Warum der Abgesang auf die Apple-Aktie verfrüht ist

Wir halten unsere Fair-Value-Schätzungen aufrecht. Allerdings zeigt der jüngste Kursrutsch, dass Apple ständig überragende Produkte in allen Bereichen entwickeln muss.

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Anleger und Apple-Liebhaber halten in diesen Tagen den Atem an. Das Wall Street Journal und der japanische Nikkei News-Service gemeldet haben, dass Apple die Komponenten-Bestellungen für das iPhone 5 für das erste Quartal um mehr als die Hälfte reduzieren musste. Dies lässt mutmaßen, dass die Nachfrage nach dem iPhone, vor allem in den Schwellenländern, schwächer ist als erwartet. Damit steigen die Risiken für Apples kurzfristigen Gewinn und vielleicht auch für das langfristige Wachstum.

Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten: Seit Anfang Januar brach der Aktienkurs in der Spitze um rund 10% ein. Damit beschleunigte sich der seit Mitte September 2012 zu beobachtende Trend: Die Aktie brach seitdem von gut 700 US-Dollar auf 503 Dollar ein.

Wie ist dieser tiefe Fall zu bewerten? Wir halten unsere Fair-Value-Schätzung für Apple aufrecht. Demnach ist ein Aktienkurs von 770 US-Dollar angemessen. Einen Kauf wert wäre die Aktie bis zu einem Kurs von 539, also deutlich unter dem heutigen Niveau. Wir gehen davon aus, dass schlechten Nachrichten im aktuellen Aktienkurs von Apple mehr als eingepreist sind. 

Einen Kauf wert wäre die Aktie bis zu einem Kurs von 539 Dollar, also deutlich unter dem heutigen Niveau.

Auch wenn wir in diesen Nachrichten einen weiteren Risikofaktor für Apples Prognose fürs erste Quartal sehen, die am 23. Januar ansteht, gehen wir nicht davon aus, dass sich die Unsicherheit über den iPhone 5 Absatz bereits in den Ergebnissen des vierten Quartals 2012 widerspiegeln werden. Im Gegenteil: Die jüngsten Ankündigungen von AT&T und Verizon über einen starken Smartphone-Absatz im 4. Quartal 2012 lassen für Apple einen gesunden Start des iPhone 5-Vertriebs - zumindest in den Vereinigten Staaten - erwarten.

Wie in der Presse zu lesen war, lag Apples Prognose bei 65 Millionen iPhone-Bildschirmen für das erste Quartal. Wir gehen jedoch davon aus, dass eine solche Prognose unrealistisch hoch wäre - genaue Zahlen über den Umfang der Bestellungen liegen nicht vor - und dann eine Orderreduzierung in gewissem Umfang wahrscheinlich ist.

Auch deutlich reduzierte iPhone-Absatzzahlen brächten starkes Ergebnis

Grob gerechnet und ohne Kenntnis der Bildschirmbestellungen in vergangenen oder zukünftigen Quartalen gehen wir davon aus, dass Apple bei einer ähnlichen Bestellmenge für das Vorquartal von mindestens 65 Millionen Bildschirmen und bei 50 Millionen verkauften iPhones im 4. Quartal, 15 Millionen überschüssige Bildschirm-Einheiten für das 1. Quartal auf Lager haben könnte. Das wäre der Fall bei einem soliden iPhone-5-Start. Wenn Apple seine Bestellungen für Bildschirme um die Hälfte kürzt, also auf etwa 35 Millionen Einheiten, würde das Unternehmen immer noch vernünftige Ergebnisse von mindestens 40 Millionen, wenn nicht sogar 50 Millionen verkauften iPhones im 1. Quartal erwarten.

Unserer Meinung nach wäre das immer noch ein starkes Ergebnis. Wir sollten auch beachten, dass Bildschirme nur ein paar Monate zuvor noch als möglicher Engpassfaktor bei Apple gesehen wurden. Wie in der Lieferkette von Smartphone-Komponenten üblich, können Engpässe im Quartal zu doppelten Bestellungen und damit späteren Auftragsstornierungen führen und, einmal ausgeliefert, zu Nachfragereduzierungen die den Bedarf ausgleichen.

Die Prognose von 65 Millionen Einheiten legt Doppelbestellungen bei mehreren Zulieferern von Apple wie Sharp, Japan Display und LG Display nahe. Laut Berichten wird die Bestellmenge bei Japan Display gegenüber dem 4. Quartal 2012 um 80 Prozent reduziert, während die Bestellungen bei Sharp um 40 Prozent sinken. Angesichts der jüngsten Finanzprobleme bei Sharp lässt eine Doppelbestellung bei den beiden anderen Bildschirmlieferanten eher auf ein angemessenes Risikomanagement schließen, mit zusätzlichen Aufträgen für Japan Display als Notfallplan, der nun storniert wird.

Wir können das Risiko nicht ausschließen, dass diese Bestellproblematik tatsächlich das Ergebnis der lauen Nachfrage nach dem iPhone 5, vor allem in den Schwellenländern, ist. Vielleicht schließt diese Nachricht die Möglichkeit eines absolut herausragenden 1. Quartals für Apple aus, wir gehen aber davon aus, dass es eine gute Chance gibt, dass diese Reduzierung der Bestellmengen in keinem engen Zusammenhang mit Apples Verkäufen an Endkunden steht – eine Möglichkeit, die nicht in Apples Aktienkurs berücksichtigt ist.

Lieferkettenprobleme mehr als nur ein Gerücht?

Wir glauben, was wichtiger ist, dass diese Meldungen bereits in Apples Aktienkurs eingepreist sind, und sehen die Aktie zum jetzigen Zeitpunkt als attraktiv bewertet an. Ein Szenario mit einem verhaltenen iPhone-5-Start und geringen jährlichen Wachstumsraten sollte bereits bei einem niedrigen Aktienkurs um die USD 500,00 bei der Apple-Aktie berücksichtigt sein. Die News-Berichte geben einige Hinweise auf eine verhaltene Markteinführung, und mit Blick auf Apples Aktienkurs neigen wir zu der Annahme, dass es sich bei der Lieferketten-Problematik um mehr als nur Gerüchte handelt und diese die Nachfrage nach dem iPhone Anfang 2013 behindern wird. Solche Risiko-Rendite-Chancen wissen wir zu schätzen. Angesichts der USD 128 Cash je Aktie, die Apple auf der hohen Kante hat, unseren Schätzungen von mindestens USD 48 Gewinn je Aktie über jedes der nächsten fünf Jahre, das Potenzial für ein besser als erwartetes iPad-Wachstum und vielleicht neuen Innovationen wie Apple TV sehen wir Apple aktuell als attraktiv bewertet an.

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Über den Autor

Morningstar Equity Analysts  Morningstar stock and fund analysts cover 2,000 mutual funds, 2,100 equities, and 300 exchange-traded funds.