Bei Schwellenländer-Investments ist Diversifikation Trumpf

Einzelländer-Investments und Modethemen wie BRIC bergen hohe Risiken. Am MSCI Emerging Markets Index kommt man bis auf weiteres nicht vorbei. Unsere Kolumne über Märkte, ETFs, ihre Performance - und die Kosten.

Ali Masarwah 23.05.2014
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Hätten sich Investoren vor rund sechs Monaten an dem unter Finanzmarktprofis herrschenden Konsens orientiert, dann wäre das Performance-Ergebnis per heute nicht gut. Dann hätte man Schwellenländer-Aktien gemieden und Titel aus den Industrieländern übergewichtet. Vor allem zu Japan-Aktien wurde geraten, und hochqualitative Staatsanleihen aus den USA oder Deutschland galten wegen der Zinsänderungsrisiken praktisch als Teufelszeug. Per Stand 22. Mai liegt der japanische Aktienmarkt deutlich im Minus, Schwellenländer-Aktien haben ihre Pendants aus den Industrieländern hinter sich gelassen, und US-Staatsanleihen sowie deutsche Bundesanleihen hatten 2014 durchaus einen guten Lauf.

Es gilt nach wie vor das Motto: Hin und Her macht Taschen leer

Fazit Nummer eins: Man sollte den taktischen Empfehlungen der Profis mit Vorsicht begegnen. (Und nein: Sie selbst werden es auch nicht besser machen, insofern: taktische Calls sollten Sie generell bleiben lassen!). Das zweite Fazit ergibt sich, betrachtet man die Entwicklungen der großen Anlageregionen im Einzelnen: Schwellenländer deuten zwar ein Comeback an, aber Diversifikation ist hier oberste Pflicht – Länderinvestments wie auch eng begrenzte Themen können gleichermaßen schmerzliche wie unnötige Verluste nach sich ziehen. Beispiele gefällig? Russische Aktien verloren in diesem Jahr rund 8,5 Prozent, und der MSCI China setzte seine Talfahrt fort und sackte um gut 3 Prozent ab.

Natürlich konnte man in Schwellenländern auch ordentlich Geld verdienen: Aktien aus Indonesien legten per 22. Mai um knapp 30 Prozent zu, und bereits lange vor den Parlamentswahlen in Indien setzten viele Anleger auf einen Sieg des Reformers Modi und trieben damit den MSCI India um 20 Prozent nach oben. (Wir haben die Auguren nicht vernommen, die im Dezember 2013 zur Übergewichtung Indiens und Indonesiens rieten).

Und sie wachsen immer noch: Schwellenländer sind nicht out

Die Berg- und Talfahrt bei Schwellenländer-Aktien haben wir zum Anlass genommen, uns breit diversifizierte Schwellenländer-ETFs vorzunehmen. Unabhängig von den Enttäuschungen der Vergangenheit spricht nach wie vor einiges für Investments in Emerging Markets.  Auch wenn das Wachstum in China, Südkorea, Taiwan, Brasilien und Südafrika unterhalb des Durchschnitts der vergangenen zehn Jahre bleibt, ist die Wirtschaftsentwicklung doch robuster als es viele vermuten dürften. Ungeachtet des langsamen Aufstiegs Europas aus der Krise bleiben die Märkte der Emerging Markets Wachstumsquellen, aus denen die Unternehmen ihre Gewinne schöpfen.

Doch wie sollte man in Emerging Markets Aktien investieren? Wir haben die Morningstar-Kategorie Aktien Schwellenländer global durchforstet und haben die größten 20 ETFs herausgefiltert. Die untere Tabelle, die wir nach Fondsvermögen sortiert haben, zeigt, dass der Markt von Produkten auf den MSCI Emerging Markets dominiert wird. Sie stellen acht der zehn größten Produkte. Hinzu gesellen sich ein Dividenden- und ein Nebenwerte-ETF.

Tabelle: Die größten ETFs für Schwellenländer-Aktien in Europa 

Der MSCI Emerging Markets gilt nicht umsonst als die wichtigste Benchmark für Schwellenländer-Aktien. Der Index wird nach der Marktkapitalisierung gewichtet und berücksichtigt dabei die frei handelbaren Aktien. Er umfasst derzeit rund 830 Aktien aus 21 Ländern. Die durchschnittliche Marktkapitalisierung beläuft sich auf rund 19 Milliarden US-Dollar (Der Median, der den Einfluss der größten Unternehmen glättet, liegt bei gut zwei Milliarden US-Dollar). Die höchsten Gewichte im Index auf Branchen-Ebene sind Finanzdienstleister, die rund ein Viertel ausmachen, gefolgt von Technologiewerten (17 Prozent) und Energietitel (9,5 Prozent).

Aktive Fonds wetten gegen den Index mit Konsumaktien

Interessant ist, dass aktive Schwellenländerfonds in Europa derzeit einige prominente Wetten gegen den Index laufen haben: Konsumwerte machen insgesamt rund 17 Prozent des MSCI Emerging Markets aus und sind damit rund ein Viertel weniger stark gewichtet als der Durchschnitt der Kategorie. Dagegen sind Rohstoffe, Energiewerte und Versorger im MSCI Emerging Markets deutlich stärker vertreten als bei aktiven Fonds. Geht die Konsumwette nicht auf, oder erholen sich Rohstoffwerte deutlich, droht den aktiven Managern eine Schmerzhafte Underperformance.

Mit Blick auf die Länderstruktur machen China-Aktien ein Gewicht von 18 Prozent im MSCI Emerging Markets aus, gefolgt von Aktien aus Korea (16 Prozent), Taiwan (12 Prozent), Brasilien (11,3 Prozent), Südafrika (7,7 Prozent) und Indien (6,5 Prozent). Ein relativ neues Mitglied in der Länderriege ist Griechenland. Griechische Aktien wurden nach der Klassifizierung Griechenlands durch den Indexanbieter MSCI als Schwellenland in den Index aufgenommen. Sie bringen allerdings nur ein Gewicht von rund 0,6 Prozent auf die Waage und sind damit deutlich niedriger gewichtet als Aktien aus dem Nachbarn Türkei (1,7 Prozent).

MSCI Emerging Markets punktet mit breiter Diversifikation

Die Stärke des MSCI Emerging Markets, seine breite Streuung, wird bei der Betrachtung der Top zehn Aktien deutlich, die nur gut 16 Prozent des Indexgewichts ausmachen. Es handelt sich also nicht um einen „kopflastigen“ Index. Gleichwohl sollten Anleger zur Kenntnis nehmen, dass mit Samsung (3,8 Prozent), Taiwan Semiconductor (2,5 Prozent), Tencent Holdings (1,7 Prozent), China Mobile (1,5 Prozent) und China Construction Bank alle fünf Top-Aktien aus Ostasien stammen - analog zur hohen Gewichtung Koreas und Chinas auf Länderebene. 

In unserer Auswahl finden sich auch Nebenwerte-ETFs, die den MSCI Emerging Markets Small Cap abbilden.  Die durchschnittliche Marktkapitalisierung liegt hier bei unter 800 Millionen US-Dollar. Anleger sollten sich vergegenwärtigen, dass sich bei diesem Index nicht nur Schwellenländer- und Liquiditätsrisiken (bzw. –prämien) vereinen, sondern auch Value-Aktien einen Schwerpunkt bilden. Wir wollen an dieser Stelle nicht in die heiß diskutierte akademische Debatte einsteigen, ob das Value-Phänomen, also die Tatsache, dass es günstig bewertete Aktien gibt, tatsächlich ein „Risikofaktor“ darstellt oder nur das Ergebnis der irrationalen Verhaltensweisen von Anlegern ist. 

Unter Nebenwerten befinden sich viele "heiße" Immobilienaktien

Allerdings erscheint der Hinweis angebracht, dass der Immobiliensektor mit einem Gewicht von zehn Prozent im MSCI Emerging Markets Small Cap eine recht heiße Wette auf einen heiß gelaufenen Sektor darstellt. (Man könnte geneigt sein, die im Vergleich zum  „großen Bruder“ deutlich niedrigere Quote an Banken – unter zehn Prozent – als „Ausgleich“ zu sehen). 

Der MSCI Emerging Markets Small Cap ist mit Blick auf die Einzeltitel noch breiter diversifiziert als der Standardwerteindex. Unter fünf Prozent des Gewichts vereint sich in den Top zehn Positionen. Insgesamt umfasst der Index gut 800 Aktien. Hotel Shilla aus Südkorea, Sunway aus Malaysia und Mondi Ltd sind die Top drei Titel mit einem Anteil von jeweils gerade einmal 0,5 Prozent. Taiwan (20 Prozent), China (18 Prozent) und Korea (17,5 Prozent) dominieren diesen Index auf Länderebene noch mehr als der „große Bruder“. 

Blicken Nebenwerte-ETFs mit rund fünf Jahren auf eine für Schwellenländer-ETFs vergleichsweise längere Historie zurück, sind Dividenden-ETFs ein noch recht junges Phänomen. Mit dem iShares Emerging Markets Dividend und dem SPDR S&P Emerging Markets Dividend ETF finden sich zwei dieser Produkte in unserer Auswahl. Sie sind nicht nach Marktkapitalisierung, sondern nach Dividendenrendite gewichtet. Zu beachten ist, dass die beiden ETFs unterschiedlichen Indizes folgen und deshalb andere Schwerpunkte haben: Der S&P-Index weist ein deutlich höheres Gewicht an Standardwerten und Lateinamerika-Aktien auf als das iShares-Produkt, das den Dow Jones Emerging Markets Select Dividend abbildet. Beiden ETFs gemein ist dagegen die vergleichsweise hohe Gewichtung osteuropäischer Aktien. 

In der unteren Hälfte der Tabelle finden sich auch exotische Produkte. Sie reichen von Minimum-Variance-ETFs, also ETFs, die das Ziel haben, die Aktien mit der niedrigsten Schwankungsbreite zu vereinen, bis hin zu Faktor-basierte Indexstrategien.

Minimum-Vola ist in aller Munde - das Geld liegt aber woanders

Stichwort Minimum Variance: Während Ossiam, eine Tochter des französischen Asset Managers Natixis, dafür auf eine hauseigene Benchmark setzt, folgt der iShares ETF dem MSCI Emerging Markets Minimum Volatilty. Mit einem Vermögen von 160 Millionen bzw. 114 Millionen Euro sind diese Produkte bisher allerdings noch ein Nischenphänomen. 

Dies gilt allemal für die drei kleinsten ETFs unserer Auswahl. Der Julius Bär Smart Equity UCITS ETF Emerging Markets, der PowerShares FTSE RAFI Emerging Mkts und der FT Emerging Markets AlphaDEX zählen ebenfalls zu den so genannten Smart Beta-Produkten. Glaubt man den zahlreichen optimistischen Prognosen am Markt, dann könnten derartige alternative Produkte immer mehr in den Fokus von Anlegern geraten. 

Julius Bär setzt auf Momentum und Value in einem Produkt

Hinter diesen Produkten stehen alternative Konstruktionsmethoden, die von der Regel der Marktkapitalisierungsgewichtung abweichen. Im Gegensatz zu Dividenden-ETFs sind die Strategien komplex. Der von Swiss&Global verwaltete JB ETF kombiniert zwei konträre Ansätze: Eine gleichgewichtete Momentum-Strategie und eine Substanzwerte-Strategie, welche die Aktien nach Marktkapitalisierung gewichtet. Die Strategie mit der höheren Information Ratio wird entsprechend höher gewichtet. 

Dass alternative Indexmethoden keinesfalls Selbstläufer sind, zeigt das Beispiel des PowerShares-ETF. Dieser ETF, der Aktien nach einer Kombination aus Faktoren auswählt, die den Stempel „fundamental gewichtet“ tragen, kommt aus dem Hause Invesco und blickt auf die zweitlängste Historie unter allen Schwellenländer zurück. Dennoch weist er das zweitniedrigste Volumen auf. Die eher bescheidene Performance-Bilanz, die aus den hohen Verlusten in Krisenzeiten zustandekommt, dürfte Anleger abgeschreckt haben. 

Alternative ETFs müssen sich noch behaupten

Der kleinste Emerging Markets ETF ist der First Trust Emerging Markets Alpha, der so gut wie ausschließlich in Großbritannien vertrieben wird. Er setzt auf eine Kombination aus Growth- und Value-Aktien. Bildlich gesprochen kommt hier eine Art „Hantel“-Ansatz zum Tragen, in dem ETF befinden sich also Aktien der beiden gegensätzlichen Stile.   

Ob diese alternativen Strategien tatsächlich Mehrwert gegenüber Standardwerte-Indizes wie dem MSCI Emerging Markets liefern werden, muss sich zeigen. In den vergangenen drei Jahren lagen die Renditen eng beieinander. Nur der RAFI-ETF lag recht deutlich hinten – auch in der Fünfjahresbilanz. In diesem Jahr konnte dieser ETF wie auch Nebenwerte-Produkte etwas an Boden gut machen, aber dies sind Momentaufnahmen, und das Segment ist noch zu jung, um aussagekräftige Aussagen zu treffen. Die Überlegenheit von alternativen ETFs gegenüber der Marktkapitalisierungsgewichtung ist allerdings nicht erwiesen – und bis zum Beweis des Gegenteils sollten Anleger nicht übereilt die Pferde wechseln.

Kommen wir zum Schluss zu den Kosten. Bei ETFs fallen vielfältige Gebühren an. Die Management-Gebühren sind dabei das eine. Das andere sind die Gebühren, die beim An- und Verkauf anfallen, die Spreads. Wir haben schon häufiger darauf hingewiesen, dass Anleger neben der Management-Gebühr diese oft übersehene Kostenkomponente beachten sollten (lesen Sie hier mehr). Neben den wichtigsten Kennzahlen der ETFs am Markt enthält unsere obere Tabelle auch eine Aufschlüsselung der Kostenkomponenten.

Bei den Spreads setzt die Deutsche Börse Maßstäbe

In den 30 Handelstagen per 20. Mai fielen die günstigsten Handelskosten für Emerging Markets ETFs europaweit bei den Produkten von iShares und der Deutschen Bank auf den MSCI Emerging Markets an. Die „einfache Fahrt“ kostete Investoren an der Deutschen Börse bei diesem Produkt etwa 4,5 Basispunkte. Ein Spread von 18 Basispunkten weist der ComStage-ETF auf den MSCI Emerging Markets auf, beim Lyxor-Pendant ist es nur ein Basispünktchen mehr. Auffällig ist, dass sich die Deutsche Börse bei elf von 20 ETFs zum günstigsten Handelsplatz europaweit mausern konnte.

Der mit Abstand teuerste ETF war an den 30 betrachteten Handelstagen der FT Emerg Mkts Alpha, der im Schnitt eine Handelsspanne von 99 Basispunkten aufwies. Auch die anderen „intelligenten“ ETFs sowie Nebenwerteprodukte erweisen sich im Handel als relativ teuer. Sie kommen häufig auf Spreads von über 50 Basispunkten.

Amundi zeigt: Es gibt noch Spielraum nach unten bei den Kosten

Auch bei den laufenden Kosten gibt es größere Unterschiede. Der Vanguard-ETF auf den FTSE Emerging Markets kostet jährlich 29 Basispunkte. Er ist damit etwas günstiger als der UBS-ETF mit einer Gebühr von 0,33 Prozent und der Amundi-ETF (0,39 Prozent). Auch in Bezug auf die jährlichen Kosten, die sich vor allem aus den Management-Vergütungen zusammensetzen, sind alternative ETFs am teuersten. Allerdings können auch Plain-Vanilla-ETFs auf den MSCI Emerging Markets nach wie vor recht teuer sein. Deka, Deutsche Bank und State Street (SPDR) verlangen pro Jahr 65 Basispunkte für ihre Standard-ETFs. Die Tatsache, dass beim ohnehin günstigen ETF von Amundi vor wenigen Tagen die Gebühren um 25 Basispunkte gesenkt wurden, zeigt, dass bei den Management-Gebühren offenbar noch viel Spielraum nach unten existiert.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich