Gründer-Geschäftsführer der in Deutschland wohl prominentesten Social-Trading-Plattform Moneymeets, von sich. „Wir sind kein Schwarmmodell“, so Fromm. Teilnehmer könnten auf Moneymeets anderen Teilnehmern ihre Lösungsmöglichkeiten zeigen. Diesen Portfolio-Vorschlägen könnten diese folgen – oder eben auch nicht.

Damit spricht Fromm einen Kernbestandteil des Geschäftsmodells von Moneymeets an. Die auf der Transaktionsebene aktiven Mitglieder der Moneymeets-Community teilen sich auf in „Leader“ und „Follower“. Zum Leader wird, wer sein Portfolio offen legt und mindestens ein Community-Mitglied als Follower gewinnt. „Die Gefahr besteht meines Erachtens, dass Anleger dem Leader mit der besten Performance folgen, und das bringt die Gefahr prozyklischen Handelns mit sich“, gibt Michael Weisz zu bedenken.

Wem gehören die Kick-backs, wenn der Berater verschwindet?

Social Trading-Plattformen werden nicht zuletzt deshalb heiß diskutiert, weil die Umgehung des Beraters die Frage aufwirft: Was passiert mit den Retrozessionen, vulgo: den Kick-backs, die bei Fonds vom Anleger zum Berater fließen? Berater behalten für die Betreuung von Kunden bzw. deren Depots einen Teil der Verwaltungsgebühr der Fonds als so genannte Vertriebsfolgegebühr ein. Wem gehören die Kickbacks, wenn der Berater als Glied in der Vertriebskette verschwindet? 

Hier geraten Plattformen wie Moneymeets unter Rechtfertigungsdruck: Denn „Leader“ erhalten auf Moneymeets nicht nur einen Teil der Kickbacks zurück, die für die Fonds in ihrem eigenen Depot fällig werden, sondern sie bekommen auch das Recht auf einen Teil der Kickbacks, mit denen das Depot ihrer „Follower“ belastet wird. „Wir sind kein Strukturvertrieb“, stellte Fromm auf entsprechende Nachfragen klar. Da bei Moneymeets alle Provisionen offengelege und teilweise an die Anlager ausgekehre, die Bewertung und die Empfehlung durch die Community erfolgten und Leader ihre Follower am Erfolg beteiligten, fehlten wichtige Merkmale eines Strukturvertriebs, so Fromm.

Die Gefahr der dritten Risikoebene ist zu beachten

Der Vertrieb von Fonds dürfte sich zunehmend ausdifferenzieren - und dabei auch stärker ins Internet verlagern. „Es wird weiterhin auf der einen Seite einen ausgeprägten Beratermarkt geben, in dem Kunden intensiv betreut werden, auf der anderen Seite steht der Online-Markt “, sagt Michael Weisz. Dieser werde durch Online-Plattform in seinen diversen Formen besetzt. Ob dafür allerdings eine komplexe Struktur mit Followern und Leadern nötig ist, wie sie derzeit Plattformen wie Moneymeets anbieten, ist dabei eine offene Frage.

Dem prinzipiellen Vorteil, dass Social Trading-Plattformen interessierte, internetaffine Bürger zu mündigen Anlegern machen können, steht die potenzielle Gefahr gegenüber, Investorenportfolios einer zusätzliche Risikoquelle auszusetzen: Neben dem Marktrisiko und dem Risiko, dass Fondsmanager falsche Entscheidungen treffen, entstehen durch die Vorgaben von „Leadern“ oder anderen selbsternannten Leitwölfen weitere prozyklische Anlagerisiken. Etwaige zurückerstattete Kick-backs wären dann nur der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein.

 

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich