ETF-Portfolios: Im Kern wird es in Zeiten niedriger Zinsen heißer

Wie sollen ETFs beim Aufbau eines Portfolios eingesetzt werden? Diese Frage ist so alt wie die Branche selbst, wird aber im heutigen Niedrigzinsumfeld neu gestellt. Wir diskutierten mit institutionellen Investoren über die Frage, wieviel Risiko für die Rendite heute nötig ist.  

Ali Masarwah 14.11.2014
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In der Regel agieren institutionelle Anleger eher vorsichtig – zumal bei Stiftungen der Kapitalerhalt an vorderster Stelle steht. Jetzt, wo der sichere Zins quasi abgeschafft wurde und in nächster Zeit immer mehr Banken dazu übergehen dürften, die Negativzinsen auf Guthaben an (Groß-)Anleger weiterzugeben, gewinnt die Frage, wie Portfolios aufgestellt werden sollen, eine neue Qualität: Sind beispielsweise Hochzinsstrategien heute noch Beimischungen, in Zeiten, in denen qualitativ hochwertige Unternehmensanleihen gerade einmal den Inflationsausgleich gewährleisten? Ich hatte die Gelegenheit, für das Magazin „portfolio vermögens management“ (pvm) eine Experten-Runde als Moderator zu leiten. Der Nachdruck des Gesprächs geschieht mit freundlicher Genehmigung des portfolio Verlags, Frankfurt. Es diskutierten:

Sabine Große, Leiterin Finanzen, Heinz-Sielmann-Stiftung;

Martin Friedrich, Head of Research und CIO, HQ Trust;

Klaudius Sobczyk, Geschäftsführer, Advanced Dynamic Asset Management;

Peter Scharl, Leiter Vertrieb iShares Deutschland;

Moderation: Ali Masarwah, Chefredakteur Morningstar Deutschland

 

Ali Masarwah: Wir wollen klären, wie Stiftungen und Vermögensverwalter heute, 14 Jahre nach der Einführung von ETF in Deutschland, börsennotierte Indexfonds in ihren Portfolios berücksichtigen. Frau Große und Herr Friedrich, definieren Sie bitte Ihre Anlagestrategie – und wie passen ETFs dazu? 

Sabine Große: Wir als private Naturschutzstiftung des Tierfilmers Heinz Sielmann verfolgen bei unserer Vermögensverwaltung zwei Ziele: das Stiftungskapital muss so angelegt werden, dass nach Kosten mindestens der nominale und der reale Kapitalerhalt stehen. Aber das reicht natürlich nicht, wir wollen das Kapital auch mehren, es müssen ja Erträge für die Erfüllung des Stiftungszwecks erzielt werden. Wir haben zwei Strategien; einerseits ein aktives Vermögensmanagement und andererseits managen wir selber, und dabei setzen wir konsequent auf eine ETF-Strategie.

Das war immer so? 

Große: Nein, unser jetziger Vorstand Michael Beier hat in der Vermögensverwaltung einiges verändert. Es gibt eine innovative Anlagerichtlinie, die eine große Bandbreite von null bis 75 Prozent in allen Asset-Klassen zulässt und konsequent auf ein Risikomanagement ausgerichtet ist. Dies war vor zehn Jahren bei Stiftungen noch nicht der Fall ...

… als mit Bundesanleihen noch deutlich höhere Realrenditen zu erzielen waren. 

Große: Ja. Was damals noch eine auskömmliche Rendite geliefert hat und zugleich als sicher galt, reicht heute längst nicht mehr. Heute ist der Begriff „Risiko“ anders zu definieren. Das haben wir mit unserer neuen Anlagerichtlinie getan, und das spiegelt sich in der neuen Strategie unserer Vermögensverwaltung wider. Wir nutzen mit einem kompetent besetzten Anlageausschuss auch die Expertise von Vermögensverwaltern sehr großer Stiftungen für uns selbst. Auch das ist neu bei uns. Den Kapitalerhalt zu sichern, ist natürlich die Leitplanke. Die Bandbreiten in unseren Anlagerichtlinien sind so gestaltet, dass schon mal etwas möglich ist, was bei anderen Stiftungen möglicherweise nicht geht.

Das Thema Core wird also bei Ihnen heute durchaus breiter definiert, als es vor 20 Jahren war. Herr Friedrich, wie halten Sie es? Sie vertreten ein Multi Family Office, das heißt, Sie verwalten das Geld mehrerer vermögender Familien.

Martin Friedrich: Wir sind ein klassisches Multi Client Family Office. Wir betreuen also neben der Familie Harald Quandt eine Reihe von Drittfamilien. Das ist sehr anspruchsvoll, denn jeder Kunde ist für sich zu sehen – mit einer individuellen strategischen Vermögensallokation. Wenn wir diese Allokation dann umsetzen in Kapitalmarktinstrumente, ist es unsere Philosophie, dass es kein Entweder-oder zwischen ETF und aktiven Strategien gibt. Vielmehr haben beide Arten von Kapitalmarktinstrumenten ihren Einsatzbereich, und darüber ist eben im jeweiligen Anwendungsfall zu entscheiden.

Kommen wir zu Ihnen, Herr Sobczyk, Sie vertreten einen unabhängigen Vermögensverwalter, der sich auf Dachfonds spezialisiert hat. Da geht es einmal um standardisierte Produkte, und Ihre Anlagestrategie ist taktisch geprägt und insofern per Definition kurzfristig ausgerichtet. Vielleicht können Sie uns den Einsatz von ETF erläutern.

Klaudius Sobczyk: Ich finde die Diskussion taktische versus strategische Allokation gerade heute so spannend, weil sich der Begriff „Core“, also Kernanlagestrategie, gewandelt hat. Die frühere Eindeutigkeit verändert sich, und es geht viel stärker in Richtung Individualität. Jeder Investor hat ein völlig anderes Verständnis von dem, was den Kern seiner Strategie ausmacht, und mit ETF ist diese Individualität in Summe einfacher umsetzbar, als es früher der Fall war. Aber zur Frage, wie wir bei Advanced Dynamic vorgehen: Auch wenn wir taktisches Management betreiben, steht inmitten unser Überlegungen für Produkte oder für Kunden immer erstmal die strategische Komponente im Vordergrund, also: Was ist die strategische, die langfristige Ausrichtung? Es darf zum Beispiel keinen nachhaltigen Verlust geben, das ist sozusagen die strategische Komponente. Trotzdem besteht sie immer aus sehr vielen taktischen Komponenten. Es ist sozusagen die langfristige Kunst, dass man kurzfristig durchaus vom Strategischen abweicht, aber langfristig das Ziel nicht aus den Augen verlieren darf.

Herr Scharl, iShares hat sich in diesem Jahr klar positioniert. Sie haben eine Anzahl an Core Produkten – zehn an der Zahl sind es für den deutschen Markt. Das haben Sie als Kern eines StandardAnlegerportfolios definiert. Es folgt so ein bisschen der alten klassischen Weisheit, dass man Dax, Euro Stoxx, S&P 500 und Co. sehr günstig abbilden sollte. Um diesen Kern gruppiert man Asset Klassen wie Private Equity, Emerging Markets, einzelne Länder und Branchen. Solche Produkte stellen dann sogenannte Satelliten dar. Ist diese klassische Definition noch zeitgemäß?

Peter Scharl: Insgesamt ja, das ist auf jeden Fall zeitgemäß. Was sich aber durchaus verändert hat, und da schließe ich mich dem an, was bereits in unserer Runde angesprochen wurde, ist der Trend hin zu flexibleren Anlagestrategien. Dafür eignen sich ETF sehr gut. Sie werden dabei meist in Kombination mit Satelliteninvestments verwendet. Wir möchten mit unserer Core-Palette allerdings jene Investoren, die mit ETF noch nicht versiert sind, darauf aufmerksam machen, dass man sich mit wenigen ETF ein breit diversifiziertes Kernportfolio zu günstigen Kosten zusammenstellen kann.

Welche Institutionellen verfolgen denn heute längerfristige Strategien und gehen weniger taktisch vor? :

Scharl: Wir beobachten das speziell bei Pensionskassen. Hier stehen eindeutig die Produktkosten im Vordergrund, und hier bieten sich Core-ETF an. Andere Investoren, die kurzfristiger orientiert sind, achten auf andere Kennzahlen. Für sie sind die Handelskosten entscheidend oder die Total Cost of Ownership, die sowohl Verwaltungsvergütung als auch Handelskosten umfasst.

Frau Große, Sie haben gesagt, Sie müssen heute risikoreicher agieren, um die erwünschte Rendite zu erzielen. Das führt fast zwangsläufig dazu, dass der Kern immer mehr zu dem wird, was früher eher in der Nische zu finden war. Kerninvestments sind heute risikoreicher geworden. Sind Sie zufrieden mit dem Angebot, das Sie vorfinden? Mit anderen Worten: Werden Sie gut bedient von den ETF-Anbietern, oder ist es sogar zu komplex geworden?

Große: Es gibt ja ein fast schon nicht mehr zu überschauendes Angebot an unterschiedlichen Strategien. Es ist gut, dass es mittlerweile möglich ist, bestimmte Investmentideen kostengünstig verpackt über ETF umzusetzen. Das enthebt mich als Investor natürlich nicht der Verantwortung, genau zu verstehen, was diese Strategien leisten. Transparenz im Anlageprodukt und das Verständnis des Produktes sowie die Direktanlage über Aktien im ETF stehen für uns dabei im Blickpunkt. Anlagen mit einer Beimischung von Derivaten, wie Optionen oder Futures, nutzen wir auch beim  Verlust von einigen minimalen Prozentpunkten an Rendite nicht, weil wir das Risiko unserer Anlagen minimieren und nicht hebeln wollen.

Das ist ein interessanter Punkt. Wenn wir nämlich über Strategien sprechen, die von dem klassischen Prinzip der Schuldenoder Marktkapitalisierungsgewichtung abweichen, dann kommt man schnell zum Thema Smart Beta, das wir bei Morningstar weniger bombastisch als strategisches Beta bezeichnen. Da gelangt man zu Dividendenstrategien und anderen Risikoprämien oder zu Risk Parity Ansätzen. Bei Letzteren werden häufig gering schwankende BondInvestments gehebelt, um mit einer bestimmten Zielvolatilität auskömmliche Renditen zu erzielen. Hier wird also das am stärksten überbewertete Segment am Kapitalmarkt gehebelt und damit eine hochriskante Strategie gefahren. Steht so etwas nicht sinnbildlich für das Risiko, das solchen Strategien innewohnen kann? 

Sobczyk: Das Hauptproblem ist, dass Szenarien für die Zukunft entworfen werden. Im Grunde projizieren doch viele die Situation heute oder sogar die Vergangenheit in die Zukunft und investieren mit dem Blick in den Rückspiegel. Ich glaube, das ist bei den sogenannten Smart ETF die große Gefahr. Leute sehen, dass eine bestimmte Strategie in der Vergangenheit gut performt hat, das nehmen sie einfach so als gegeben hin und hinterfragen nur selten, wann so eine Strategie aufhören wird zu laufen oder wann und unter welchen Bedingungen eine solche Strategie zum Risiko werden kann. 

Friedrich: Ja richtig, genau darin besteht natürlich unsere Aufgabe als Investoren, diese Risiken zu verstehen und zu entscheiden, wie attraktiv eine Strategie ist. Ich bin ja nicht dafür da, um vor Risiken davonzulaufen, sondern es ist sogar meine Aufgabe als Vermögensverwalter, Risiken einzugehen. Wichtig ist dabei, dass ich das Risiko nur dort eingehe, wo aller Voraussicht nach eine entsprechende Chance dagegensteht, welche dies rechtfertigt. 

Scharl: Unsere Verantwortung als Produktanbieter ist es, die Investoren zu schulen und sie darüber zu informieren, wie Indizes und ETF darauf funktionieren. Aber damit die Diskussion nicht in eine Schieflage kommt: Es sind nicht selten die Investoren, die mit sehr exotischen Wünschen auf uns zukommen. Wir bekommen oft Anfragen nach Produkten, die sich nicht im ETF-Mantel umsetzen lassen. I-Shares hat als Marktführer die Verantwortung, Grenzen bei Produktkreationen im Sinne der Anleger zu setzen.

Frau Große, hört es bei Ihnen beim S&P 500 auf? Oder dürfen es auch Faktormodelle oder Risk Parity Ansätze sein? Oder sind das Bereiche, wo sie sagen: Da sind die aktiven Manager mit ihrer Expertise gefragt? 

Große: Ja und nein. Einerseits ja, weil wir bei speziellen Strategien die Kompetenz der Vermögensverwalter nutzen, andererseits gehen wir aber auch bei neuen Themen oder Trends in den globalen Märkten mit. Wenn wir die Wirkung von Produkten nicht abschätzen können, dann lassen wir auf jeden Fall die Finger davon.

Können Sie uns mehr über dieses von Ihnen selbst gemanagte Portfolio verraten, das mit ETF bestückt ist?

Große: Wir investieren breit diversifiziert und global gestreut in Aktien, Anleihen, Rohstoffe und Währungen. Aktuell sind wir mit einer Quote von 50:50 in Aktien und Anleihen unterwegs. Es sind natürlich Standardindizes wie der S&P 500 dabei, aber wir haben auch in Immobilienaktien aus Großbritannien investiert und uns auch am chinesischen oder mexikanischen Aktienmarkt engagiert. Natürlich nutzen wir auch Rohstoffe, Private Equity, und bei Staatsanleihen schauen wir uns gern wieder Südeuropa an. Allerdings bleibt die Anzahl der Produkte, die wir einsetzen, überschaubar.

Kommen wir zum Thema Kosten. In letzter Zeit haben viele ETF-Anbieter bei einigen ETF die Kosten deutlich gesenkt. Frage an die Investoren: Spielt so eine aggressive Preisrunde eine Rolle beim Einsatz von ETF in Ihren Portfolios?

Sobczyk: Die Kosten sind natürlich ein wichtiger Faktor für Investoren, aber am Ende des Tages muss der ETF das tun, was er tun muss. Das bedeutet, er muss den Index effizient abbilden. Das ist das A und O, aber natürlich kommen die Kosten gleich danach: Mit Kosten von 40 Basispunkten werden ETF in der Regel keinen Index zufriedenstellend abbilden können.

Friedrich: Klar, die Kosten spielen eine wesentliche Rolle. Denn eins ist doch klar: Wenn  ein Produkt statt 0,4 nur noch 0,05 Prozent kostet, dann springen beim Anleger, wenn alles andere gleich bleibt, pro Jahr 0,35 Prozent mehr heraus. Aber die ausgewiesenen Kosten sind nicht das Einzige, was bei einer Anlageentscheidung im Vordergrund stehen sollte. Wir müssen von Fall zu Fall die Gesamtkosten analysieren, dazu zählen nicht zuletzt auch die Handelskosten. Fazit: Es gibt bestimmte Strategien und Produkte, in die wir aufgrund der Kosten nicht investieren.

Scharl: Produkte mit niedrigen Kosten anzubieten ist ein wichtiger Teil unserer Core-Series-Strategie. Wir zielen hier auf Langfristinvestoren ab, denen wir den Einstieg erleichtern wollen. Für Langfristinvestoren sind die ausgewiesenen Gesamtkosten die wichtigste Position. 

Klar, bei Langfristinvestoren stehen bei Einmalanlagen nicht die Handelskosten im Vordergrund.

Scharl: Richtig. Der taktische Investor muss wesentlich stärker auf die Handelskosten schauen. Je kürzer der Anlagezeitraum, desto entscheidender sind die Handelskosten. Ein Vorteil von ETF ist, dass Neuanleger die Geld-Brief-Spanne an der Börse oder über den Market-Maker bezahlen, die Handelskosten werden also dort abgerechnet, wo sie entstehen. Löst ein Investment dagegen bei aktiven Fonds einen Kauf aus, werden diese Kosten auch auf bereits im Fonds investierte Anleger umgelegt.

Es ist auch eine sehr interessante Be­obachtung, dass aktiv verwaltete Fonds trotz des Überangebots an Produkten und ungeachtet der häufig bescheidenen Renditen gegenüber den Vergleichsindi­zes unverändert teuer sind. 

Scharl: Solange sie dann wirklich aktiv sind und eine Outperformance erzielen, ist es ja auch gerechtfertigt. Sie lassen sich mit einer Barbell-Portfoliostrategie sinnvoll mit ETF kombinieren.

Dass die meisten das nicht schaffen, ist keine neue Erkenntnis … 

Scharl: Das stimmt, ja. Aber die werden es zunehmend schwer haben. 

Frage an die Investoren mit Blick auf eine derzeit stark nachgefragte Anlageklasse: Anleihen-ETF. Sind BondIndizes wirklich vergleichbar mit Aktienindizes? Zum einen werden in solchen Indizes die größten Schuldner am stärksten gewichtet. Und zum anderen werden heute angesichts der attraktiven Finanzierungskonditionen viel stärker Bonds mit längeren Lauf­zeiten emittiert. Das bringt für passive Investoren immer höhere Durationsrisiken mit sich – bei denselben Indizes. Muss man dieses Risiko so hinnehmen um der Rendite willen?

Friedrich: Wir haben diese Risiken absolut im Blick und versuchen, sie zu vermeiden und alternative Ertragsquellen zu finden. So können wir das Zinsänderungsrisiko in den Portfolios senken. Auf der Rentenseite setzen wir nur aktive Strategien ein und keine ETF. Uns interessiert dabei wesentlich, ob der Manager das Zinsänderungsrisiko im Griff hat. Diese relativ vorsichtige Strategie hat in den vergangenen 1,5 Jahren nicht immer die bestmöglichen Resultate gebracht, aber wir glauben, dass wir damit sicher aufgestellt sind.

Sobczyk: Bei Bond-Indizes sehen wir das Problem, dass oft Papiere verpackt werden, die eigentlich sehr schwer handelbar sind. Und die werden durch andere Konstruktionen abgebildet, oder sie werden von dem Indexanbieter sofort übernommen, was auf dem Markt die Liquidität deutlich senkt. Die Liquidität der einzelnen Werte in einem ETF stand in den letzten Jahren nicht im Vordergrund.

Friedrich: Wenn Sie vor der Krise zum Beispiel Hochzinsanleihen verkaufen wollten, dann haben die Handelsabteilungen der großen Investmentbanken oftmals die Gegenseite des Geschäfts genommen, heißt zwischenfinanziert. Zur Bereitstellung dieser Liquidität waren diese Geschäftsbereiche damals mit dem entsprechendem Kapital unterlegt. Dieses Kapital wird heute von den Banken dank vielfachen neuen Gesetzen und Regulierungen nicht mehr zur Verfügung gestellt. Wenn also morgen alle Investoren durch dieselbe Tür aussteigen wollen, dann wird es in der Folge eine ziemlich steile Flanke nach unten geben. Man muss sich dieser Risiken bewusst sein. 

Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang den Ausverkauf bei Hochzinsanleihen in diesem Jahr? Der Anlass war ja nicht naheliegend, die Fed hatte ja vor dem Hintergrund der besseren Lage der US-Wirtschaft nur das angekündigt, was eigentlich jedem klar gewesen sein muss: QE geht seinem Ende entgegen. Im Grunde haben High-Yield-Investoren genau das Gegenteil von dem gemacht, was sie logischerweise hätten auch tun können: Angesichts solider Fundamentaldaten High Yields zu kaufen. Kommen da fundamental orientierte Investoren und Analysten an ihre Grenzen?

Friedrich: Na ja, es ist auch nicht so unlogisch, dass eine Anlageklasse irgendwann schlicht unter der Last ihrer eigenen Überbewertung kollabiert …

Scharl: Man muss auch sehen, dass in Hochzinsanleihen sehr viel Geld reingeflossen ist, darum waren diese Gewinnmitnahmen irgendwann zu erwarten. Wichtig ist aber vor allem in diesem Zusammenhang, dass Hochzins-ETF immer bepreist und gehandelt wurden. 

Sobczyk: Es gab Umschichtungen etlicher großer Institutionen in den USA. Das waren Allokationsentscheidungen und dürfte nur mittelbar mit der fundamentalen Bewertung zusammenhängen. Das ging gut, aber man kann nicht davon ausgehen, dass die Börse dies immer effizient handeln kann, wenn der Sell-off kommt.

Scharl: Da kommt der Sachverstand des Investors zum Tragen. Er muss sich der Chancen und Risiken von High Yield Investments bewusst sein. ETF auf High Yields sind auch im Sekundärmarkt prinzipiell sehr liquide, aber falls jeder durch die gleiche Tür möchte, wird über den Creation-Redemption-Prozess im Underlying gehandelt. ETF sind also mindestens so liquide wie die zugrunde liegenden Bonds. 

Vielen Dank für dieses Gespräch!

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich